Noch lang keine Lipizzaner

Nicht nur in Deutschland, auch bei unserem südlichen Nachbarn Österreich wird angesichts zunehmender Migration und der damit einhergehenden Veränderung der Bevölkerung darüber diskutiert, wer denn eigentlich dazugehört. Keine einfach zu beantwortende Frage, wie die in Österreich geborene Regisseurin serbischer Herkunft Olga Kosanović in ihrem Dokumentarfilm „Noch lange keine Lipizzaner“ zeigt.

 

Über den Film

Originaltitel

Noch lange keine Lipizzaner

Deutscher Titel

Noch lang keine Lipizzaner

Produktionsland

AUT

Filmdauer

92 min

Produktionsjahr

2025

Regisseur

Kosanović, Olga

Verleih

mindjazz pictures UG

Starttermin

02.10.2025

 

Fußball sollte zwar vor allem Nebensache sein, beim Themenbereich Migration, Einbürgerung, Staatsangehörigkeit lohnt sich jedoch ein Blick auf die Nationalspieler von Ländern, die einstmals ethnisch eher, sagen wir Mal, monoton wirkten: Ein Star der schwedischen Nationalmannschaft war etwa Zlatan Ibrahimovic, in der Schweiz findet sich ein Xherdan Shaqiri in der sogenannten Nati und in Österreich Marko Arnautović. Ähnlich wie die Filmemacherin Olga Kosanović, allerdings nicht als Kind von zwei Serben geboren, sondern als Sohn eines Serben und einer Österreicherin. Und dieser kleine Unterschied ermöglichte es dem Fußballer, für Österreich zu spielen, während die Filmemacherin nun schon seit Jahren versucht, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Diese Wirren, die man einmal mehr als kafkaesk bezeichnen kann, hat Kosanović nun zum Thema des spielerischen Dokumentarfilms „Noch lange keine Lipizzaner“ gemacht, der individuelle Schicksale beschreibt, um damit universelle Fragen zu stellen, die in fast identischer Form auch Relevanz für die deutsche Diskussion haben.

Allerdings nur fast, denn im Gegensatz zu den österreichischen Einwanderungsregeln wirken die deutschen geradezu weltoffen und liberal. In einem weltweiten Ranking, das die Hürden für die Einbürgerung bewertet liegt Österreich ganz weit hinten (Rechtspopulistisch Denkende dürften hier wohl von ganz weit vorn sprechen), allein Ländern wie die Vereinigten Arabischen Emirate oder Saudi Arabien haben vor die Einbürgerung noch strengere Hürden gestellt.

Im Fall von Kosanović ist das Problem, dass die Filmemacherin etliche Ferien in Serbien verbracht hat und auch im Ausland studierte. Und damit hat sie ein Maß an quasi „Fehltagen“ angehäuft, die ihr eine Einbürgerung fast unmöglich machen. Dass sie seit ihrer Geburt in Wien lebt, einen Job hat und Steuern zahlt, spielt da keine Rolle. Ähnlich geht es auch anderen Menschen, die seit Langem in Österreich leben oder sogar dort geboren wurden, die aber wegen nichtiger Verkehrsdelikte oder Ähnlichem nicht Staatsbürger werden können.

Dass das auch bedeutet, nicht wählen zu können und damit nicht an einer der essenziellen Funktionen der Demokratie teilnehmen zu können, scheint für den Staat keine Rolle zu spielen. Gerade in Wien hat inzwischen gut ein Drittel der Menschen eine ausländische Staatsbürgerschaft, wobei wohlgemerkt der Anteil an in Österreich geborenen sehr hoch ist. Als „richtige“ Österreicher werden diese Menschen dennoch oft nicht angesehen, was zur Frage führt was das denn sein soll: Ein richtiger Österreicher?

Auch in Deutschland stellt sich diese Frage angesichts einer sich verändernden Bevölkerung, als öffentliche Persönlichkeit, die für ihr Anliegen auch in Talk Shows auftrat, sah sich Olga Kosanović den offenbar unvermeidlichen Angriffen im Internet ausgesetzt. Eine Person schrieb nur scheinbar pointiert: „Wenn eine Katze in der Hofreitschule Junge wirft, sind das noch lange keine Lipizzaner.“ Was impliziert, das Österreicher, so wie die berühmten – wenig überraschenderweise auch strahlend weißen – Lipizzaner eine relativ homogene Gruppe sind. Dummerweise stimmt das für die Pferde schon sehr lange nicht mehr, denn die Lipizzaner wurden einst aus vielfältigen Rassen gezüchtet und werden heute, als Folge der sich verändernden Grenzen und Nationen, im slowenischen Lipica, vormals Lipizza, gezüchtet.

Eine hübsche Pointe, die andeutet, mit welcher Leichtigkeit Kosanović ihr ernstes Thema behandelt. Dass Nationen ihre Grenzen nicht einfach öffnen können, dass Staatsbürgerschaften nicht für Geld verkauft werden sollten, wie es in manchen Staaten geschieht, liegt auf der Hand. Dass sich die Frage ,wer denn nun ein Österreicher oder wer ein Deutscher ist, in einer zunehmend globalen, zusammenwachsenden Welt nicht mehr so einfach beantworten lässt wie vor 50 Jahren ebenfalls. Ein Land muss darüber nachdenken und diskutieren, was es sein will, nicht mehr, aber auch nicht weniger fordert Olga Kosanović mit ihrem Dokumentarfilm „Noch lange keine Lipizzaner.“

 

Michael Meyns

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