Springsteen: Deliver Me From Nowhere

Auch Menschen, die mit Bruce Springsteen so gar nichts anfangen können, kennen seinen Welthit Born in the USA, ein oft missverstandener Song. Ähnliches könnte man auch über den Künstler und Mensch Springsteen sagen, der nun im Mittelpunkt von Scott Coopers Biopic „Springsteen: Deliver me from Nowhere“ steht, einem Film für Fans, aber durchaus auch für diejenigen, die mit Springsteen eigentlich wenig anfangen können.

 

Über den Film

Originaltitel

Springsteen: Deliver Me From Nowhere

Deutscher Titel

Springsteen: Deliver Me From Nowhere

Produktionsland

USA

Filmdauer

120 min

Produktionsjahr

2025

Regisseur

Cooper, Scott

Verleih

The Walt Disney Company (Germany) GmbH

Starttermin

23.10.2025

 

Erschöpft und allein sitzt Bruce Springsteen (Jeremy Allen White) in der Umkleidekabine, das letzte Konzert seiner aktuellen Tour liegt hinter ihm, eine Tour, mit der er sein bis dato erfolgreichstes Album „The River“ promotet hat, eine Platte, die ihn an den Rand des Superstardaseins gebracht hat. Nun hofft seine Plattenfirma auf einen schnellen Nachfolger, denn das Eisen soll geschmiedet werden, solange es heiß ist.

Doch Springsteen hat andere Pläne: Er zieht sich in ein einsames Haus in Colts Neck zurück, unweit seines Elternhauses im US-Bundesstaat New Jersey. Sein Manager und Freund Jon Landau (Jeremy Strong) weiß, dass er Springsteen zu nichts drängen kann, dass der Boss, wie ihn seine Bandmitglieder und Fans nennen, einen sehr eigenen Kopf hat.

Erinnerungen an seine nicht immer einfache Kindheit, seinen zum Alkohol neigenden Vater (Stephen Graham) und seine Mutter (Gaby Hoffmann) treiben ihn um, auf dem Plattenspieler rotiert das Debütalbum der Elektronik-Band „Suicide“, nicht unbedingt lebensbejahende Musik, im Fernsehen sieht Springsteen Terrence Malicks „Badlands“, einen Film über den jugendlichen Killer Charles Starkweather.

In dieser Stimmung beginnt Springsteen allein und nur mit Gitarre und Mundharmonika, neue Songs aufzunehmen, dank neuer Technik reicht der Techniker Mike (Paul Walter Hauser) um auf 4-Track-Tonband zumindest rohe Demos zu produzieren. Doch diese Demos gefallen Springsteen so gut, dass er beschließt, aus ihnen seine neue Platte zu formen, auch wenn sich unter den Demos schon das Gerüst des späteren Welthits „Born in the USA“ befindet…

Spannung daraus zu generieren, ob ein Musiker nun eine Soloplatte herausbringt oder ein Album mit Band, ob es besser für die Psyche ist, in einem ausladenden Haus in New Jersey zu leben oder in einem noch ausladenderen in Los Angeles ist keine leichte Aufgabe. Für seinen Film über Bruce Springsteen versucht der Musikfilm erfahrene Scott Cooper – sein Countryfilm „Crazy Heart“ bescherte Jeff Bridges endlich den Oscar – den Klischees des Genres möglichst zu entkommen: Kein durch Drogen oder Alkohol herbeigeführter Absturz des Künstlers ist zu sehen, keine Sucht, keine Groupies, streng genommen kein wirklicher Konflikt. All das entspricht den Tatsachen, Springsteen lebte weitestgehend frei von Exzessen und Skandalen, was ihn sicher zu einem sympathischen Menschen macht, aber nicht unbedingt zu einem offensichtlichen Sujet für einen Film.

Vielleicht auch deswegen dauerte es bis heute, da Springsteen Mitte 70 ist, bis ein Film über ihn gedreht wurde. Ausgangspunkt war ein Sachbuch des Journalisten Warren Zanes, der die Entstehung des legendären „Nebraska“ Albums von Springsteen minutiös nachzeichnet. Futter für die Fans war dieses Buch, aber warum sollte jemand, der kein Fan ist, sich für die Genese einer Platte interessieren?

Das liegt in erster Linie an Hauptdarsteller Jeremy Allen White, der zwar nicht wie Springsteen aussieht, sich dessen Haltung, Mimik und Gestik perfekt angeeignet hat. Dem es aber vor allem gelingt, Einblicke in die Psyche eines Mannes zu geben, der scheinbar alles hat – Ruhm, Geld, Groupies – der aber dennoch nicht glücklich ist, der mit seinen Dämonen kämpft.

Für Springsteen bedeutete „Nebraska“ einen erfolgreichen Kampf mit seinen Dämonen. Erst danach, als er begonnen hatte, sich mit seiner Vergangenheit und sich selbst auseinanderzusetzen, konnte er wieder das große Besteck auffahren und zusammen mit seiner E Street Band Rockgeschichte schreiben. Dass er auch dabei, vor allem mit der nur scheinbar von unreflektiertem Pathos getragenen Hymne „Born in the USA“ missverstanden wurde, wäre eine weiteren Film wert, vielleicht hat Scott Cooper nach „Springsteen: Deliver me from Nowhere“ ja Lust auf eine Fortsetzung.

 

Michael Meyns

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