Liberace – Zuviel des Guten ist wundervoll

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Und wieder ein „letzter Film“ von Steven Soderbergh, der einmal mehr seinen Rückzug von der profitsüchtigen Traumfabrik ankündigt. Zum Abschied zeichnet er die Biografie des schillernden Entertainers Liberace, der im Sommer 1977 eine Affäre mit einem hübschen Jüngling beginnt. Seine Homosexualität konnte der einst höchst bezahlte Star der Unterhaltungsbranche jahrzehntelang vertuschen. Wie es hinter den Kulissen dieser gut gehüteten Glitzerfassade aussah, zeigen Michael Douglas und Matt Damon als spielfreudig schwules Liebespaar. Trotz der Oscargewinner vor und hinter der Kamera traute sich kein Studio an das Projekt, erst mit dem ambitionierten Kabelsender HBO konnte Soderbergh dieses schwule Drama stemmen. Kinotauglich ist das Bio-Pic im opulenten Retro-Stil allemal. In Cannes wurde Douglas als großer Palmen-Favorit gefeiert.

Webseite: www.dcmworld.com

USA 2013
Regie: Steven Soderbergh
Darsteller: Michael Douglas, Matt Damon, Rob Lowe, Dan Aykroyd, Scott Bakula
Filmlänge: 92 Minuten
Verleih: DCM
Kinostart: 3. Oktober 2013

PRESSESTIMMEN:

"...ist unsentimental und doch warmherzig, unkorrekt und witzig und auf erfrischend natürliche, liebevolle Weise obszön."
Die Zeit

"Exzentrische Lovestory in außer­gewöhnlichen Kulissen mit extrem starken Schauspielern in den Hauptrollen."
Cinema

"Schillernde Szenen einer Schwulen-Ehe aus der Zeit, bevor es sie gab... Michael Douglas und Matt Damon machen daraus einen großartigen schauspielerischen Pas de deux, eine Mischung aus Duett und Duell... Ein Psychodrama, so amüsant wie berührend..."
Der Spiegel

FILMKRITIK:

Der Glitterkönig Walter Liberace (1919 - 1987) gehörte von den 50er bis zu den 70er Jahren zu den bestbezahlten Entertainern von Amerika. Die Kerzenleuchter auf seinem Klavier bei seinen Las Vegas Shows wurden zum Markenzeichen. Der überaus populäre Star hatte freilich zwei bestgehütete Geheimnisse: Zum einen die Glatze, die er unter einer Perücke verbarg. Zum andern die Homosexualität, die sein Manager mit erfundenen Frauenliebschaften kaschierte. Das Outing durch ein britisches Boulevardblatt wurde gerichtlich untersagt, zu groß war die Angst vor dem drohenden Imageverlust.

Im Sommer 1977 beginnt der exzentrische Pianist (Michael Douglas) eine leidenschaftliche Affäre mit dem hübschen Landei Scott Thorsten. Den zwanzigjährigen Adonis mit wallendem Haar gibt der immerhin schon 42-Jährige Matt Damon – ein verblüffendes Meisterwerk (digitaler) Maskebild-Technik. Die Lovestory zwischen dem naiven Jüngling, der einen Vaterersatz sucht und dem exzentrischen Entertainer beginnt als leidenschaftliche Romanze und entwickelt sich zur langjährigen Beziehung mit reichlich Krisenpotenzial. Auf Drängen von Liberace lässt Scott sich sogar sein Gesicht operieren – damit er so aussieht wie der Künstler in jungen Jahren. Machtspiele wie diese schleichen sich immer mehr in das Verhältnis der beiden. Zwar wird der junge Liebhaber mit luxuriösen Geschenken überhäuft, soll Erbe werden und darf in der Show als Assistent auftreten. Zunehmend öfter und offener muss Scott jedoch miterleben, wie sein berühmter Partner sich mit noch jüngeren Herrschaften vergnügt und ihn immer mehr abserviert. Deprimiert flüchtet er sich in Drogen und Tabletten. Als er schließlich vom Manager des Maestros eiskalt aus der Villa gejagt wird, scheint der Abstieg unaufhaltsam. Der Gewinner des Beziehungspokers wird seine Siege letztlich indes bitter bezahlen.

Hochkarätige Hollywoodstars wie Michael Douglas und Matt Damon als schwules Liebesaar? Das war vor wenigen Jahren völlig undenkbar. Gar so weit her ist es mit der Liberalität der Traumfabrik bis heute nicht. Trotz der Oscargewinner vor und hinter der Kamera traute sich kein Studio an das Projekt, erst mit dem ambitionierten Kabelsender HBO konnte Soderbergh dieses Gay-Drama stemmen. Fast wie aus Trotz geben Douglas und Damon das Liebespaar mit erstaunlich freizügiger Lässigkeit: Lümmeln nackt im Whirlpool oder vergnügen sich lustvoll im Bett. "Jetzt habe ich etwas mit Sharon Stone und Glenn Close gemeinsam", scherzte Damon in Cannes über seine Sex-Szenen mit Douglas in dieser verhängnisvollen Affäre der etwas anderen Art. Diesem starken Darsteller-Duo sei Dank menschelt es hinter all der schrillen Fassade durchaus heftig und glaubwürdig - "Szenen einer Ehe" eben. Da schimmert hinter dem selbstverliebten Liberace stets die große Einsamkeit und Beziehungsunfähigkeit durch. Derweil sein Partner, aller Demütigungen zum Trotz, diese unvernünftig und aussichtslos erscheinende Liebe um nichts in der Welt aufgeben will. Neben diesem, für Soderbergh erstaunlich einfühlsamen Porträt, fehlt es an gesellschaftskritischen Hinweisen gleichfalls nicht. Die Heimlichtuereien und Lebenslügen eines Liberace oder Rock Hudson reichen bis über den Tod hinaus, statt Aids werden von beflissenen Managern aus Imagegründen andere Todesursachen vorgeschoben.

Last not least kommt auch die Komik nicht zu kurz. Wie grandios grotesk Rob Lowe den maskenhaften Schönheitschirurgen Dr. Startz verkörpert, ist eine Klasse für sich. Nach dem allgemeinen Beifall für sein Abschiedswerk, überlegt es sich der 50-jährige Regie-Rentner Soderbergh vielleicht doch noch einmal und präsentiert überraschend einen allerletzten Film...

Dieter Oßwald

In Deutschland kennen ihn nur wenige, in den USA ist er einer der größten Stars der Entertainer-Geschichte: Liberace. In die Rolle des extravaganten Ausnahmepianisten schlüpft Michael Douglas, der hier gemeinsam mit Matt Damon als schwules Paar durch glitzernde Sets voller Prunk wandeln darf. Nicht minder pikant ist die Tatsache, dass Steven Soderberghs Drama sämtlichen US-Studios „zu heikel und zu schwul“ sei. In Cannes noch gefeiert, läuft „Behind the Candelabra“ in Amerika nur beim Qualitätssender HBO. In Deutschland startet der Film dagegen auf den Kinoleinwänden.

Es ist ein Film von überbordender Extravaganz: Glitzernde Kronleuchter, üppiges Antiquitätenmobiliar und Kisten voller Schmuck säumen die Villa von Wladziu Valentino Liberace. Ein Hausdiener mit dunklem Teint und enganliegendem weißen Outfit serviert Getränke und bringt kleine Snacks. In der Garage steht ein halbes Dutzend sündhaft teurer Sportwagen und Limousinen. Der Spitzname „Ludwig der XIV. von Las Vegas“ eilt dem betagten Entertainer mit polnisch-italienischen Wurzeln landesweit voraus, während er Ende der 70er Jahre allabendlich vor einem Gala-Publikum mit einer sonderbaren Varité-Show auftritt, die seine Vorliebe für ausgefallene Kostüme und wunderbare Klavier-Partituren umschreibt.

Dieser trällernde Entertainment-Paradiesvogel war in den 50er und 60er Jahren tatsächlich einer der größten Stars der amerikanischen Unterhaltungsbranche, weil er zum einen mit fabelhaftem Klavier-Talent, zum anderen mit zügelloser Grandezza und Maßlosigkeit gesegnet war. Basierend auf den Memoiren von Scott Thorson, dem langjährigen Geliebten von Liberace, erzählt Steven Soderbergh die tragikomische Geschichte einer verbotenen Affäre mit allerhand Sonderbarkeiten. Beflügelt von der Vitalität seines 30 Jahre jüngeren Partners, überredet der selbstverliebte Liberace den Jungspund zu zahlreichen Schönheitsoperationen, damit die beiden sich optisch angleichen. Die beiden verbringen ein paar Jahre miteinander, die beiden genießen das Leben, bis es zu ersten Spannungen kommt. Liberace fühlt sich jüngeren Männern hingezogen, Thorson will dem goldenen Käfig entfliehen.

In der Tradition von „Brokeback Mountain“ und „Milk“ (über den homosexuellen Bürgerrechtler Harvey Milk) beschreibt auch „Behind the Candelabra“ auf intime und feinfühlige Weise die Umstände einer komplizierten Männerliebe, ohne das Thema Schwulsein zu stigmatisieren. Ohnehin fragt man sich, woran sich die Produzenten amerikanischer Studios gestört haben, werden doch explizite Szenen homoerotischer Liebelei fast vollkommen ausgespart und stattdessen mit Finesse lediglich umschrieben. Ein Beispiel: Als der schüchterne Scott (Matt Damon) zum ersten Mal eine Nacht im Bett von Liberace verbringt und sich seiner Gefühle noch unsicher lieber auf Sicherheitsabstand geht, begrüßt ihn der Schwarm am nächsten Morgen mit einem Blick unter die Bettdecke Richtung erogener Zone: „Oh, look who is up!“, sagt er mit schwülstiger Doppeldeutigkeit.

Matt Damon und Michael Douglas changieren hier auf beeindruckende Weise zwischen eindringlicher Charakterrolle und flamboyantem Ausschweifertum ohne dabei tuntig-albern zu werden. In stilsicheren 70er-Jahre-Kostümen und toupierten Fönfrisuren kann man sich kaum an dieser karnevaleskem Outfit sattsehen. Kaum wiederzuerkennen ist auch Dan Aykroyd als Liberaces Manager, der sein Gesicht meist hinter einer tellergroßen Sonnenbrille verbirgt. Und diese wunderbare Maskerade ist nur die Oberfläche – der Film ist einer der großen Highlights des diesjährigen amerikanischen Autorenfilms.

David Siems