Raising Resistance

Zum Vergrößern klicken

Über die Probleme der globalen Ernährungswirtschaft wurden in den letzten Jahren viele ehrenwerte Dokumentationen produziert. Doch dieser Film ist anders, denn hier geht es nicht nur um einen Skandal, sondern vor allem um die Menschen, die mit ihm und von ihm leben. In grandiosen Bildern erzählen Bettina Borgfeld und David Bernet vom Sojaanbau in Paraguay. Dort wehren sich Kleinbauern, die „Campesinos“, gegen den Missbrauch der Erde durch Monokulturen und giftige Pflanzenschutzmittel.
Den beiden Filmemachern gelingt ein Kunststück. Sie machen aus dem Problem eine warmherzige und spannende Geschichte, die als brillant gefilmter, inhaltlich differenzierter Film ein sehr großes Kinopublikum ansprechen kann.

Webseite: raising-resistance.com

Deutschland 2011 - Dokumentation
Regie: Bettina Borgfeld & David Bernet
Buch: Bettina Borgfeld & David Bernet, Christin Stoltz
Kamera: Marcus Winterbauer, Börres Weiffenbach
Musik: Ali N. Askin
Länge: 84 Minuten
Deutsche Version: Spanisch/Guaraní/Portugiesisch/Englisch/ deutsche UT
Verleih: Pandora
Kinostart: 03.05.2012

PRESSESTIMMEN:

...

FILMKRITIK:

Bettina Borgfeld und David Bernet haben bei aller Sympathie für die Campesinos und ihre Interessen einen streng seriösen Film gedreht. Ganz nebenbei – zu und zwischen herrlichen Landschaftsaufnahmen – erfährt man ein paar Fakten. So enthalten 80 Prozent unserer Lebensmittel Soja, auch in Form von Zusatzstoffen. Soja dient als Tierfutter und wird wegen seines hohen Eiweiß- und Ölgehaltes vielseitig genutzt, auch zur Gewinnung von Biokraftstoff. Paraguay ist der viertgrößte Produzent für Sojabohnen weltweit, nach den USA, Brasilien und Argentinien. Die Anbaufläche für Soja in Südamerika bedeckt eine Fläche, die so groß ist wie die Europäische Union. Die meisten Sojaproduzenten in Paraguay verwenden genetisch verändertes Saatgut, zudem werden giftige Pflanzenschutzmittel versprüht. Durch die Sojaplantagen ist eine Monokultur entstanden.

Doch inmitten der Sojafelder gibt es noch immer kleine Dörfer, wie Oasen in der Wüste, hier wohnen die letzten Campesinos. Früher war das ein Schimpfwort, mit dem Europäer und Städter die indigenen Kleinbauern bezeichneten. Heute sind die Campesinos stolz auf diesen Namen. Einige haben noch genügend Kraft, um sich gegen Giftschwaden, Missernten und gegen das Diktat der Großgrundbesitzer zur Wehr zu setzen.

Bettina Borgfeld und David Bernet sind nicht der Versuchung erlegen, einseitig Partei für die unterdrückten Campesinos zu ergreifen, wozu sie – nebenbei gesagt – allen Anlass gehabt hätten. Stattdessen verzichten sie auf jedes Schwarz-Weiß-Denken, auch wenn der Konflikt zwischen den Sojaproduzenten und den Campesinos während der Dreharbeiten eskalierte. Sie lassen alle Beteiligten zu Wort kommen: Geronimo – der Campesino-Philosoph, der einen Traum hat. Für die landlose Jugend möchte er neue Dörfer gründen, wo Menschen von dem leben können, was sie selbst säen und ernten. Das erscheint auf den ersten Blick anrührend naiv, doch es liegt viel Weisheit in Geronimos Worten, wenn er sagt: „Die Erde ist die Fabrik der Armen.“ Mit den Nachbarn besetzt er Sojaplantagen. Ein Junge ist durch die Herbizide fast blind geworden. Die anderen spielen dennoch mit ihm Fußball.

Valirio Eichelberger ist Sojaproduzent. Er hat sich hoch verschuldet, um Saatgut zu kaufen. Die Campesinos bedrohen seine Existenz, wenn sie seine Felder besetzen. Clemente Busanello gehört zu den Großgrundbesitzern brasilianischer Herkunft, die am meisten vom Sojaboom profitiert haben. Er ist stolz auf das, was er erreicht hat. Ebenso wie Forscher und Bio-Ingenieure. Alle wollen Gutes tun, den Hunger bekämpfen, immer mehr Soja anbauen. Doch damit zerstören sie eine Region dieser Erde, die Landschaft und mit ihr eine ganze Kultur.

So bewegend und verständlich die Kommentare der Forscher und Politiker, der Profiteure und der Geschädigten sind, so eindrucksvoll sind die Bilder, die Marcus Winterbauer („Rhythm is it“, „Die große Stille“) und der ebenfalls mehrfach ausgezeichnete Börres Weifenbach geschaffen haben. Zusammen mit der melancholischen Musik von Ali N. Askin schafft der Film eine Stimmung, die an den Sonnenaufgang nach einer schlaflos durchwachten Nacht im Krankenhaus erinnert: Trostlosigkeit und Hoffnung, Erschütterung und Tatendrang wechseln sich ab. Die schier unendlichen Sojafelder, die bis an den Horizont reichen, wird man ebenso im Gedächtnis behalten wie die gespenstische Reihe der Erntemaschinen, die im sanften Morgennebel über die Landschaft gleiten. Traumhaft schön – und doch so schrecklich …

Der Film zeigt diese großartigen, bewegenden Bilder, aber vor allem zeigt er das menschliche Gesicht einer Katastrophe, für die wir alle mit verantwortlich sind. Durch unsere Gier und durch den Glauben an endloses Wachstum. Das Grundproblem hat wenig zu tun mit Peru, mit den Campesinos oder den Sojaproduzenten. Die Schuldigen sind wir alle. Denn: Wie verhalten wir uns der Natur und der Nahrung gegenüber?

Es geht um Verantwortung, um ein neues Bewusstsein für das, was die Natur uns schenkt und was wir mit diesen Gaben anfangen. Um Moral und um ein Ende der Maßlosigkeit. Und vielleicht ist die Natur ja viel stärker, als wir kleinen Menschen es uns vorstellen können. Denn es gibt einen Hoffnungsschimmer: Die genmanipulierten Pflanzen verlieren ihre angezüchteten Eigenschaften. Die Natur wehrt sich.

Gaby Sikorski

.