Schiffe aus Wassermelonen

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„Schiffe aus Wassermelonen“ beschreibt einen Sommer im Leben der 15jährigen Dorfjungen Recep und Mehmet in den 60er Jahren in der Türkei. Die Jungs gehen in der nächsten größeren Stadt in die Lehre – bei einem Melonenverkäufer und einem Friseur –, träumen vom Kino- und Filmemachen und vom großen Geld, und verlieben sich in unerreichbare Stadtmädchen. Regisseur Ahmet Ulucay verarbeitetet seine Jugenderinnerungen zu einem verträumten Film, der so sanft dahinplätschert wie ein heißer Sommernachmittag.

Webseite: www.mitosfilm.com

Karpuz Kabugundan Gemiler Yapmak
Türkei 2004
Regie + Buch: Ahmet Ulucay
Kamera: Ilker Berke
Musik: Alper Tunga Demirel, Ender Akay
Darsteller: Ismail Hakki Taslak, Kadir Kaymaz, Hasbiye Güna, Gülayse Erkoc, Mustafa Coban, Fizuli Caferof
Verleih: Mitosfilm
Start: 29.6.2006

PRESSESTIMMEN:

Nostalgische Bilder einer türkischen Kindheit auf dem Land... Mit langen Einstellungen und gemächlichem Erzählduktus macht Regisseur Ahmet Ulucay den Lebensrhythmus auf dem Land zu einer Zeit spürbar, als die Uhren langsamer tickten und Fernsehen noch nicht in Sicht war. Ohne sentimental zu werden, lakonisch und mit verhaltenem Humor kreiert er eine sehnsuchtsvolle, nostalgische Stimmung.
Tip Berlin

Eine einfühlsame und anrührende Coming-of-Age-Geschichte mit gutem Gespür für den Stoff sowie für die grundlegende Faszinationskraft des Kinos. In seiner Bildsprache arbeitet der Debütfilm geschickt mit natürlichem Licht und fängt eindrucksvoll die karge Landschaft und das Dorfmilieu ein. - Sehenswert ab 14.
film-dienst


FILMKRITIK:

Mitten in der Türkei in den 60er Jahren. Ein Melonenverkäufer sitzt auf einem klapprigen Stuhl und betrachtet verschlafen den kleinen Platz .Es ist heiß, kaum etwas tut sich. Vor der Kneipe gegenüber steht ein Sarg. Männer gehen hinein und kommen hinaus. Sie bringen den Toten und decken ihn zu. Dann wieder lange nichts. Eine Katze streift durchs Bild. Ein Poster löst sich gelangweilt von der Hauswand. Recep, der 15jährige Lehrling des Melonenverkäufers poliert die Früchte mit einem Tuch. Sommer in der kleinen Stadt.

Jeden Morgen wandern Recep und sein bester Freund Mehmet, der beim jähzornigen Friseurmeister in die Lehre geht, von ihrem Heimatdorf in ‚die Stadt’ mit ihren verwinkelten Gassen, dem elektrischen Licht und, Gipfel der Attraktionen, dem Kino. Jeden Abend geht es den langen Weg über die Bahngleise zurück. Ihre ganze freie Zeit verbringen die Jungs damit, vom Filme- und Kinomachen zu träumen und die Filmschnipsel, die sie im Kino abstauben konnten, zum Laufen zu bringen. Recep träumt zudem von Nihal, die schon zwanzig ist und kaum ein Wort mit ihm wechselt. Sie ist die älteste Tochter von ‚Tante’ Nezihe, die einen Narren an dem lockigen Jungen gefressen hat und sich täglich Melonenreste von ihm vorbeibringen lässt.

Der autobiografisch inspirierte Film Ahmet Ulucays beobachtet die Leiden, Träume und Begegnungen seiner jugendlichen Helden ein bisschen so, wie der Melonenverkäufer die Straße: gelassen und mit einem Blick für Kleinigkeiten, die im schläfrigen Fluss des Provinzalltags den Charakter von Ereignissen annehmen. Da ist z.B. der Tag, an dem  Receps Mutter das Filmmaterial findet, durchs Dorf schleift – ein Kätzchen spielt begeistert mit den Enden - und verbrennt. Oder der hilflose Versuch Receps, der Angebeteten Walnüsse zu schenken. Oder der traumatische Moment, an dem der Friseurmeister Mehmet zwingt, seinen Freund fast kahl zu rasieren. Immer sind in die Alltagsrealität dabei winzige surreale Momente eingeflochten, die der Kinobegeisterung der Helden und des Regisseurs zu verdanken sind: die Leiche im Sarg scheint auf einmal zu atmen, die Küche daheim wird für Sekunden zur Hexenküche und die Dorfbewohner bewegen sich auf einmal in Stop-Motion.

„Schiffe aus Wassermelonen“ – Träume, die zum Sinken verdammt sind - reiht die Impressionen einer Kindheit ziemlich unvermittelt aneinander. Dadurch wirkt der Film gelegentlich etwas ziellos und beliebig, aber immer wieder gelingt es ihm auch, ein Zeitgefühl einzufangen, in dem das Leben aus endlosen heißen Sommertagen zu bestehen schien und noch keinen Plan verfolgte.

Hendrike Bake