Stay

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Als Kinobesucher darf man ruhig auch mal etwas zu knabbern haben, eine Geschichte nicht auf Anhieb verstehen müssen. Der in Ulm geborene, in der Schweiz aufgewachsene und schließlich zum Filmemachen in die USA aufgebrochene Marc Forster („Monsters Ball“,  „Finding Neverland“) bietet als Entschädigung für nicht immer nachvollziehbare Entwicklungen in seinem Psychothriller „Stay“ mit einer sehenswerten Bildgestaltung einen lohnenden Anreiz, sich dem Rätsel seines Films durchaus noch ein weiteres Mal zu nähern.

Webseite: www.stay-der-film.de

USA 2005
Regie: Marc Forster
Darsteller: Ewan McGregor, Naomi Watts, Ryan Gosling, Bob Hoskins, Janeane Garofalo
99 Minuten
Verleih: Kinowelt
Start am 23.2.06

PRESSESTIMMEN:

“Stay ist ein elegant-hypnotisches Filmrätsel, das Extrakte von David Lynch, M.Night Shyamalan und Freudscher Psychologie in berauschende Psychothriller-Form gießt.”
Blickpunkt Film


FILMKRITIK:

Die Ausgangslage ist schnell erklärt. In Vertretung für seine depressive Kollegin (Janeane Garofalo) übernimmt der New Yorker Psychiater Sam Foster (Ewan McGregor) die Therapiesitzungen mit dem jungen Kunststudenten Henry Lethem (Ryan Gosling). Der leidet nach einem Verkehrsunfall unter Gedächtnisverlust und kündigt an, sich in drei Tagen das Leben zu nehmen. Höchste Zeit also für Sam Foster, ihn davon abzubringen. 

Die intensive Beschäftigung mit der Psyche seines neuen Patienten bringt jedoch auch Sams Geisteszustand durcheinander. Je mehr er sich in die Welt und Denke Henry Lethems zu versetzen sucht, umso mehr scheint diese sich mit der seinen zu verbinden. Bald ist man sich auch als Zuschauer nicht mehr sicher, auf welcher Ebene gerade erzählt wird, was noch Realität oder schon Traum, womöglich sogar Wahnvorstellung ist. Als Sams Freundin Lily (Naomi Watts), auch sie eine Künstlerin und nach einem Selbstmordversuch durch Sams therapeutische Hilfe wieder stabil im Leben stehend, ihn versehentlich einmal Henry nennt, schöpft der Verdacht. Ebenfalls verwirrend ist der Umstand, dass Sam Menschen begegnet, die laut Henry eigentlich längst tot sein müssten. Aber wie heißt es doch so schön am Ende: das Leben ist nur eine Illusion.

Auch David Lynch hat wiederholt mit Figuren gearbeitet, in „Lost Highway“ oder „Mulholland Drive“ etwa, die im Laufe des Films mit anderen Figuren diffundierten, wobei jeweils auch das Unterbewusste eine große Rolle spielte. Es ist nicht vermessen, auch Marc Forsters dritten US-Film der Kategorie visueller Mysterienthriller zuzuordnen, den Film als ein schwer dechiffrierbares Puzzle zu bezeichnen. Reizvoll dabei ist, immer wieder plausible Hinweise auf eine Lösung zu bekommen. Ganz sicher sein kann man sich jedoch nie. So entwickeln sich aus kleinen Details einer Einstellung in der nächsten Szene Hauptmotive, sorgen Déjà-Vu’s für Irritation oder lassen beiläufig im Hintergrund durchs Bild laufende Zwillingspaare an eine mögliche Schizophrenie denken. Auch ein angeblich weiblicher Hamlet auf einer Theaterbühne ist Ausdruck dieses Personenverwirrspiels – in diesem speziellen Fall aber auch schnell und nachvollziehbar erklärt.

Manche mögen diese assoziative Vorgehensweise als Mangel eines roten Handlungsfadens ansehen und die ausgefeilte Optik und künstlerische Bildbearbeitung für Effekthascherei halten. Doch wer genau hinschaut, kann durchaus auch in den Bildern Hinweise auf den psychischen Zustand der Hauptfiguren entdecken, denen McGregor wie auch Watts und Gosling die nötige Portion an Fragilität und Verzweiflung verleihen. Wer also mal wieder Lust auf ein visuell ansprechendes Psychorätsel hat, hat hier mal wieder ordentlich was zu Knabbern.
Thomas Volkmann