Reise des Personalmanagers, Die

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Nach „Lemon Tree“ kommt wieder ein Film des israelischen Regisseurs Eran Riklis ins Kino. Ein Mann, ein Sarg und eine Reise ins Ungewisse: Bizarr und böse rollt dieses Road Movie von Israel bis in die osteuropäische Diaspora und erzählt im Stil einer Groteske davon, wie eine Tote die Lebenden zur Besinnung bringt.

Webseite: wwww.personalmanager-derfilm.de

OT: The Human Resources Manager
Israel/Deutschland/Frankreich 2010
Regie: Eran Riklis
Drehbuch: Abraham B. Jehoshua, Noah Stollman (nach dem Roman „A Woman in Jerusalem“ von A. B. Jehoshua)
Darsteller: Mark Ivanir, Rozina Kambus, Gila Almagor, Reymond Amsalem, Noah Silver, Julian Negulesco
103 Minuten, OmU
Verleih: Alamode Filmdistribution/Die Filmagentinnen
Kinostart: 1. Dezember 2011

PRESSESTIMMEN:

Der israelische Regisseur Eran Riklis ('Lemon Tree') überschreitet nationale und emotionale Grenzen und unterhält mit aberwitzigem Humor.
Stern

FILMKRITIK:

Die Hilfsarbeiterin Yulia Petracke, eine kürzlich aus Osteuropa zugewanderte Jüdin, ist in Jerusalem bei einem Selbstmordattentat ums Leben gekommen. Ein windiger Journalist kommt auf die Idee, Yulias ehemaligen Betrieb, eine bekannte Großbäckerei, dafür verantwortlich zu machen, dass die Tote noch immer nicht begraben werden konnte. Er startet eine diffamierende Pressekampagne.

Der Personalchef der Bäckerei erhält den Auftrag, die Angelegenheit zu regeln. Beruflich ist er spezialisiert auf den diskreten Umgang mit schwierigen Situationen, aber im Privatleben ist er ein Versager. Seine Ehe ist gescheitert, er nimmt sich viel zu wenig Zeit für seine kleine Tochter. Wieder stellt er den Beruf vor die Familie und beginnt mit Nachforschungen über Yulia Petracke. Das Image der Firma steht auf dem Spiel, Geld spielt keine Rolle. Notfalls muss der Sarg eben zurück in Yulias Geburtsland gebracht werden.

Dies ist der Beginn einer irrwitzigen Geschichte, die ihre Komik vor allem aus ständig neuen, kleineren und größeren Katastrophen bezieht, die mit unausweichlicher Logik immer tiefer ins Desaster führen, so dass der Personalmanager mit dem böswilligen Journalisten und dem Sarg schließlich durch Matsch, Regen und Schnee bis in den allerletzten Winkel Osteuropas reist. Er lernt ein zerrüttetes Land und seine kaum weniger gestörten Bewohner kennen, überlebt Verhaftung, Schneesturm, Krankheit, Bürokratie und erreicht doch – nichts. Am Ende war die Reise aus materieller Sicht teuer und nutzlos, aber dennoch zeigt sie Wirkung: Der Personalmanager hat zu sich selbst gefunden und die Tote endlich eine Heimat. So erfährt Yulia durch ihren Tod die Würdigung, die ihr im Leben versagt blieb.

„Groteske“ nennt man gemeinhin eine Geschichte, die ihre Komik aus der absurden Steigerung durch unaufhaltsam aufeinanderfolgende Katastrophen bezieht. Es geht einfach alles schief, der Mensch kann planen, soviel er will, und macht doch alles immer schlimmer, wird aber am Ende vielleicht doch geläutert und für die erlittene Mühsal belohnt. Obwohl in langer Tradition erprobt, entspricht die Groteske nicht den Standardvorgaben für Filmkomödien. Tragik und Komik liegen dicht beieinander. Auf Dialogspäße muss man weitgehend verzichten. Dafür gibt es bizarre, witzige Situationen: So muss der Personalchef immer wieder neue Transportfahrzeuge finden, bis er schließlich in einem ausgedienten Sowjetpanzer landet, auf den der Sarg geschnallt wird. Die Story erinnert ein wenig an die legendären „13 Stühle“ – ebenfalls die tragikomische Geschichte einer absurden Reise, die letztlich den Helden und seinen Gegenspieler zusammenführt. Und auch hier zeigt sich die philosophische Tiefe und damit der besondere Reiz der skurrilen Handlung im Detail: Nur die Tote trägt einen Namen, die handelnden Personen bleiben namenlos. Auch Yulias Herkunftsland wird nicht näher bezeichnet – Nation und Nationalität sind unwichtig. Doch auf diese Weise wird das Publikum genauso irritiert wie der Protagonist, der sich als Fremder in einem fremden Land zurechtfinden muss.

Mark Ivanir spielt den Personalmanager überzeugend als geheimnisvollen Mann, der sich durch widrige Umstände vom emotionsgestörten Macher zum mitfühlenden Wesen entwickelt. Nur andeutungsweise erfährt man, dass es eine militärische Vergangenheit gibt. Guri Alfi als aufdringlicher, skrupelloser Sensationsjournalist ist sein würdiger Gegenspieler – eine ständig plappernde Nervensäge. Doch auch er wird sich ändern und seine Menschlichkeit entdecken. Großartig auch der junge Noah Silver, der Yulias bockigen Sohn spielt, ein verzweifelter Rebell in einem verlorenen Land.

Nach „Lemon Tree“ kommt nun wieder ein Film von Eran Riklis ins Kino. Es geht einmal mehr um das Suchen und Finden von Menschlichkeit und Heimat jenseits von Politik, Religion und Ideologie. Heimat ist dort, wo es Liebe gibt. Das ist eine der Botschaften dieses Films, der kafkaesk, makaber und komisch, gelegentlich sperrig und manchmal melancholisch von der Absurdität des Daseins erzählt. Das Einzige, was weltweit verlässlich funktioniert, sind nicht etwa die Beziehungen, sondern die Mobiltelefone. Sie sind der zuverlässige Begleiter bei dieser schrägen Reise durch eine kranke Welt. Sie kann vielleicht gerettet werden, wenn die Menschen zueinanderfinden. Und das wäre ja eigentlich eine ziemlich gute Idee.

Gaby Sikorski

Den Ausgang nimmt der Film in Jerusalems größter Bäckerei. Der dortige Personalmanager wird zu seiner Chefin gerufen. Irgendetwas ist schief gelaufen – und er muss herhalten. Als ob er nicht schon genug Schwierigkeiten hätte. Das Verhältnis zu Frau und Tochter ist nämlich alles andere als gut.

Was ist geschehen? Eine rumänische Aushilfskraft wurde bei einem Selbstmordattentat in der Stadt getötet. Eigentlich hatte sie die Firma schon verlassen, doch der Nachtschichtleiter hatte sich in die hübsche Frau verliebt und sie deshalb noch auf der Lohnliste gelassen.

Bei der Toten fand man nun den Gehaltszettel der Firma, und da sich sonst niemand meldete, war die einzige Adresse, an die das Leichenschauhaus sich wenden konnte, die Bäckerei.

Dort sitzt man ob des irregulären Arbeitsverhältnisses in der Klemme, zumal sich die Boulevardpresse schon in sehr negativer Weise des Falles angenommen hat.

Der Personalmanager erhält den Auftrag, den Leichnam in die Heimat, also nach Rumänien, zu überführen. Und da beginnt nun ein skurriler Trip mit einer ganzen Anzahl komischer Zwischenfälle. Selbst ein Panzer mit aufgebundenem Sarg fehlt nicht.

„Eine bescheidene und doch bedeutende Aussage über die Conditio Humana von gestern, heute und morgen“ wollte der (bereits mit „Die syrische Braut“ und „Lemon Tree“ in Erscheinung getretene) israelische Regisseur Eran Riklis zum Ausdruck bringen – und das ist ihm regielich und filmisch auch einigermaßen gelungen.

Die stoische Ruhe des Personalmanagers; die Überlandfahrt mit dem Sarg; die Trauergemeinde und Trauerfeier in einem abgelegenen rumänischen Dorf; die Suche nach der Großmutter; das Missgeschick, dass nötige Unterschriften einmal wegen der Scheidung und zum anderen wegen der Minderjährigkeit des Sohnes der Toten nichts wert sind; die Tatsache, dass sich die Tote, die eigentlich Julia hieß, als „Ruth“ in einem orthodoxen jüdischen Viertel Jerusalems einquartierte; und dann noch der überdrehte Schluss – da sind schon ein paar filmische Köstlichkeiten.

Eine Versöhnungsbotschaft blitzt auch allenthalben auf.

Eine traurig-schöne, skurrile „Tramödie“.

Thomas Engel