Steve Jobs – The Lost Interviews

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Gibt es so etwas wie Blumenkinder-Kapitalismus? Wenn es ihn gibt, dann hat ihn vermutlich Steve Jobs erfunden, der charismatische Apple-Gründer, der im letzten Jahr verstarb. Sein Erfolg, seine Visionen und seine Persönlichkeit sind Gegenstand dieses Interviewfilms, dessen ursprüngliche Fassung lange Zeit verschwunden war. Robert Cringely führte das Gespräch 1995, kurz bevor Steve Jobs zu Apple zurückkehrte und damit eine beispiellose Erfolgsgeschichte weiterschrieb, die bis zu seinem frühen Tod währte.
Ein Film über Leidenschaft, Erfolg und Scheitern, über den Umgang damit und vor allem natürlich über Steve Jobs, den Hippie auf dem Thron der freien Marktwirtschaft. Interessant vor allem für Computer- und Applefans, aber auch für alle, die sich für Wirtschaft und Finanzen interessieren.

Webseite: www.nfp-md.de

Original mit Untertiteln
Dokumentarfilm
USA 1995
Regie: Paul Sen
Buch und Moderation: Robert X. Cringely
Kamera: John Booth und Clayton Moore
67 Minuten
Verleih: NFP marketing & distribution
Kinostart: 6. September 2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Er war ein Manager zum Kuscheln – nicht unbedingt für alle, die mit ihm zusammengearbeitet haben, aber in den Augen von Millionen, die ihn verehrten wie einen Popstar. Vielleicht gerade, weil er allen gezeigt hat, dass und wie das Märchen vom amerikanischen Traum tatsächlich funktionieren kann, also der Aufstieg von ganz unten nach ganz oben. Steve Jobs erzählt über seine Anfänge – als er gemeinsam mit Steve Wozniak den ersten Computer baute (mit Holzgehäuse!) und eine Box konstruierte, mit deren Hilfe man kostenlos Ferngespräche führen konnte. Mit 21 hatte er schon 1 Million Dollar, mit 22 waren es 10 Millionen und als er 23 Jahre alt war, wurde der Wert seiner Firma auf 100 Millionen Dollar geschätzt. Aber all das Geld war ihm nicht wichtig, denn für Steve Jobs zählten, laut eigenem Bekunden, die Menschen und die Firma. In einem Team gemeinsam mit anderen aus Ideen Produkte zu schaffen, das war eines seiner wichtigsten Ziele. Durchschnitt war seine Sache nicht – er wollte mit den Besten das Beste schaffen. Die größte Herausforderung, so scheint es, bestand für ihn darin, 5000 Details gleichzeitig im Kopf zu behalten, um mit Hartnäckigkeit und Fleiß etwas zu schaffen, was seinem Nutzer dient. Er wollte, dass die Kunden seine Produkte lieben, und zwar schon lange, bevor es iPad und iPhone gab. Das hat er erreicht – vielleicht so, wie es bisher keinem anderen gelang.

Wer eine gute Stunde lang Steve Jobs zuhört und ihn dabei beobachtet, kommt nicht umhin, sich Gedanken zu machen über diese Persönlichkeit. Da sitzt einer, der schon als Junge eine Vision hatte, die er knallhart durchgezogen hat. „Ich kümmere mich nicht darum, ob ich recht habe“, sagt er. „Ich kümmere mich um Erfolg.“ Aber dieser Typ ist kein Nerd, kein schüchterner Stubenhocker, sondern ein ziemlich lässiger, sehr sympathischer, sogar anziehender Kerl. Die Intelligenz blitzt ihm aus den dunklen Augen, er ist aufmerksam, hört sehr gut zu und stellt sich auch den kritischen Fragen mit großer Ernsthaftigkeit. Anfangs wirkt er noch etwas scheu, er bewegt sich kaum, gestikuliert wenig und ist redegewandt, aber nicht besonders lebhaft. Nach ungefähr 20 Minuten ändert sich das: Er wirkt lockerer, macht auch mal kleine Witzchen, lächelt, und man ahnt, warum es dieser Ausbund an Charme und Kompetenz so leicht hatte, erfolgreich zu werden und vor allem: zu bleiben.

Dass es einer gewissen Begeisterung für die Materie bedarf, um sich länger als eine Stunde anzusehen, wie Steve Jobs redet, ist klar. Dieser Film ist sicherlich eher ein Nischenprodukt, eine kleine Dokumentation, über die sich vor allem die zahllosen Apple- und Computerfans freuen werden. Und es wird die IT-Gemeinde amüsieren, dass Steve Jobs ganz nebenbei ein paar exquisite Bosheiten über Microsoft parat hält. Locker spricht er über die Vergangenheit, sehr nachdenklich wird er, wenn er über die Gegenwart von 1995 spricht. „Apple stirbt“, sagt er, und man merkt, wie sehr ihm das zu schaffen macht.

Zum Zeitpunkt des Interviews wusste Steve Jobs noch nicht, dass er mit seiner Firma Pixar und TOY STORY einen Film-Welterfolg landen und bald darauf zu Apple zurückkehren würde. Er selbst gibt sich bescheiden in der Rückschau auf sein damals vierzigjähriges Leben: Er hatte Glück, sagt er, dass er zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Und so war es wohl auch.

Die filmische Hommage an Steve Jobs endet unprätentiös – mit Namen, Geburts- und Todesjahr. Seine Leistungen, was Steve Jobs für die computergesteuerte Kommunikation zwischen Menschen in aller Welt getan hat, werden sicherlich nicht an seinen Worten gemessen werden, sondern so, wie er es selbst im Film sagt, an seinen Produkten. Die Firma Apple ist im Übrigen – wie soeben gelesen – mit mehr als 600 Milliarden Dollar inzwischen der wertvollste Konzern der Welt.

Gaby Sikorski