Paris, je’taime

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Vielen galt zuletzt „Die wunderbare Welt der Amélie“ als ultimativer Film über Paris. Das könnte sich mit dem Kompilationsfilm „Paris, je t’aime“ ändern. 21 namhafte internationale Regisseure erzählen in 18 mal fünf Minuten kleine mal mehr, mal weniger romantische Begegnungen in der Stadt der Liebe und führen ihr Starpersonal und den Betrachter an bekannte, aber auch an unbekannte Orte, manchmal auch auf falsche Fährten. Die Geschichten sind dabei so vielfältig wie die aus aller Herren Länder stammenden Menschen und die Arrondissements der französischen Metropole. Selbst für Paris-Kenner gibt es da noch einiges zu entdecken.

Webseite: www.parisjetaime-film.de

Frankreich 2006
Regie: Olivier Assayas, Fréderic Auburtin & Gérard Depardieu, Sylvain Chomet, Ethan und Joel Coen, Wes Craven, Alfonso Curaon,  Christopher Doyle, Richard LaGravenese, Vincenzo Natali, Alexander Payne, Bruno Podalydès, Walter Salles & Daniela Thomas, Olivier Schmitz, Nobuhiro Suwa, Tom Tykwer, Gurinder Chandha, Gus Van Sant, Isabel Coixet
Darsteller: u.a. Willem Dafoe, Bob Hoskins, Ben Gazzara, Steve Buscemi, Nick Nolte, Isabelle Rossellini, Gena Rowlands, Fanny Ardant, Juliette Binoche, Natalie Portman, Gaspard Ulliel, Elijah Wood, Maggie Gyllenhaal u.v.a.
120 Minuten
Verleih: Senator
Start am 25.01.07

PRESSESTIMMEN:

Das Staraufgebot, die Vielfalt der Sujets und einfallsreichen Plots sowie die klug strukturierte Zusammenstellung ermöglichen zahlreiche Entdeckungen in den unterhaltsamen, mal wehmütigen, häufig humorvollen Geschichten, die ein positiver Grundton verbindet. - Sehenswert ab 14.
film-dienst

Geschichten der Liebe und der Einsamkeit. Sie atmen alle die Luft dieser Stadt und doch sind sie auch allgemeingültig. Vom Suchen und Finden wird da erzählt, von der Poesie des Träumens, von der Bitterkeit des Realen. Einige von ihnen spielen an touristisch bekannten Plätzen, am Eiffelturm und in der so typischen Metro, andere wiederum an den unscheinbaren Orten der Stadt, wo man einem noch unbekannten Paris begegnet.
Filmecho

Überraschend kurzweilig.
KulturSPIEGEL

FILMKRITIK:

Wieder einmal beweist ein ambitioniertes Projekt, dass Kurzfilme eine faszinierende Kunstform sind. Doch wo sie für sich allein stehend außer auf entsprechenden Festivals kaum Beachtung und Verbreitung finden, ist ihnen zu einem Paket geschnürt Aufmerksamkeit eher gewiss. Noch viel mehr, wenn sich der gemeinsame Nenner nicht wie in „11’09’’01“ an ein Katastrophenereignis andockt oder dem auf zwei Teile angelegten „Ten Minutes Older“ mit weniger zugänglichen Reflektionen über das Vergehen von Zeit anlehnt. Paris als die Stadt der Liebe schlechthin, mythenumrankt, historisch aufgeladen, nicht zuletzt ja auch als kosmopolitischer Schmelztiegel – unter solchen Voraussetzungen lässt sich schon eher aus dem Vollen schöpfen.
 

Und das tun die 21 Regisseure in den 18 Episoden denn auch. Dass nicht jeder Beitrag den bevorzugten Geschmack jedes Zuschauers treffen wird ist normal und eben auch ein Ausdruck von der Vielfalt der abgegebenen Handschriften. Fünf Minuten sind eben keine Ewigkeit. Apropos Ewigkeit: für Wes Craven („Nightmare on Elm Street“) lag es offenbar auf der Hand, eine Geschichte auf einem Friedhof zu erzählen. Überraschenderweise bemüht er in seiner Père Lachaise-Episode das Horrorelement gar nicht erst, lässt hingegen Oscar Wilde mehr im philosophischen Sinne als Geist erscheinen, um einem kurz vor der Trennung stehenden Paar die Augen zu öffnen. Fanny Ardant und Bob Hoskins wiederum spielen in Richard LaGravaneses „Pigalle“-Kapitel ein älteres Ehepaar, das nach dem verloschenen erotischen Feuer früher Tage sucht, und Alfonso Cuaron („Children of Men“) löst im Viertel um den Parc Monceau eine kompliziert erscheinende Beziehung (mit Nick Nolte und Ludivine Sagnier) mit einem überraschenden Twist.

Interessanterweise sind es oft die einfachen Geschichten, die den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen. So ermöglicht Bruno Podalydès einen nahe dem Montmartre entnervt nach einen Parkplatz suchenden Mann unverhofft die Begegnung mit der Frau seines Lebens, greift Gurinder Chadha an den Seineufern die diskriminierende Seite dummer Sprüche gegenüber Menschen anderer Religionen auf, um gleichzeitig von der Neugierde gegenüber fremden Kulturen zu sprechen. Walter Salles und Daniela Thomas schauen auf das Schicksal einer südamerikanischen Immigrantin, die bei reichen Leuten als Babysitterin arbeitet und genau deswegen keine Zeit für ihr eigenes Kind mehr hat. Etwas aus dem Rahmen fällt Zeichentrickfilmregisseur Silvain Chomet („Das große Rennen von Belleville“) mit einem pantomimisch gespielten Witz, Christopher Doyle macht ander Porte de Choisy auf surreal, während Vincenzo Natali an der Place de la Madeleine gar Vampire auf den Plan ruft. Nobuhiro Suwa wiederum lässt an der Place des Victoires einen reitenden Cowboy (Willem Dafoe) auftreten, der einer trauernden Mutter (Juliette Binoche) im Traum die Schuldgefühle für den verstorbenen Sohn nimmt.

Weil „Paris, je t’aime“ von der Überraschung lebt, soll es bei diesen inhaltlichen Andeutungen bleiben. Fakt ist, dass die mit Tom Tykwers Pilotepisode am Faubourg St. Denis begonnene Kompilation wegen des Regie- und Darsteller-Staraufgebots bereits mehr als ein Dutzend gewichtige Argumente birgt, sich auf diese etwas andere Stadtführung durch ein Paris immer wieder auch fern der Postkartenmotive zu begeben. In 120 Minuten durch 18 Arrondisements – da dürfte man sich als Tourist doch ziemlich schwer tun.

Thomas Volkmann

Ein besonderes Projekt. Ein Episodenfilm. Nicht weniger als 21 Regisseure sind beteiligt. Es ging darum, am Beispiel der Stadtviertel von Paris eine Art Liebeserklärung an die Stadt zu schaffen. Die Liebe spielt dabei tatsächlich eine große Rolle, doch kommen natürlich zwangsläufig auch andere Gefühle hoch.

Ein Kaleidoskop von Lebenssituationen entsteht. Dabei soll in diesen Kurzepisoden nicht das Postkarten-Paris dominieren, sondern die Realität, die unterschiedlichen Atmosphären, Zustände, Generationen, Kulturen. Und das ist dann auch wirklich der Fall.

Ein junger Franzose sieht eine Muslimin, die mit ihrem Vater die Moschee besucht. Sofort weiß er: Das ist sie.

Ein Amerikaner sitzt in einer Metro-Station. Nichts ahnend wird er von einem jungen französischen Rüpel angemacht.

Eine südamerikanische Mutter muss ihr Kind in der Kindergrippe abgeben, um das Baby einer gut situierten Französin hüten zu können.

Ein Mann will seine Frau für eine Geliebte verlassen. Da erfährt er, dass seine Frau an Krebs erkrankt ist. Er wird bei ihr bleiben und sie pflegen.

Eine Mutter betrauert ihr durch einen Unfall verstorbenes Kind. Mitten in Paris taucht ein Cowboy auf und sorgt dafür, dass sie es noch einmal sehen kann.

Ein Mime stört die öffentliche Ordnung und wird von der Polizei mitgenommen. Aber er findet dadurch seine Mimin.

Eine Notärztin versorgt per Zufall einen Kranken, mit dem sie schon einige Zeit zuvor auffällige Blicke gewechselt hatte.

Durch Oscar Wildes Grab auf dem Friedhof Père Lachaise und das Erscheinen des Schriftstellers findet ein zerstrittenes Paar auf der Hochzeitsreise wieder zusammen.

Ein junger Blinder lässt seine vergangene und verlorene Beziehung zu einem Mädchen noch einmal Revue passieren.

Ein schon etwas älteres Paar, das sich trennen will, sagt sich in einem Restaurant noch einmal Nettigkeiten und Beschimpfungen.

Das sind nur einige Beispiele. Es gibt noch viele andere. Sie sind in Stil und Qualität sehr unterschiedlich, ergeben aber ein vielschichtiges, vielsagendes und nicht zuletzt vielversprechendes Bild der Stadt.

Eine originelle Idee hat hier Gestalt angenommen. Eine Menge Organisation und Zeit war nötig, um das alles zustande zu bringen. Doch dürfte es sich gelohnt haben. Der Film ist kurzweilig, macht neugierig von einer Episode auf die andere. Er ist ein guter Gradmesser für die Fähigkeit der mitwirkenden Regisseure und für das Niveau der Filmkunst im allgemeinen. Er bietet zudem gute Unterhaltung.

Für Filmkunsttheater und Programmkinos geeignet.

Thomas Engel