Tiger Factory

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Schonungslos, unerbittlich und bisweilen schwer zu ertragen ist „Tiger Factory“, der jüngste Film des malaysischen Regisseurs Woo Ming Jin. In blassen, fast dokumentarischen Bildern erzählt er von einer Frau, die mit allen Mitteln versucht, Geld aufzutreiben und dabei Körper, Seele und am Ende auch ihr Gewissen verkauft. Anfangs eher konventionell, entwickelt „Tiger Factory“ zunehmende Kraft, auch wenn die extreme Geschichte oft hart an der Grenze zum Elendsporno verläuft.

Webseite: www.tiger-factory.de

Malaysia/ Japan 2010
Regie: Woo Ming Jin
Buch: Woo Ming Jin, Edmund Yeo
Darsteller: Lai Fooi Mun, Pearly Chua, Susan Lee, Rum Nun Chung, Loh Bok Lai, Lesly Leon Lee
Länge: 84 Minuten
Verleih: Aries Images, Vertrieb: Zorro
Kinostart: 22. September

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Die ersten Bildern geben den Ton vor: Eine verdreckte Schweinefarm in Malaysia, ein junges Mädchen, die wir später als Ping kennen lernen werden, sie füttert die Tiere, fegt die Ställe und schließlich, in einem geradezu prophetischen Moment, zapft sie einem Eber Sperma ab. Weiter geht’s in ein Restaurant, Plastikgeschirr waschen, schwere Pakete schleppen, voller Schweiß und Dreck quält sich Ping durch den Tag. Die Nächte verbringt sie in einer winzigen Kammer, auf einer Matratze neben einem anderen Mädchen schlafend, die ebenso wie sie eine moderne Sklavin ist, eine Leibeigene ihrer Tante. Jeden Geldschein, den sie mit ihren beiden Jobs verdient steckt Ping in eine Blechdose, zusammen mit ihrem Pass, den sie brauchen wird. Denn Ping spart, um Malaysia zu verlassen und von einem Schlepper nach Japan gebracht zu werden, wo sie auf ein besseres Leben hofft. Um das nötige Geld zusammenzusparen hat sich Ping sogar schwängern lassen, trägt ein Kind aus, das dann teuer verkauft werden soll. Doch bei der Geburt geht etwas schief, dass Kind stirbt. So zumindest erzählt es die Tante, die bald auch noch Pings Geld und Pass stiehlt.

Eine finstere Welt zeigt Regisseur Woo Ming Jin in seinem Film, entstanden mit Laiendarstellern, die dementsprechend wenig spielen und vor allem erschöpft und eintönig ihr hartes Los ertragen so gut es geht. Die fast dokumentarische Handkamera folgt Ping auf Schritt und Tritt, deutlich an die frühen Filme der belgischen Dardenne Brüder erinnernd. Allerdings mit dem Unterschied, dass deren Geschichten, vor allem ihr erster großer Erfolg „Rosetta“ kommt immer wieder in den Sinn, nie Gefahr liefen, sich an dem dargestellten Elend zu delektieren. Eine Gefahr, der „Tiger Factory“ besonders in der ersten Hälfte oft nahe kommt. Allzu vorhersehbar läuft da die Geschichte ab, allzu ungebrochen wird hier das Elend geschildert. Erst im Laufe des Films, wenn Pings Versuche, Geld aufzutreiben immer dringlicher und gleichzeitig auswegsloser werden, gewinnt der Film große Kraft.

Noch einmal willigt Ping ein, ein Kind auszutragen, wird auf schwer ertragbare Weise, geradezu mechanisch geschwängert, gerade so wie die künstliche Befruchtung der Schweine zu Beginn des Films. Doch ausgerechnet hier, als sie so tief gesunken ist wie nie, gewinnt ihr Leben ein Stück Menschlichkeit: Sie lernt einen Mann kennen, der sie nicht ausnutzt, der freundlich zu ihr ist, Momente der Nähe zulässt. Und gerade ihn wird Ping etwas später aufs schmählichste verraten, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen, um endlich das Geld für ihre Flucht nach Japan zu verdienen. Mit solcher bitteren Konsequenz wurde selten vom Elend auf der Welt erzählt, so schonungslos hat selten ein Regisseur gezeigt, was Menschen in ihrer Verzweiflung alles tun. Schön anzusehen ist „Tiger Factory“ in keinem Moment, aber doch sehr eindrucksvoll.

Michael Meyns

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