Moolaadé – Bann der Hoffnung

Zum Vergrößern klicken

Eine klug inszenierte und extrem spannende Parabel des bekannten senegalesischern Regisseurs Ousmane Sembène, ausgezeichnet in Cannes 2005 mit der Preis der Sektion „Un Certain Regard. "Moolaadé" erzählt, wie vier kleine Mädchen vor ihrer Beschneidung flüchten und von einer tapferen Frau aufgenommen werden. Durch ihre Entscheidung, den Mädchen Asyl – Moolaadé – zu gewähren, bringt sie das ganze Dorf gegen sich auf.

Webseite: www.neuevisionen.de

Moolaadè – Bann der Hoffnung
Senegal 2004
Regie: Ousmane Sembène
Kamera: Dominique Gentil
Schnitt: Abdellatif Raiss
Musik: Boncana Naiga
Darsteller: Fatoumata Coulibaly, Maimouna Hélène Diarra, Salimata Traoré, Dominique T. Zeida
Länge: 120 Min.
Verleih: Neue Visionen
Starttermin: 11.5.2006

PRESSESTIMMEN:

Ein INTERVIEW mit dem Regisseur Ousmane Sembène führte die Zeitung "Die Welt": "Unsere Frauen werden nicht unterdrückt - Der senegalesische Filmregisseur Ousmane Sembène über die Machtstruktur in afrikanischen Dörfern und Günter Grass". - Das ganze Interview hier...

Mit Moolaadé - Bann der Hoffnung bringt der Verleih Neue Visionen nun dankenswerterweise einen Sembène-Film ins Kino, der sich aus afrikanischer Sicht gegen die Klitorisverstümmelung ausspricht. Keine Frage, dass die Länder der westlichen Aufklärung dieses Verbrechen anprangern und sich in vielen gut gemachten und gut gemeinten Dokumentarfilmen dagegen empört haben. Sembènes Filme gehen prinzipiell einen anderen Weg. Das Unrecht manifestiert sich stets zu Beginn des Films - sei es die moslemische Vielehe, von der Xala aus dem Jahr 1975 handelt, oder religiöser Fundamentalismus, der in Guelwaar als Machtspiel entlarvt wird. Anstelle einer Anklage folgt dann ein langer und mühsamer Prozess der Auflehnung, der Debatten und Drohungen, der Vergeltungsschläge und (Los-)Lösung. Sembènes Filme sind Anleihen an Brechtsche Parabeln, nur ungleich poetischer und ironischer.
Frankfurter Rundschau

Ein bildgewaltiges Drama.
Süddeutsche Zeitung

Großes afrikanisches Kino.
Er ist 83. Aber Ousmane Sembènes jüngster Film wirkt frische rund aktueller als viele Werke von Jungregisseuren. Mit 'Moolaadé' zollt der senegalesische Filmemacher den mutigen Frauen seines Landes Respekt, die sich gegen die grausame Tradition der Beschneidung wehren. (...)
Sembène hat diesen tragischen Kampf zwischen Tradition und Moderne in wunderbaren erdfarbenen Bildern inszeniert, mit großartigen Schauspielerinnen. Es tut einfach unendlich gut, ein Kino jenseits der gelackten Hollywood-Ästhetik zu entdecken, in Gesichter zu schauen, die noch nie mit einem Hauch von Botox in Berührung gekommen sind, und sich auf eine Geschichte einzulassen, die bewegend ist und Mut macht.
Brigitte

Kraftvolles Drama in aufklärerischer Absicht, das zugleich als farbenprächtige Hommage an den Mut und die Tatkraft afrikanischer Frauen vom Stand der Emanzipation südlich der Sahara erzählt. Durch die theaterhaften Elemente der Inszenierung entwirft Ousmane Sembène, Altmeister des afrikanischen Kinos, ein pralles (Dorf-)Universum, in dem der Einfluss der westlichen Moderne eine humanere Zukunft zu versprechen scheint. - Sehenswert.
film-dienst

Der berühmte senegalesische Regisseur Ousmane Sembene, der Altmeister des schwarzafrikanischen Kinos, gewann mit diesem satirischen Protestfilm gegen die weibliche genitale Verstümmelung beim Filmfestival in Cannes 2005 den Jury-Preis in der Reihe "Un certain regard".
Filmecho
Die Beschneidung von Frauen ist kein Gebot des Islam, sondern ein archaisches Herrschaftsinstrument der Männer. Das Alterswerk des senegalesischen Schriftstellers und Regisseurs Ousmane Sembene ist eine aufrüttelnde Anklage. - Sehenswert!
Tip Berlin

FILMKRITIK:

Vier Mädchen zwischen sechs und zehn Jahren flüchten vor ihrer Beschneidung auf den Hof von Collè Ardo, von der bekannt ist, dass sie sich der Beschneidung ihrer eigenen Tochter widersetzt hat. Sie bitten um Zuflucht und Collé gewährt Ihnen Moolaadé, Asyl. Durch ein Band, dass sie vor den Hofeingang zieht, werden die dahinter liegenden Hütten zum sicheren Ort. Nur auf Einladung Collés kann der Hof von nun an betreten werden, alle die den Mädchen übel wollen, müssen draußen bleiben, sonst droht nach traditioneller Überlieferung der Tod. Collés mutige Tat ist wie ein Stein, der in einen ruhigen Tümpel geworfen wird. Langsam aber unaufhaltsam eskaliert die Auseinandersetzung und erfasst das ganze Dorf, bis sich am Schluss Männer und Frauen, Vergangenheit und Zukunft gegenüberstehen und um die Zukunft Afrikas gerungen wird.
 

Ousmane Sembène lässt sich Zeit. Er erzählt langsam und bedächtig, dabei aber äußerst raffiniert und ökonomisch. Schon die erste Szene, in der die Mädchen Collé Ardo um Zuflucht bitten, setzt den Konflikt, der sich durch den ganzen Film beständig verschärfen wird und immer mehr Menschen einbindet: die kleine Hofgemeinschaft aus erster, zweiter und dritter Ehefrau und Ehemann, die Mütter der Mädchen, die Beschneiderinnen, den Ältestenrat, den Händler und ehemaligen Soldaten „Söldner“ und den in Frankreich studierten Sohn des Dorfchefs, der mit der unbeschnittenen Tochter Collés, Amasatou, verlobt ist. Am Ende müssen alle Männer und Frauen des Dorfes sich entscheiden, auf welcher Seite von Collés symbolischer Schnur sie stehen und bis ganz zum Schluss bleibt offen, welche Seite gewinnen wird.

Kunstvoll auch die Bildsprache: Immer wieder ist das trennende Band am Hofeingang zu sehen. Mal scheint es harmlos, es laufen Hühner darunter hindurch oder es krabbelt ein Kind hinein. Dann wieder wirkt es wie eine unsichtbare Mauer, die die erbosten Beschneiderinnen mit ihren teuflischen Masken draußen halten kann. Ebenso durchziehen Bilder von Wasser - Wasser umgießen, Wasser holen, sich waschen, Wasser trinken – als Symbol der Reinigung den Film. Und schließlich sind überall Radios zu sehen. Zuerst tauchen sie als Alltagsaccessoire auf, dann werden sie zum umkämpften Symbol des Fortschritts. Die Männer, die den westlichen Fortschritt als Ursache des Aufstandes identifiziert haben, beginnen, die Radios zu konfisziert und zu vernichten, die Frauen fangen an, heimlich zu hören...

Moolaadé beschönigt nichts. Die hierarchische und patriarchalische Dorfstruktur zeichnet der Film genauso präzise nach wie die grausame Tradition der Beschneidung, die oft genug zum Tod der Beschnittenen oder zu lebenslangen Schmerzen und sexueller Unempfindlichkeit führt. Dennoch ist der Film weit entfernt vom Elendsrealismus, der den westlichen Blick auf Afrika oft genug auszeichnet. Das gilt für die ausgeklügelte Erzähl- und Bildebene, die eher argumentiert als dokumentiert, ebenso wie für die zuversichtliche Grundhaltung des Films. Das aufgeräumte Lehmhüttendorf des Films ist kein Herz der Finsternis, sondern eine lebenswerte Welt, deren verkrustete Strukturen mit Herz, Mut und Optimismus von den Bewohnern selbst reformiert werden können. Die Hoffnung ruht dabei, wie so oft, auf den Frauen.

Hendrike Bake