Stadt Land Fluss

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Benjamin Cantus Debütfilm erzählt in semi-dokumentarischer Manier eine schwule Liebesgeschichte auf dem Land. Gefilmt während der Erntezeit auf einem echten Bauernhof, bewegt sich „Stadt Land Fluss“ irgendwo zwischen Dokudrama, Reality-TV-Format und dramatischem Film, eine Mischung, die in den besten Momenten authentisch und lebensnah wirkt, bisweilen aber auch etwas zu beliebig und frei von Drama dahinplätschert.

Webseite: www.salzgeber.de

Deutschland 2011
Regie, Buch: Benjamin Cantu
Darsteller: Lukas Steltner, Kai-Michael Müller
Länge: 84 Min.
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 19. Mai 2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Gerade bei den privaten Fernsehsendern erfreuen sich so genannte Reality-Soaps seit einigen Jahren großer Beliebtheit. Wackelige Handkameraufnahmen sollen den Anschein von Authentizität erwecken, die Arbeit mit Laienschauspielern die dargestellten emotionalen Verwicklungen realistisch erscheinen lassen. Ins Kino hat es diese Mischung aus Fiktion und Dokumentation bislang eher selten geschafft, die Diskrepanz zwischen oft bewusst amateurhaft wirkenden, Realismus suggerierenden Bildern und der Notwendigkeit, der Fallhöhe des Kinos angemessene Emotionen zu evozieren, ist wohl doch zu groß. Und genau an dieser Diskrepanz müht sich Benjamin Cantus Film „Stadt Land Fluss“ immer wieder ab, mal mehr, mal weniger erfolgreich.

Für seinen ersten Spielfilm begab sich Cantu auf einen landwirtschaftlichen Ausbildungsbetrieb irgendwo in der ostdeutschen Provinz. Eine Weile beobachtet man die Auszubildenden bei der Arbeit, beim Kühe melken, Traktor fahren, dem mühsamen Vorlesen aufgeschriebener Erfahrungsberichte, und langsam kristallisiert sich eine Geschichte aus den Bildern heraus, die auch Teil einer Dokumentation sein könnten. Zunehmend fokussiert sich der Blick auf Marko (Lukas Steltner), der kurz vor seiner Prüfung zum Landwirt steht, aber nicht wirklich weiß, was er mit seinem Leben anfangen soll. Er ist ein Außenseiter, bleibt stets am Rand, auch wenn ihn seine Kollegen auffordern, mit ihnen ein Bier zu trinken. Als mit Jakob (Kai-Michael Müller) ein neuer Praktikant auf den Hof kommt, beginnt der Film zunehmend sich von seinen dokumentarischen Ansätzen zu entfernen und ansatzweise eine dramaturgisch ausgefeilte Geschichte zu erzählen. Die allerdings in sehr absehbaren Bahnen verläuft.

Über der Arbeit kommen sich Marko und Jakob langsam näher, man albert herum, sinniert über Lebensziele und Träume, irgendwann kommt es dann zu einem Kuss, der beide jungen Männer verwirrt, besonders aber Marko. Wirklich zugespitzt wird diese schwule Liebesgeschichte auf dem Land allerdings nicht, potentielle Konflikte werden kaum mehr als angedeutet, letztlich beschränkt sich Cantu darauf, seine beiden Figuren dabei zu beobachten, wie sie sich näher kommen, mit ihrer möglicherweise erst entdecken Homosexualität umgehen und mit ihren Emotionen ringen.

Gerade die Filme Gus van Sants scheinen hier Vorbild gewesen zu sein, mit ihrer freien Form, dem scheinbar beiläufigen Beobachten junger Männer, der quasi undramatischen Dramatik, die eher evoziert, als wirklich auf den Punkt gebracht wird. Doch diese Leichtigkeit, diese Verknüpfung von Authentizität und pathetischer Überhöhung erreicht Cantu nur sehr selten. Meist begnügt er sich damit, seine beiden Protagonisten in eher banalen Situationen zu beobachten. Das ist zwar durchaus überzeugend gefilmt, auch weitestgehend frei von bemühten, zu viel sagenden Dialogen, allerdings auch nur selten von der Emotionalität, die nötig wäre, um „Stadt Land Fluss“ wirklich mitreißend zu machen.

Michael Meyns