Schroeders wunderbare Welt

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Seit seinem lakonischen Regiedebüt „Schultze Gets the Blues“ gilt Autorenfilmer Michael Schorr vielerorts als deutscher Aki Kaurismäki. Wer sich seinen Nachfolger „Schröders wunderbare Welt“ anschaut, wird diesen Vergleich doppelt unterstreichen. Erneut bestimmen wenige Worte und atmosphärische Kamerabilder das Geschehen. Noch dazu führt die Kinoreise in den östlichsten Zipfel Deutschlands – einen fürwahr kargen und doch magisch anziehenden Landstrich.

Webseite: schroederswunderbarewelt.de

Deutschland 2006
Regie: Michael Schorr
Drehbuch: Michael Schorr
Darsteller: Peter Schneider, Karl-Fred Müller, Jürgen Prochnow, Eva-Maria Hagen
Filmverleih: Alpha Medienkontor
Länge: 110 Minuten
Kinostart: 31.05.2007

PRESSESTIMMEN:

Witzig-bissige Satire vor dem Hintergrund der deutschen Wiedervereinigung und der wirtschaftlichen Versprechungen für die neuen Länder, die sich nur für wenige Investoren und Geschäftemacher bezahlt gemacht haben.
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FILMKRITIK:

Schröder (Peter Schneider) hat eine Vision. Ausgerechnet im verkümmerten Dreiländereck zwischen Deutschland, Polen und Tschechien soll eine tropische Lagune entstehen. Mitten im Niemandsland von Tauchritz will Schröder ein Badeparadies für Senioren aufbauen. Doch bevor es soweit ist, muss er bei den Bürgermeistern der drei betroffenen Partnerstädte erst noch gehörige Überzeugungsarbeit leisten. Aufgrund gegenseitiger Ressentiments ist das gar nicht so einfach. Schröder steht mit seiner Vision auf verlorenem Posten. Als schließlich ein amerikanischer Investor (Jürgen Prochnow) auftaucht, um die Gegend zu sichten und in den umliegenden Wäldern auf Wolfsjagd zu gehen, bricht in der beschaulichen Region endgültig das Chaos aus.
Nach seinem umjubelten Erstling „Schulze gets the Blues“ kehrt Regisseur Michael Schorr ein weiteres Mal in den „Wilden Osten“ zurück. Die lakonische Stimmung, für die er vor drei Jahren als deutscher Aki Kaurismäki gefeiert wurde, hat er dabei konsequent beibehalten. Seine Protagonisten haben sich wenig zu sagen, zeigen kaum Mimik und werfen vornehmlich halb gare Stakkatosätze in den Raum. Allein die Bilder, die der Filmemacher um seine Figuren drapiert, wollen nicht ins unterkühlte Lebensgefüge passen. Die Kamera von Tanja Trentmann ist zwar weit gehend regungslos, dafür sind ihre Bilder schnell geschnitten und ungemein farbenprächtig. Jeder Blick aus Trentmanns Linse ist wie ein kleines fotografisches Kunstwerk.

Fast scheint es, als hätte Schorr seine schweigsamen Darsteller in ein bewegtes Gemälde verbannt. Das wirkt auf den ersten Blick zwar etwas befremdlich, lässt den Film aber auch wesentlich freundlicher erscheinen, als er in Wirklichkeit ist. Denn im Grunde erklärt „Schröders wunderbare Welt“ das Projekt der „blühenden Landschaften“ rund 17 Jahre nach der politischen Wende für gescheitert. Die Ortschaften um Tauchritz sind hoffnungslos überaltert und ohne jegliche Perspektive. Und wenn in Person von Schröder ein verlorener Sohn mit Visionen aus dem Westen zurückkehrt, stehen eigene Befindlichkeiten und Vorurteile der erfolgreichen Umsetzung massiv im Weg.

Trotzdem gibt es keinen Grund um „Schröders wunderbare Welt“ Trübsal zu blasen. Dafür sind die Bilder zu schön und die Figuren in ihrer kauzigen Art viel zu sympathisch. Zudem ist der Unterton den Schorr zwischen den Zeilen anschlägt herrlich ironisch. Wer mit der lakonischen Handschrift dennoch nichts anzufangen weiß, der erlebt zumindest ein freudiges Wiedersehen mit Eva-Maria Hagen und einen Jürgen Prochnow, der durch seinen Part des jagdfreudigen Investors ganz wunderbar den überheblichen Amerikaner durchscheinen lässt.

Nach seinen Werken über „Schultze“ und „Schröder“ müsste nun eigentlich ein Film über „Schmidt“ folgen. Doch stattdessen widmet sich Schorr gerade der Verfilmung von Wladimir Kaminers Bestseller „Russendisko.“ Es wird das erste Werk sein, zu dem der Regisseur nicht auch das Originaldrehbuch geschrieben hat. Mal abwarten, ob ihm die Umsetzung ebenso lakonisch gelingen wird.

Oliver Zimmermann

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Ein Film zwischen hochfliegenden Illusionen, tiefster Provinzialität, beißender Satire und einfältiger Komik.

Frank Schröder sitzt in Tauchritz, einem Nest im Dreiländereck zwischen Deutschland, Polen und Tschechien. Die Menschen drohen dort zu verkümmern, also will Schröder etwas unternehmen: am dortigen See einen „Lagunenzauber“ errichten, Touristen ins Land holen, die drei Nationalitäten versöhnen, die Grenzen öffnen, „Freiheit und Wohlstand“ schaffen.

Allerdings ist es nicht einfach, die Interessen der Bürgermeister der drei beteiligten Gemeinden unter einen Hut zu bringen. Immerhin soll zum Einstand ein Fest mit allem drum und dran gefeiert werden: mit einer Rede des amerikanischen Lagunenzauber-Investors, der russischer Abstammung ist; mit einem Essen mit dem größten Kloß der Welt; mit der Einweihung eines Golfplatzes; mit einer von Jagdhörnern begleiteten Jagd, die sich der Investor gewünscht hat.

Aber da ist noch etwas: Onkel Wigbert nämlich, der Schlesien zurückholen will; der Nazi-Kameraden um sich versammelt; der die Jagdgesellschaft in die Irre führt und alles verdirbt. Immerhin könnte es zum Schluss wenigstens noch zwei Liebespaare geben.

Ein verrückter Film mit vielen kuriosen Ideen; mit einer guten Portion Ironie; eine Persiflage, bei der auch aktuelle politische Anklänge nicht fehlen; eine Spielerei; ein im Großen und Ganzen lustiges Stück, allerdings nicht ohne eine gewisse Einfalt und einige inszenatorische Schwächen.

Ein Film über eine Gegend, in der der Kreisverkehr ins Nichts führt, in der 25 Prozent der Menschen arbeitslos sind, in der „die Träume in den Himmel wachsen“. Alle haben mitgemacht, sagt der Regisseur: Köche, Musiker, Laiendarsteller, Teammitglieder. Und so ist es auch geworden. Aber ganz und gar nicht unoriginell.

Thomas Engel