Searching for Sugarman

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Wäre dies ein Spielfilm, man würde die Geschichte als an den Haaren herbeigezogen empfinden. „Searching for Sugarman“ ist aber eine Doku, und obwohl das Gezeigte ganz offensichtlich der Wahrheit entspricht, mag man seinen Augen kaum trauen. Der schwedische Filmemacher Malik Bendjelloul erzählt vom Schicksal des Folkmusikers Rodriguez, der sich nach dem Flop seiner ersten beiden Platten als Bauarbeiter durchschlug – während er ohne sein Wissen in Südafrika zum Superstar aufstieg. Der Film gewann den Publikumspreis des Sundance Film Festivals.

Webseite: www.rapideyemovies.de

Schweden/Großbritannien 2012
Regie und Buch: Maik Bendjelloul
Kamera: Camilla Skagerström
Verleih: Rapid Eye Movies
Kinostart: 27. Dezember 2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

„Ich war überzeugt davon, dass Rodriguez größer würde als Bob Dylan, ja größer als die Rolling Stones.“ Seine Produzenten sind noch heute fassungslos, wie Sixto Rodriguez‘ Debüt „Cold Fact“ 1968 floppen und der Musiker völlig in Vergessenheit geraten konnte. Die Platte passte perfekt zum Zeitgeist, verpackte Sozialkritik und die Sehnsucht nach Rebellion in eine unnachahmliche Straßenlyrik und mal knarzigen, mal bittersüßen Folk. Dennoch lagen die Platte und ihr Nachfolger „Coming from Reality“ wie Blei in den Regalen. Rodriguez, verheiratet und Vater von drei Töchtern, musste seine Familie ernähren. Er entrümpelte Wohnungen, und arbeitete auf dem Bau. In den 70er-Jahren gelangte sein Debüt-Album nach Südafrika – und wurde zu einem umwerfenden Erfolg. „Cold Fact“ war für eine ganze Generation der Soundtrack des Lebens. Rodriguez sang von dem Wunsch nach Freiheit, der der weißen Mittelschicht in der Apartheid-Diktatur versagt blieb. Gerüchte, der Musiker habe sich umgebracht und das offizielle Verbot der Platte sorgten nur für einen noch größeren Kult-Status. Erst Ende der 90er-Jahre erfuhr Rodriguez von seinem Erfolg in Südafrika und brach zu einer umjubelten Tour auf.

Hochemtotionales Drama, sensibles Soziogramm, überwältigender Konzertfilm – die Doku „Searching for Sugarman“ ist alles in einem. Nachdem Regisseur Bendjelloul einige Jahre für das schwedische Fernsehen gedreht hatte, war er 2006 auf der Suche nach einer Story, die ins Kino gehört. Er wurde fündig: Rodriguez‘ Geschichte ist larger than life. Dementsprechend arbeitet Bendjelloul mit einer epischen, fiebrig-intensiven Filmsprache, die verschrammte Super-8-Aufnahmen – teilweise aufgenommen mit einer iPhone-App – mit Panorama-Einstellungen von Rodriguez‘ Heimatstadt Detroit und Kapstadt kreuzt. Dazu kommen kurze nachgestellte Sequenzen und liebevolle Animationen.

„Searching for Sugarman“ bleibt nicht beim Erstaunen über eine ungewöhnliche Geschichte stehen. Der Film huldigt auch nicht einer verspäteten Celebrity. Bendjelloul nutzt die Geschichte vielmehr, um auf mehreren Ebenen über die Kraft der Musik und der Kunst im Allgemeinen zu sprechen. Am deutlichsten wird das natürlich in Südafrika. Wenig war bisher über das Leben der jungen weißen Mittelschicht während der Apartheid bekannt. In „Searching for Sugarman“ sprechen Menschen darüber, wie es ist, sich nicht artikulieren zu dürfen und in einem rassistischen Unrechtsstaat zu leben. Nur vor diesem Hintergrund lässt sich verstehen, was Rodriguez‘ Musik für diese Menschen bedeutete.
Bendjelloul schneidet Konzertaufahmen von dessen erster Tour von 1998 in Südafrika ein, und bei diesen Bildern läuft es einem kalt den Rücken herunter: Ohne einen Ton gespielt zu haben, erhält Rodriguez minutenlange standing ovations. Der Film deutet an, dass der Musiker jetzt auch in seiner Heimat eine späte Wiederentdeckung erfährt: Bei David Letterman war er schon, eine Tour ist durch die USA ist geplant. Wen die Aufregung am wenigsten zu tangieren scheint, ist Rodriguez selbst. Er scheint mit sich und seinem Leben völlig im Reinen. Buddhahaft ruht der Mann in sich selbst, spricht äußerst wenig, bleibt schüchtern. Seine Musik ist Aussage genug.

Oliver Kaever

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