Road to Guantanamo

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Eigentlich waren die drei Freunde aus Tipton nahe bei Birmingham nach Pakistan gereist, um die Hochzeit ihres Kumpels zu feiern. Doch ein Trip nach Afghanistan brachte sie zur falschen Zeit an den falschen Ort und war der Ursprung einer Odyssee, die sie über Kandahar und Kunduz direkt nach Guantanamo führte. Michael Winterbottom inszenierte diesen Trip gleich einem Alptraum, der drei von ihnen über zwei Jahren ihres Lebens kostete und die Werte unserer modernen Gesellschaft in Frage stellt.

Webseite: www.falcommedia.ch

Großbritannien 2006
Regie: Michael Winterbottom und Matt Whitecross.
Darsteller: Farhad Harun, Arfan Usman, Rizwan Ahmed, Waqar Siddiqui, Shahid Iqbal u.a.
Länge: 95 Min.
Verleih: Falcom Media/Central
Start: 21.9.2006
Silberner Bär für die Beste Regie, Berlinale 2006

PRESSESTIMMEN:

Semi-dokumentarisch wird vom Schicksal der "Tipton Three" erzählt, dreier junger Briten mit pakistanischen Wurzeln, die während einer Reise in Afghanistan festgenommen und im US-Gefangenenlager Guantanamo zwei Jahre lang als Terror-Verdächtige festgehalten wurden. Der Film mischt Interviews mit den jungen Männern, Fragmente von Medienberichten sowie nachgestellte Spielszenen, die die Reise sowie die Inhaftierung bebildern. Aufgrund mangelnder Distanz und analytischer Tiefe kein bleibendes Dokument, überzeugt der ganz bewusst Partei nehmende Film als aufrüttelnder Appell gegen die Verletzung der Menschenrechte.
film-dienst

Packende und aufwühlende Mischung aus Dokumentation und Spielfilm.
KulturSPIEGEL

Ein wütender, hervorragend umgesetzter und deshalb wichtiger Film. Er wird niemand unberührt lassen.
Filmecho

"Bewegend ... ein erschütterndes, manchmal fast unerträgliches Kinowerk, das ohne jedes überflüssige Beiwerk eine grausame Geschichte erzählt. Die Darsteller müssen sich hier endlich mal nicht anstrengen, um jeden Preis alle Emotion und allen Schmerz aus ihren Gesichtern zu verbannen - und sie sind trotzdem oder gerade deswegen großartig."
(Der Spiegel)

"Ein emotionaler, verstörender und parteiischer Film von Michael Winterbottom."
(Bayrischer Rundfunk)

"Ein wichtiger, notwendiger Film."
(Der Tagesspiegel)

Winterbottom und Whitecross zielen direkt auf unseren Bauch. Sie wollen uns zeigen, wie sich Guantánamo anfühlt, und wählen dazu die Mittel der Polemik und der Drastik. «The Road to Guantánamo» ist Agitprop-Kino - dazu bekennen sich die Filmemacher vom ersten bis zum letzten Bild. Sie verzichten deshalb konsequent darauf, eine andere Geschichte als die ihrer vier unschuldigen Opfer zu erzählen. Da gibt es keine Suche nach verschiedenen Blickwinkeln, keinen intellektuellen Diskurs, keine sich verdichtende Recherche. Dennoch ist «The Road to Guantánamo» ein ehrlicher Film, weil er gar nie vorgibt, etwas anderes zu sein als ein Pamphlet, eine vehement parteiische Anklage.
Neue Zürcher Zeitung

FILMKRITIK:

Guantanamo, das ist ein undemokratischer Ort, der nicht wirklich in unsere Welt passt. „Uns allen wurde erzählt, dass hier nur die gefährlichsten Terroristen der Welt eingesperrt sind, und dass es notwendig ist, uns so würdelos vor ihnen zu schützen“, sagte Michael Winterbottom während der Pressekonferenz auf der diesjährigen Berlinale. „Wir wollten den Unterschied zeigen zwischen der Vorstellung, die die Öffentlichkeit von diesen Menschen hat und unseren Erfahrungen, die wir machten, als wir sie getroffen haben. Gemeint sind die „Tipton-Three“, die Winterbottom nach ihrem über zweijährigen Martyrium in Guantanamo befragt hat und ihre Geschichte so spannend fand, dass er sie mit Laiendarstellern nachstellte und mit echtem Nachrichten-Material versah. „Das sind die Perspektiven der Bombardierer und der Bombardierten, die hier gegenüberstehen“, meint Winterbottom und jedem ist klar, für welche Seite sein Herz schlägt.
Dabei hatte alles so harmlos angefangen: Der 19-jährige Asif fuhr im September nach Pakistan, um die Frau zu heiraten, die seine Mutter für ihn ausgesucht hat. Als sein Trauzeuge vor Ort ausfiel, rief er einen Freund in Tipton an, der sich sogleich mit zwei weiteren Freunden nach Pakistan aufmachte. In einer Moschee wurden die vier von einem Iman aufgefordert, ihre Zeit sinnvoll zu gestalten und der Bevölkerung in Afghanistan zu helfen. Für wenig Geld fuhren sie mit dem Bus nach Kandahar, wo sie in der Nacht eintrafen, als die ersten amerikanischen Bomben fielen. So schnell wie möglich zurück nach Pakistan ist fortan ihr Motto, doch Sprachschwierigkeiten und Mittellosigkeit verstricken sie immer tiefer ins Kriegsgeschehen, bis sie schließlich verhaftet und interniert werden. Die Bilanz ist erschreckend: Zwei Freunde sind verletzt, ein dritter bis heute vermisst. Doch es kommt noch schlimmer, den Verhören durch den britischen und amerikanischen Geheimdienst folgt die Verbringung nach Guantánamo, wo sie geschlagen und misshandelt werden. Am Ende unterschrieben sie Geständnisse an den Anschlägen auf das World Trade Center beteiligt gewesen zu sein. Doch in Wirklichkeit hatten alle drei einwandfreie Alibis.

Winterbottom vereinigt quasi drei Genres in einem Film. Der erste Teil ist ein Road Movie und erinnert stark an IN THIS WORLD, für den er bereits 2003 den Golden Bären erhielt. Der zweite Teil trägt Züge eines Kriegsfilm, während der dritte eher einem Gefängnisfilm gleichkommt. Und natürlich liegt Winterbottoms Schwerpunkt auf diesem letzten Teil, der den Gefangenen-Alltag in Guantanomo zeigt, wo tagtäglich die einfachsten Menschenrechte gebrochen werden und wo man sich allen ernstes fragt, ob wir gleich unsere Werte über Bord werfen müssen, um uns der vermeintlichen Gefahr aus dem Osten zu erwehren. Winterbottom überlässt die Antwort seinen Zuschauern, doch wie schwer es den britischen Autoritäten fällt, die inzwischen wieder in Freiheit lebenden Tipton-Three zu rehabilitieren, zeigt der Vorfall, der den Laiendarstellern widerfuhr, als sie nach ihrem Erfolg auf der Berlinale auf dem Flughafen London verhaftet und für 48 Stunden isoliert und verhört wurden. Dabei wurden sie befragt, ob sie vor hätten, auch in Zukunft politische Dokumentarfilme zu drehen, die den Kampf der Muslime unterstützen.

Kalle Somnitz