Lauf um dein Leben

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Alle Achtung, Respekt, kann man da nur sagen. Obwohl lange Jahre drogensüchtig und konditionell ein Waschlappen, hat Andreas Niedrig eine unglaubliche Kehrtwende vollbracht. Er erarbeitete sich einen Platz in der Spitze der weltbesten Triathleten. Erst mit der Veröffentlichung seiner Biografie im Jahr 2000 ließ er die Bombe seiner tristen Vergangenheit platzen, weshalb sich nun auch ein Kinofilm seines Schicksals annimmt. Der allerdings interessiert sich vor allem für die klischeereiche Zeit Niedrigs als Junkie.

Webseite: www.laufumdeinleben.kinowelt.de

Lauf um Dein Leben – Vom Junkie zum Ironman
Deutschland 2007
Regie: Adnan G. Köse
Darsteller: Max Riemelt, Jasmin Schwiers, Uwe Ochsenknecht, Axel Stein, Robert Gwisdek, Ismail Deniz, Udo Schenk, Ingo Naujoks
96 Minuten
Verleih: Kinowelt
Kinostart: 24.4.2008

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

„Willkommen im Reich der Qual!“ Mit diesen Worten begrüßt einen der von Max Riemelt („Napola“, aktuell auch „Die Welle“) gespielte Triathlet Andreas Niedrig. Der braucht in der Eingangsszene während eines Wettkampfs eine kurze Verschnaufpause nach einem strapaziösen Steigestück auf dem Rad. Sie fungiert als Überleitung zu den Geistern der Vergangenheit. Rückblende also in jene Zeit, in der Niedrig sich und seinen Körper mit Drogen, insbesondere Heroin und Kokain, zugrunde richtete.
 

In seiner im Heyne-Verlag erschienenen Biografie widmet Andreas Niedrig ein gutes Drittel dieser Drogenkarriere. Regisseur Adnan Köse ist sie im Film gut drei Viertel der Laufzeit wert. Niedrig behält im wesentlichen für sich, mit wem er früher abgehangen hat. Köse und Co-Autor und Produzent Fritjof Hohagen haben dafür einen illustren Freundeskreis namens „Die Fantastischen Vier“ kreiert, die wie die Hauptfigur von einer durchgehenden Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit gezeichnet sind, genau darin aber nur wie typische Drogenkarrieristen wirken und in ihrer Charakterentwicklung kaum überraschende Wesenszüge offenbaren. Leider werden auch der tatsächlich existente Vater-Sohn-Konflikt und die durch Niedrigs frühe Heirat hervorgerufenen Beziehungsprobleme nur in plakativer Weise dargestellt, ganz zu schweigen Nebenfiguren wie die Drogendealer (einmal Ingo Naujoks, dann die böse Konkurrenz aus Pakistan). Als der wieder einmal verzweifelte Niedrig nach einer Drogennacht bei Frau Sabine (Jasmin Schwiers) unterschlupfen will, setzt ihn die Regie im strömenden Regen auf eine Schaukel. Es lebe das Klischee!

Niedrig berichtet in seiner Autobiografie von zwei Ereignissen, die ihm den Ausstieg aus der Junkiekarriere erleichtert und ihm ein neues Selbstwertgefühl gaben. Doch im Film taucht weder jene Situation, in der Niedrig auf einer Kurierfahrt aus Holland Prostituierte illegal einschleuste noch jene Aktion, bei der er während eines Therapieurlaubs im Schwimmbad mit Frau und Tochter ein Mädchen vor dem Ertrinken rettete, auf. Köse genügt die in Niedrig aufkeimende Wut, nachdem sein Vater (Udo Schenk) ihn beim Waldlauf abhängte, sich fortan dem Sport zuzuwenden. Bis zur Teilnahme am Ironman auf Hawaii geht es Hoppla-Hopp. Eben noch ein erschöpfter Zieleinlauf bei einem zehn Kilometer Volkslauf, dann bereits die Einblendung von 8:06 Stunden für die erste Teilnahme an einem Langdistanz-Triathlon. Ein sensationelles Debüt, gilt Niedrig bis heute als bester Neueinsteiger bei einem Ironman.

Wer selber Sportler ist und Lust auf die Darstellung eines sicherlich filmreifen Lebens wie jenem Andreas Niedrigs hat, wird bei der eindeutig zu kurz kommenden sportlichen Entwicklung enttäuscht sein. Auch entstand der Eindruck, dass bei der Nachstellung von Wettkampfszenen nicht ganz sauber gearbeitet wurde. Wo Riemelt als Läufer korrekterweise eine Startnummer trägt, fehlt diese zuvor beim Radfahren. Adnan Köse betont, dass „Lauf um Dein Leben“ eben keine Sportlerbiografie, sondern ein Film über Freundschaft und Liebe, Verzweiflung und Hoffnung sei. Er vermittelt aber nicht, welche seelischen Kräfte bei der Wandlung vom Junkie zum Ironman am Werk waren, wie Niedrigs Umfeld ihn motivierte (Uwe Ochsenknechts markige Sprüche als Trainer können es nicht gewesen sein), welche Hürden er und seine junge Familie zu überwinden hatten, wie es ihm letztendlich gelang, sich aus dem Sumpf zu ziehen. So sensationell die Geschichte als solche also klingt: letztendlich scheint sich der Film doch nur – und diesen Vorwurf macht Andreas Niedrig in seinem Buch auch zahlreichen Medien und Talk-Shows – für die Drogenstory und seine eigene Kinorealität zu interessieren. Damit aber bleibt die Parabel eines Lebens, das im Moment der größten Niederlage die Kraft für einen großen Sieg schöpfte, irgendwie belanglos.

Thomas Volkmann

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Ein filmisches, aber auch einigermaßen authentisches Bild dafür, wie man aus dem Verlorensein und dem Sumpf mit verzweifelter und fast übermenschlicher Anstrengung wieder herausheben und zum Gewinner werden kann.

Es ist die kinomäßig aufbereitete, aber wahre Geschichte des Andreas Niedrig, der Mitte der 90er Jahre in die Schlagzeilen geriet, weil er mehrere Male den Iron Man gewann, einer der sportlich härtesten Wettkämpfe und Prüfungen überhaupt. 

Zwangsläufig wurde allmählich auch sein Vorleben bekannt. Andreas war mit sympathischen, aber insgesamt sehr fragwürdigen Kumpels auf Tour, raubte Läden aus, kiffte, ließ sich in dunkle Geschäfte ein und dachte nicht daran, regelmäßig zu arbeiten. Das Verhältnis zu seinem Vater, einem Polizeibeamten, war daher denkbar schlecht.

Da bekam seine hübsche Freundin Sabine ein Kind. Andreas heiratete sie, versprach Besserung, trennte sich von seinen Kumpels und arbeitete. Doch das Rauschgift ließ ihn nicht los. Mehrere Male erlitt er einen Rückfall. Sabine trennte sich von ihrem Mann.

Andreas rutschte immer tiefer ab. Er war schließlich am Ende, brach zusammen, war krank, musste auf Entzug. Doch das Wunder geschah. Er rappelte sich auf, begann zu trainieren, ließ sich von seinem alten Trainer helfen, arbeitete sich langsam an die Spitze – und gewann den Iron Man.

Chronologisch, einfach, doch einleuchtend, inszenatorisch kunstgerecht wird das berichtet. Ausschmückende Kinozutaten sind dabei normal, doch die Botschaft des Films stimmt. Erstaunlich, wie gut Max Riemelt seine zuerst lebensfeindlichen und danach ermutigenden Wandlungen zum Ausdruck bringt. Das liegt schon ganz schön über dem allgemein gebotenen schauspielerischen Durchschnitt.

Thomas Engel