Mann von der Botschaft, Der

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2003 gelang dem georgischen Regisseur Dino Tsintsadze mit „Schussangst“ ein Achtungserfolg, jetzt zeigt er die Geschichte eines einsamen Beamten in der deutschen Botschaft von Tiflis. Burghart Klaußner und die 12-jährige Lika Martinova überzeugen als unterschiedliches Paar, das sich trotz fehlender Sprachgrundlage bestens versteht. Ein leises Drama über Missverständnisse, Einsamkeit und Korruption im heutigen Georgien.

Webseite: www.arsenalfilm.de

Deutschland/Georgien 2006
Regie: Dito Tsintsadze
Buch: Dito Tsintsadze & Zaza Rusadze
Darsteller: Burghart Klaußner, Lika Martinova, Marika Giogobiani, Irm Hermann, Roland Schäfer
100 Minuten
Verleih: Arsenal
Kinostart: 29.11.2007

PRESSESTIMMEN:

...auf film-zeit.de


FILMKRITIK:

Herbert Neumann (Burghart Klaußner) ist ranghoher Beamter der deutschen Bundesregierung und fristet sein Dasein in der Botschaft von Tiflis. Georgisch spricht er nicht, hohe Zäune trennen ihn von den Dutzenden von Menschen, die täglich vor dem Gebäude warten und auf eine Ausreisebewilligung nach Deutschland hoffen. „Ich weiß nicht, was die da wollen“, sagt der Pförtner zu seinem Vorgesetzten, „Arbeit gibt es doch da auch nicht, oder?“ Herbert Neumann nickt eher beiläufig und zieht die Schultern hoch. Angekommen ist er nicht in dieser fremden Stadt, in der er die Abende meistens alleine vor seinem Computer verbringt und sich mit Fantasy-Spielen die Zeit vertreibt. Nicht einmal die Affäre mit der Kollegin Nana (Marika Giogobiani) erheitert ihn – er ist sozial isoliert und ein stillschweigender, fleißiger Angestellter.
Das ändert sich, als Herbert auf dem Markt die Bekanntschaft des Flüchtlingsmädchens Sashka macht, die versucht, seine Brieftasche zu stehlen. Erschrocken über die Grobheit der Ordnungsbeamten, beschließt Herbert sich dem Mädchen anzunehmen und ihr zu helfen. Trotz der Sprachbarriere zwischen den beiden entwickelt sich langsame Zuneigung, die schließlich zu einer Vater-Tochter-ähnlichen Beziehung wird, in der Herbert zum ersten Mal seit langer Zeit wieder die emotionale Verbindung zu einem Menschen fühlt. Mehr noch: Der Grund für seine Arbeit – Entwicklungshilfe – kann er zum ersten Mal als persönlicher Wohltäter erfahren. Doch die Einheimischen trauen dieser neuen Freundschaft nicht und lauern dem ahnungslosen Deutschen schon bald auf.

Burhart Klaußner, der für seine Rolle mit dem Preis als bester Hauptdarsteller bei den Filmfestspielen von Locarno ausgezeichnet wurde, spielt den deutschen Beamten mit wunderbarer Zurückhaltung und scheinbar emotionaler Kälte. Das langsame Aufbegehren seiner Gefühle äußert sich in zaghaftem Grinsen und väterlichen Gepflogenheiten, zum Beispiel wenn er Sashka ein Kleid kauft, das aus dem schmutzigen Straßenkind zum ersten Mal ein hübsches Mädchen macht. Seine beiden Charaktere positioniert Regisseur Dino Tsintsadze als wortloses Duo, das gegenseitige Anziehungskraft ausübt ohne miteinander zu sprechen. Kommunikation ist schließlich mehr als nur Worte, was hier hervorragend zu beobachten ist. Der Film ist ein fein beobachtetes Porträt eines einsamen Mannes, der mit seinen deutschen Manieren nur schwer in der Fremde zurechtkommt. „Der Mann der Botschaft“ sinniert außerdem über das Heimatgefühl und das Suchen nach einem Platz im Leben, der nur schwer zu finden ist. Einsamkeit liegt hier allen Figuren zugrunde, die sich nur für wenige Augenblicke des Zusammenhalts erfreuen können.

David Siems

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Herbert Neumann ist Mitarbeiter der deutschen Botschaft im georgischen Tiflis. Er ist nicht verheiratet und deshalb nach getaner Arbeit oft allein und einsam, denn der Kontakt zu seiner georgischen wie deutschen Umgebung ist äußerst spärlich. Beim Einkaufen auf dem Markt trifft er auf die 12jährige Sashka, die ihm beim Tragen hilft. Das Mädchen stammt aus einem Plattenbau-Flüchtlingslager am Rande der Stadt und lebt unter den ärmlichsten aller vorstellbaren Bedingungen – meist sogar auf der Straße.

Neumann lässt sich mehrere Male helfen, gibt Sashka ein wenig Geld und etwas zu essen. Ja das Mädchen hält sich ab und zu in der für Neumann allein viel zu großen Wohnung auf. Eine kleine Freundschaft entsteht, völlig korrekt, sauber, unverfänglich. Ein Gefühl, das selbstverständlich sein müsste, es aber in der heutigen Welt leider nicht mehr ist.

Denn sowohl auf georgischer wie auf deutscher Seite wird bereits geargwöhnt, getuschelt, werden falsche Vermutungen angestellt. Die Polizei von Tiflis greift ein – würde allerdings bezeichnenderweise ein Auge zudrücken, wenn Neumann bereit wäre, Korruptionsgeld zu zahlen. Welche Konsequenzen wird Herbert Neumann ziehen müssen?

Zu viel Unrecht wird Kindern angetan, zu viele werden misshandelt oder sexuell missbraucht. Also ist bis zu einem gewissen Grade auch die Reaktion von Neumanns Umgebung verständlich, sogar unumgänglich. Das Problem ist, dass eine natürliche und unangefochtene Freundschaft zwischen Fremden, auch zwischen Kindern und Erwachsenen, anscheinend nicht mehr sein kann. Diesen widernatürlichen Umstand behandelt „der Mann von der Botschaft“.

Dito Tsintsadzes Regiearbeit tut dies auf eine formal sehr schlichte, aber einsichtige Weise, in langsamem Rhythmus, aber menschlich gradlinig. Herbert Neumann ist aus seinem Trott und seinem Alleinsein herausgetreten, in Sashkas Lebensarmut ist ein wenig Licht gekommen.

Burghart Klaußner erhielt für die Rolle des Neumann in Locarno den Goldenen Leoparden als bester Hauptdarsteller. Zu Recht. 

Thomas Engel