Speak No Evil

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Christian Tafdrup machte mit seiner Familie Urlaub in der Toskana. Sie lernten ein niederländisches, nettes, wenn auch etwas eigenartiges Pärchen kennen, das sie Monate später zu sich nach Hause einlud. Tafdrup nahm die Einladung nicht an, weil er die Leute kaum kannte – und er fragte sich: Was mochte passieren, wenn eine Familie wie die seine eine solche Einladung annehmen würde? Wenn die freundlichen Gastgeber nicht so freundlich waren, wie sie schienen

Gæsterne
Dänemark / Niederlande 2022
Regie: Christian Tafdrup
Buch: Christian Tafdrup, Mads Tafdrup
Darsteller: Morten Burian, Sidsel Siem Koch, Fedja van Huêt

Länge: 97 Minuten
Verleih: Plaion Pictures
Kinostart: 28. September 2023

FILMKRITIK:

Eine dänische Familie macht Urlaub in der Toskana. Dort lernen die Eltern der kleinen Agnes andere Eltern kennen. Ein niederländisches Pärchen, mit dem sich beide gut verstehen. Monate später flattert eine Einladung ins Haus. Die Niederländer laden sie auf ein paar Tage in ihrem Haus auf dem Land ein. Erst sind die Dänen unsicher, dann nehmen sie an und fahren hin. Fast unmerklich kommt es zu Spannungen, die die Gäste darauf zurückführen, dass es eben kulturelle Unterschiede gibt. Aber die Situationen mehren sich, und die Situation eskaliert.

Christian Tafdrup hat einen spannenden Thriller abgeliefert. Er funktioniert deswegen so gut, weil es zwar früh ein unangenehmes Gefühl gibt, was die Gastgeber betrifft, aber dem gegenüber steht ein Pärchen, das niemanden verletzen will. Tafdrup ist gut darin, normale Situation mit einem Gefühl des Unbehaglichen zu füllen. Etwa, wenn die beiden Pärchen essen gehen und ein fremder Mann als Babysitter für die Kinder dient. Der Film zielt hier darauf ab, dass es eben Unterschiede gibt, wie Niederländer und Dänen das Leben angehen. Aber es ist nicht nur das. Im Lauf der sich langsam entfaltenden Geschichte formt sich eine Bedrohlichkeit, bis der Film im letzten Drittel vom Psychothriller zum beinharten Horrorfilm umschwenkt – inklusive ein paar durchaus harter Szenen.

Unumstritten ist „Speak No Evil“ nicht. Vor allem deswegen, weil die beiden Dänen sich das alles viel zu lange ansehen. Es gibt den Moment, da wollen sie ganz früh abhauen, und kommen dann doch zurück. Eine unglaubwürdige Szene. Überhaupt muss die Frage erlaubt sein: Würden Menschen wirklich so handeln? Selbst, wenn man in der ersten Stunde noch argumentieren kann, dass sie der Höflichkeit halber handeln, wie sie es tun, benehmen sie sich im letzten Drittel wie Lämmer, die zur Schlachtbank geführt werden. Wenn die eigene Familie bedroht ist, würde man da nicht mit Händen und Füßen kämpfen?

Das unterminiert die Wirkung des Films etwas, er zerfällt damit im Grunde in zwei Teile. Der psychologische Thrill des einen Teils ist weit effektiver, als der Horror des zweiten, auch wenn Tafdrup hier Szenen gestaltet, die schon ein ungutes Gefühl in der Magengegend heraufbeschwören.

Letztlich ein guter Film, all seiner Schwächen zum Trotz, weil er recht kompromisslos ist und der alten Weisheit, dass die Hölle andere Menschen sind, neue Argumente liefert.

 

Peter Osteried