Violetta Parra

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Man muss schon ein guter Kenner der südamerikanischen Liedermacherszene sein, um die chilenische Künstlerin Violeta Parra zu kennen. Unsterblich gemacht hat sie ihr Lied „Gracias a la vida“, das unter anderem auch Mercedes Sosa und Joan Baez interpretierten. Ihr Landsmann Andrés Wood zeigt in seinem Spielfilm nun auf, wer diese Violeta Parra war, wie sie lebte, wogegen sie kämpfte, welche radikalen Positionen sie teilweise vertrat. Einerseits ein typisches Biopic-Thema, findet Wood dennoch über das eingefahrene Genreformat hinaus Bilder für die raue Poesie und oft auch schmerzliche Emotionalität seiner Hauptfigur.

Webseite: www.arsenalfilm.de

OT: Violeta se fue a los cielos
Chile, Argentinien, Brasilien 2011
Regie: Andrés Wood
Darsteller: Francisca Gavilán, Cristián Quevedo, Thomas Durand, Patricio Ossa, Jorge López, Stephania Barbagelata, Roberto Farías, Gabriela Aguilera, Marcial Tagle, Luis Machín
110 Minuten
Verleih: Arsenal Filmverleih
Start am 29.11.2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

1964 titelte die französische Zeitung „Le Figaro“ folgende Überschrift: „Leonardo DaVinci endete im Louvre, Violeta Parra startet hier". Bis zu diesem Zeitpunkt war die vielfältig begabte Künstlerin Violeta Parra in ihrer Heimat längst noch nicht jene Ikone, die sie nach ihrer Rückkehr aus Europa werden sollte. Geboren 1917 in ärmlichen Verhältnissen auf dem Land, wächst die Tochter eines Musiklehrers zusammen mit acht Geschwistern auf und bringt sich mit neun Jahren das Gitarrespielen bei. Mit zwölf komponiert sie ihre ersten Lieder und tritt als Jugendliche und später als Studentin in Santiago regelmäßig auf. Als Vorreiterin der Bewegung des „Nueva Canción Chilena“, die in den 1950er-Jahren die traditionelle Volksmusik Chiles mit Gesellschaftskritik verknüpfte und zum wichtigen Symbol der lateinamerikanischen Protestbewegung wurde, zieht sie von Dorf zu Dorf und schreibt die Lieder der einfachen Leute auf. Ihr großer Hit „Gracias a la vida“ entsteht 1966, ein Jahr vor ihrem Freitod – den sie angeblich wegen einer gescheiterten unglücklichen Liebesbeziehung, möglicherweise aber auch wegen finanzieller Probleme, wählt. Im Louvre war sie immerhin die erste Frau aus einem lateinamerikanischen Land, deren Kunstwerke ausgestellt wurden.

Aufstieg und Fall, das Leben der kleinen Leute, das Hadern mit dem Ruhm, private Katastrophen, Leidenschaft und Liebe – all das steckt in der Biografie von Violeta Parra. Regisseur Andrés Wood arbeitet sich an diesen Eckpunkten dieser Powerfrau ganz in der Tradition fiktionalisierter Künstlerbiografien ab. Er vergisst bei seinen in Parallelmontagen gefassten Betrachtungen des Einst und Heute allerdings oft auch eine gesellschaftspolitische Einordnung, was insbesondere für die damaligen Entwicklungen in Chile ein kleines Manko seines Films ist. Wichtig ist Wood indes, den Zuschauer mit der manchmal nicht ganz durchschaubaren Denkweise seiner Protagonistin vertraut zu machen. So erklärt sie in einem fiktiven Interview einem Schweizer Journalisten, warum sie ihre Europareise trotz des tragischen Todes ihres in Chile zurückgelassenen Kindes fortgesetzt hat. An anderer Stelle bekommt ein Landsmann, der sie nach einem privaten Auftritt zum Essen in die Küche schickt, zu spüren, dass sie mit den Ungerechtigkeiten zwischen Arm und Reich, bzw. auch dem patriarchalen Verhalten der Gesellschaft, so ganz und gar nicht einverstanden ist.

Was Woods Film über die übliche Machart eines Biopics hebt, das sind immer wieder kraftvoll poetische Bilder, sei es die Großaufnahme eines Auges, seien es am Himmel kreisende Raubvögel, die herabstürzen und sich Kämpfe mit einem Hahn liefern, seien es traumatische Sequenzen aus der Kindheit, die in Zeitlupe das Ausmaß des Schreckens für die kleine Violeta verdeutlichen. Dazu knarzt auf der Tonspur immer wieder mal das Gebälk. Später wird deutlich, dass es sich hierbei um ein von Violeta Parra nach ihrer Rückkehr aus Europa aufgebautes Theaterzelt handelt, das nicht nur den Kräften eines aufkommenden Sturms standhalten muss.

Der Schauspielerin Francisca Gavilàn gelingt es quasi im Alleingang, die vielen Facetten dieser in ihrer Getriebenheit und ihrem seelischen Schmerz gefangenen Frauenfigur darzustellen. Nicht zuletzt bietet „Violeta Parra“ die Gelegenheit, bekannt zu machen mit dem musikalischen, stark melancholisch geprägten Werk wie auch der künstlerischen Seite dieser starken und widersprüchlichen Frau.

Thomas Volkmann