Mädchen aus dem Wasser, Das

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Wann haben Sie zuletzt eine Gutenachtgeschichte erzählt bekommen? Wer sich nicht mehr erinnert, kann zwecks Auffrischung M. Night Shyamalans (The Sixth Sense, The Village) fantastisches Märchen Das Mädchen aus dem Wasser im Kino bestaunen. Der für seine mysteriösen, meta-physischen Stoffe und finalen Plot-Twists bekannte Filmemacher entführt den Zuschauer dieses Mal in das Universum einer Bedtime Story, die von unterschiedlichen Fabelgestalten, gut wie böse, bevölkert wird. Das titelgebende Mädchen ist eines dieser geheimnisvollen Wesen. Sie hat als Grenzgängerin zwischen den Welten eine äußerst gefährliche Mission zu erfüllen.

Lady in the Water
USA 2006
Regie: M. Night Shyamalan
Buch: M. Night Shyamalan
Kamera: Christopher Doyle
Schnitt: Barbara Tulliver
Musik: James Newton Howard
Darsteller: Paul Giamatti, Bryce Dallas Howard, Bob Balaban, Jeffrey Wright, Sarita Choudhury, Freddy Rodriguez
Kinostart: 31. August
Verleih: Warner Bros.

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Cleveland Heep (Paul Giamatti) ist alles andere als ein lebensbejahender Optimist. Der Hausmeister einer Wohnblockanlage bemüht sich im Alltag möglichst wenig aufzufallen. Wenn er nicht Glühbirnen auswechselt oder Ungeziefer verjagt, lebt er zurückgezogen in seiner kleinen Wohnung. Kontakte zu anderen Menschen scheut er.

Eines Abends entdeckt Cleveland im Swimming Pool eine junge Frau (Bryce Dallas Howard). Story nennt sie sich. Sie offenbart ihm, dass sie in den Kanälen unter dem Pool leben musste, weil ihr der Weg zurück in ihr Reich versperrt wurde. Cleveland findet heraus, dass das Mädchen ein „Narf“ ist, ein nymphenähnliches Wesen, das über seherische Fähigkeiten verfügt. So ist sie nicht nur in der Lage in Clevelands Zukunft sondern auch in die der anderen Mieter zu blicken. Die Bewohner stellen erstaunt fest, dass ihre Leben untrennbar mit dem Schicksal des Mädchens verbunden sind. Gemeinsam versuchen sie schließlich, Storys sichere Heimkehr zu organisieren. Ein gefährliches, lebensbedrohliches Unterfangen, sind doch bösartige Kreaturen hinter dem Mädchen her, die genau dieses zu verhindern suchen. Erst allmählich wird den Bewohnern bewusst, dass auch sie Teil einer irrealen Geschichte sind, die sich mit der realen Welt zu vermischen droht.

Shyamalan entwickelte den Plot des Films auf Basis einer Gutenachtgeschichte, welche er für seine beiden kleinen Töchter erdachte. Beherrschte sein vorangegangenes Mystery-Drama The Village noch die Frage, was der Mensch bereit ist, für eine vermeintlich sichere Existenz aufzugeben, was er freiwillig seinen Kindern vorenthalten will, um sie vor den Gefahren dieser Welt zu beschützen, stehen dieses Mal wie schon in Signs die großen spirituellen Fragestellungen klar im Zentrum der Handlung. Gibt es einen höheren Sinn hinter allem? Weshalb bin ich hier? Wo gehe ich hin? Shyamalans Filme waren immer schon mehr profunde menschliche Dramen als simple Gruselschocker, was den Verleih aber nicht daran hinderte, diese unter der Bezeichnung „Horror“ zu vermarkten. Enttäuschte Publikumsreaktionen waren oftmals die Folge.

Ähnliches könnte auch auf Das Mädchen aus dem Wasser zukommen. Immerhin schaffte Warner es, den abermals zu sehr auf Action ausgerichteten Trailer mit dem Zusatz „Eine Gutenachtgeschichte“ zu versehen, was den kindlich-naiven Kern des Films pointiert widerspiegelt. Shyamalan ist ein Meister des reduzierten und deshalb so effektiven Einsatzes filmischer Mittel, die er stets in den Dienst seiner Filmhandlung stellt. Die ruhige, fast elegische Kamera, der sparsame Einsatz der Tonspur und der traumwandlerische Score von James Newton Howard erschaffen auch in seinem neuesten Werk eine wohlig schaurige Aura, in der Schicht um Schicht ein klassisches Märchen zum Vorschein kommt. Mit Paul Giamatti in der Hauptrolle des eigenbrötlerischen Cleveland Heep konnte Shyamalan einen der profiliertesten Charakterdarsteller Hollywoods für sein Projekt gewinnen. Der schwierige Balanceakt zwischen komischen und tragischen Augenblicken gelingt dem bereits mehrfach oscar-nominierten Giamatti derart überzeugend, dass man als Zuschauer sogar über die nur bescheidenden schauspielerischen Fähigkeiten des Regisseurs hinwegsieht, der erstmals selber eine größere Nebenrolle übernahm.

Bewahrt hat sich Shyamalan dafür sein unverwechselbares Gespür für hochemotionale Momente, die sich konsequent dem herrschenden Zeitgeist aus Coolness und Zynismus verwehren. Wenngleich er dieses Mal mitunter die Originalität seiner früheren Werke vermissen lässt, da er viele bekannte Aspekte lediglich in einem anderen Umfeld über das Vehikel einer Fantasy-Geschichte neu zusammenstellt, gehört dieses Märchen für Erwachsene zu den wirklich bereichernden Kinoerfahrungen der letzten Monate.

Marcus Wessel