Lebensversicherer, Der

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In seinem Kinodebüt entführt uns Bülent Akinci in das nächtliche Labyrinth deutscher Autobahnen. Dort begleiten wir den Versicherungsagenten Burkhard Wagner und andere neuzeitliche Nomaden der Straße. Frustriert und demoralisiert irren sie in ihren Autos ziellos umher. Immer auf der Suche nach ihrer ganz persönlichen Ausfahrt. „Der Lebensversicherer“ ist ein melancholisches Drama, das den Zuschauer emotional gefangen nimmt. In der Hauptrolle glänzt Jens Harzer als moderne Variante des Fliegenden Holländers.

Webseite: www.zorrofilm.de

Deutschland 2006
Regie: Bülent Akinci
Drehbuch: Bülent Akinci
Darsteller: Jens Harzer, Marina Galic, Christian Blümel, Anna Maria Mühe
Filmverleih: Zorro/Filmwelt
Länge: 95 Minuten
Kinostart: 07.12.2006

PRESSESTIMMEN:

Mit einem glanzvoll müden Hauptdarsteller, dessen Melancholie die brüchige Geschichte in der Schwebe zwischen Irrfahrt und Delirium hält, hat der Berliner Regisseur Akinci einen so intimen wie skurrilen Film gedreht.
Der Spiegel

Bei der diesjährigen Berlinale in der Reihe "Perspektive Deutsches Kino" wurde Bülent Akinci mit dem Preis "Dialogue En Perspektive" bedacht. Nun bleibt zu hoffen, dass seinem Meisterstück auch der verdiente Publikumszuspruch zuteil wird.
Filmecho

FILMKRITIK:

Wer nicht weiß, wofür er stirbt, der weiß auch nicht, wofür er lebt. Seit Jahren geistert Burkhard Wagner (Jens Harzer) ziellos über deutsche Autobahnen. Mit einstudierten Floskeln verkauft er Lebensversicherungen an die gestrandeten Seelen am Rande der Straße. Bei seiner Arbeit wirkt er längst wie eine erschlaffte Fassade. Burkhard will endlich zurück zu seiner Familie, die er einst für den hoch dotierten Job verlassen hat. Doch er schafft den Absprung einfach nicht. Immer ist da noch eine allerletzte Police, die es zu verkaufen gilt. Auf einer Raststätte lernt er Carolin (Marina Galic) kennen. Auch sie irrt ständig verloren durch die Nacht. Vielleicht gelingt ihnen nur gemeinsam der Absprung.
 

„Der Lebensversicherer“ von Regiedebütant Bülent Akinci ist eine melancholische Tragödie und großes Schauspielerkino in einem. Jens Harzer, der Liebling der Münchener Theaterszene, glänzt darin in der Hauptrolle des verlorenen Versicherungsagenten. Seine einnehmende Spielweise, sein hysterisch verzweifeltes Lachen, das er mit quiekenden Lauten unterlegt und sein immer blasser werdendes Antlitz bleiben nachhaltig in Erinnerung. Die ziellose Odyssee, die der von ihm verkörperte Lebensversicherer allabendlich vollführt, verläuft dabei ohne feste Chronologie. Zusehends verschwimmen Wirklichkeit und Fantasie. Der Film wird für den Zuschauer selbst zu einer Irrfahrt, aus der es kein Entrinnen gibt. Die Handlungsabläufe zeitlich entschlüsseln zu wollen, ist zum Scheitern verurteilt. Es bleibt einem nichts anderes übrig, als das Geschehen bis zum überraschenden Schluss auf sich einwirken zu lassen.

Der Film entfaltet dadurch eine eigenwillig nebulöse Atmosphäre, die emotional gefangen nimmt. Fasziniert begleitet das Publikum den „Fliegenden Holländer“ Burkhard, wie er verloren über einen Ozean schippert, der heutzutage Autobahn heißt. Verlockend sind die vielen blauen Schilder, auf denen Ausfahrt zu lesen steht. Nur zu gern würde er einfach abbiegen und ein neues Leben beginnen, doch alleine ist er dazu nicht im Stande. Sehnsüchtig und quälend fleht Burkhard innerlich nach einer Erlösung. Wie auch immer diese aussehen mag.

„Der Lebensversicherer“ ist wahrlich kein fröhliches Werk. Bedrückend ist die Stimmung, wenn Burkhard die anderen maroden Gestalten am Rande der Straße aufsucht, um ihnen überteuerte Policen anzudrehen. Nahezu teilnahmslos drischt er mit seinen einstudierten Phrasen auf die potenziellen Kunden ein. Der einzige Halt in seinem Leben scheint seine Familie zu sein. Jeden Abend gibt er telefonischen Rapport. Doch auf der anderen Seite der Leitung erwartet ihn nur der stumme Anrufbeantworter.

Jens Harzer ist es zu verdanken, dass den Film trotz seiner vielen tragischen Momente stets ein leiser, zynischer Humor durchzieht, der alles ein wenig erträglicher macht. Mit „Der Lebensversicherer“ ist Bülent Akinci ein poetisch intelligentes Debüt gelungen, das einen restlos in die Geschichte eintauchen lässt, obwohl sie zunächst auf kein festes Ziel zusteuert. Auf diversen Festivals wurde der gelungene Erstling bereits begeistert aufgenommen. Unter anderem lief er in der Reihe „Perspektive Deutsches Kino“ auf der diesjährigen Berlinale. Zudem wurde der Film in Moskau mit dem Preis der Russischen Filmkritik ausgezeichnet. Für den Kinostart sind derartige Vorschusslorbeeren keineswegs zu hoch gegriffen.

Oliver Zimmermann