Ostpreußen-Entschwundene Welt

„Land der dunklen Wälder und kristall’nen Seen, über weite Felder lichte Wunder geh’n.“ heißt es in der ersten Strophe des „Ostpreußenlieds“, und diese Worte erfassen beinahe perfekt die schwermütige Faszination, die Ostpreußen als Heimat auf seine Bevölkerung ausgeübt hat und noch immer ausübt. Heutzutage ist für viele Ostpreußen nicht einmal mehr eine Erinnerung, obwohl ihre Familien einst dort lebten. Dass die Region ein Teil Preußens und später Deutschlands war und seit dem 2. Weltkrieg zu Polen, Litauen und Russland gehört, wird oft vergessen. 

Hermann Pölkings Dokumentarfilm „Ostpreußen – Entschwundene Welt“ verwendet authentisches Filmmaterial – meist von Amateurfilmern gedreht – um den Zuschauer einen Eindruck von der einmaligen Atmosphäre Ostpreußens und dem einzigartigen, vom Ostseeklima und einer herrlichen Landschaft geprägten Leben der Bevölkerung zu vermitteln.

 

 

Über den Film

Originaltitel

Ostpreußen-Entschwundene Welt

Deutscher Titel

Ostpreußen-Entschwundene Welt

Produktionsland

DEU

Filmdauer

103 min

Produktionsjahr

2025

Regisseur

Pölking-Eiken, Hermann

Verleih

Verleih N.N.

Starttermin

01.01.1972

 

Eine wirkliche Handlung hat Pölkings Film nicht, den man als klassischen Kompilationsfilm bezeichnen könnte. Viele Jahre lang hat Pölking Filmmaterial gesichtet, seine Fundstücke zum Teil aufwendig restauriert und schließlich in chronologischer Folge aneinandermontiert. Nur am Anfang wird die ansonsten penibel eingehaltene Chronologie durchbrochen, denn Pölking beginnt ganz bewusst im Jahr 1944, als die Ostpreußen beginnen, ihre Heimat zu verlassen, um sich vor der herannahenden Roten Armee in Sicherheit zu bringen. Dann springt die Erzählung zurück ins Jahr 1912 und zeigt die Landung des Prallluftschiffs „Parseval 3“ in Königsberg, die ersten bewegten Bilder, die je in Ostpreußen gedreht wurden. Anschließend sieht man, wie Wilhelm II. ein Jahr später die „Jahrhundertausstellung“, ebenfalls in Königsberg, besucht. Ab 1914 ist dann mehr Material vorhanden, denn Ostpreußen war die einzige deutsche Region, die im 1. Weltkrieg Kriegsschauplatz wurde, und so existieren einige Wochenschauaufnahmen, in denen Ostpreußen als Kulisse kriegerischer Auseinandersetzungen zu sehen ist.

 

Ab den zwanziger Jahren sind dann vorwiegend Aufnahmen von Amateurfilmern zu sehen: Urlaubsfilme und Aufnahmen von Familienfeiern, aber auch Filmausschnitte mit professionellem Anspruch. Pölking hat auf Neudrehs, Inszenierungen oder Statements von Zeitzeugen komplett verzichtet. Er erzählt ausschließlich aus seinen filmischen Quellen und tatsächlich gelingt ihm durch diese – heutzutage sehr ungewohnte – Reduktion auf die Originalquellen tatsächlich eine Art Zeitreise. Die Kinoleinwand wird zum Fenster in eine vergangene Zeit: ein faszinierender Blick in eine Welt, die es so nicht mehr gibt und deren Untergang wir, wenn der Kreis der Erzählung sich schließt, in den Jahren 1944 und 1945 beobachten können.

 

Vermutlich findet der Film sein Publikum in erster Linie bei Menschen, die eine Verbindung zu Ostpreußen haben, weil sie möglicherweise Erzählungen ihrer Großeltern oder Urgroßeltern kennen und anhand der Bilder die mündliche Überlieferung nachvollziehen können. Pölking hat peinlich genau darauf geachtet, keine Sentimentalität aufkommen lassen. Sein Blick auf Ostpreußen bleibt sachlich, die Verklärung der „alten Heimat“ liegt ihm fern. Doch gerade dadurch, dass Pölking die Bilder für sich selbst sprechen lässt, durch diese Einladung an das Publikum, sich aus den gezeigten Bildern selbst ein Bild zu machen, erweckt Pölking diese verschwundene Welt mitsamt ihrer Bevölkerung wieder zum Leben. 

 

Die Ostpreußen galten als knorriger, sehr widerstandsfähiger Menschenschlag, und ihre Beziehung zur Heimat war durchaus unsentimental, solange sie noch dort lebten. Das Leben der einfachen Menschen dort war rau und nicht immer leicht zu bewältigen, das Land und die Landschaft hat es den so genannten kleinen Leuten nicht einfach gemacht. Ganz anders ging es beim ostpreußische Landadel zu, der von der Arbeit „seiner“ Bauern und Viehzüchter profitierte und in Pracht und Prunk leben konnte. Auch das zeigen die Bilder, die Pölking gerettet hat. 

 

Je länger der Film dauert, desto mehr verzaubert „Ostpreußen – Entschwundene Welt“ das Publikum. Sei es durch die schlichte Schönheit der Landschaft oder durch die beinahe magische Atmosphäre von Städten wie Königsberg oder Elbing – man kann sich der Faszination dieser Region nicht entziehen. Und man bedauert den Verlust, den die  Menschen, die dort lebten, erlitten haben, der – daran lässt Pölking keinen Zweifel – auf das Konto der verbrecherischen Nazi-Herrschaft geht.

 

Man könnte und sollte unbedingt mal nach Ostpreußen fahren – das könnte das Fazit dieses  Films sein, auch für Menschen, die keine offenkundige Beziehung zu diesem Landstrich haben. Auf Spurensuche gehen, die Städte und Landschaften auf sich wirken lassen … hier gibt es viel zu entdecken.

 

Gaby Sikorski

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