Still

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Mit „Bauer sucht Frau“ ist der heimische Landwirt längst zum populären Medienstar avanciert. Dass der Bauernhof auch zum lohnenden Beobachtungsobjekt jenseits schräger Lachnummern taugt, beweist diese einfühlsame Langzeitdokumentation höchst eindrucksvoll. Zehn Jahre begleitet die Kamera die selbstbewusste Bauerntochter Uschi, die sich auf der einsamen Alm wesentlich freier fühlt als im elterlichen Hof. Dort wird sie freilich dringend gebraucht. Soll die junge Frau den kaum rentablen Milch-Betrieb übernehmen? Alte Familientradition oder neue Selbstverwirklichung? Die Doku überzeugt durch eine angenehm zurückhaltende, unaufgeregte Erzählweise, bestechend schöne Schwarzweiß-Bilder sowie eine ebenso spannende wie sympathische Hauptfigur. Großes Doku-Kino im Kuhstall.

Webseite: www.zorrofilm.de

D 2013
Regie: Matti Bauer
Filmlänge: 80 Minuten
Darsteller: Uschi, Rosi, Stefan, Jakob, Tom
Verleih: Zorro-Film, Vertrieb: Die Filmagentinnen
Kinostart: 19. Juni 2014
Verleih-Infos hier...

Auszeichnungen:

Fünf Seen Film Festival 2013 - Auszeichnung mit dem Dokumentarfilmpreis

Pressestimmen:

"Unterhaltsam-pointierte Langzeitbeobachtung, die über zehn Jahre hinweg ein vielschichtiges Zeit- und Generationenbild zeichnet und als kurzweilige Collage aus Landschaftsbildern, Momentaufnahmen und dem Charme des bayerischen Dialekts für sich einnimmt."
Filmdienst

FILMKRITIK:

„Alm ist wie eine Sucht“ schwärmt die 22-Jährige Bauerntochter Uschi zu Beginn. „Die spinnt“, meint Mutter Rosi, die den Freiheitsdrang der selbstbewussten Tochter skeptisch sieht. Auf dem elterlichen Hof im bayrischen Oberland mit seinen 20 Kühen wird jede Hand dringend gebraucht. Vater Stefan würde mit seinen über 60 Jahren den Betrieb gern alsbald an die nächste Generation übergeben, aber „die Uschi“, so sagt er gleichmütig, „die ist noch nicht so weit.“ Die junge Frau hatte eben schon immer ihren eigenen Kopf, hat als Kellnerin und Gärtnerin gearbeitet oder bereiste Neuseeland, Thailand und Südamerika. „Ich hab' eigentlich immer gemacht, was ich machen wollte“, erzählt sie, ohne dass es besonders Stolz klingt. Mit ein paar Kühnen und ihrer Ziege macht sie sich auf den Weg in Berge, wo sie auf einer Hütte den Sommer als Sennerin verbringen wird. „Weiberwirtschaft“ sagt Uschi dazu lachend und berichtet zwischen Melkschemel und Butterfass davon, wie reizvoll in dieser Abgeschiedenheit die große Stille und die Nähe zu den Tieren sei. Die hübsche Idylle hat indes auch manche Kehrseiten: Vom strömenden Regen über entlaufene oder kranke Kühe bis zum täglichen Stallmisten. „Man muss schon etwas robust sein“, meint die Bäuerin lakonisch über ihren Beruf.
 
Im Winter setzt Regisseur Matti Bauer seinen Film fort. Uschi ist zurück auf dem elterlichen Hof und mittlerweile schwanger. Vom Vater des Kindes erfährt man nichts, dabei wünscht sich Altbäuerin Rosi sehnlichst einen passenden Schwiegersohn und träumt vom verdienten Ruhestand. „Endlich einmal machen, was ich möchte und nicht was ich müssen muss“, beschreibt sie ihre Stimmung. Zwei Jahre später, bei einem abermaligen Besuch, fragt sie der Filmemacher, ob sie in ihrem Leben etwas anders machen würde? „Alles!“, antwortet Rosi ohne Zögern, „weil es mir nicht gefallen hat. Aber unglücklich bin ich nicht.“ Man glaubt ihr beides gleichermaßen.
 
Momente wie diese sind typisch für dieses Porträt, das ebenso sensibel wie schnörkellos seine drei Akteure auf Augenhöhe zu Wort kommen lässt: Teilnehmende Beobachtung der gelungenen Art, die sich auf wahrhaftige Weise ihren Subjekten nähert. Mit diesem Konzept kann der studierte Völkerkundler Matti Bauer auf geschwätzige Kommentare ebenso gut verzichten wie auf manipulative Musik. Die Figurenaufstellung erweist dabei als echter Glücksfall: Der fast knorrige Vater, der nicht viele Worte verliert oder großartig Gefühle offenbart. Und der doch immer wieder spüren lässt, dass er bei aller Sturheit und Traditionsliebe die aufmüpfige Tochter versteht. Oder der mit feuchten Augen verfolgt, wenn eine seiner Kühe ihre letzte Reise zum Schlachthof antritt. Als Kontrast dazu seine Ehefrau, die sich wie selbstverständlich in das Schicksal mühseliger Arbeitsjahre fügte, rückblickend durchaus verpasste Freiräume beklagt jedoch mit trotziger Tapferkeit sich ihre fröhliche Herzlichkeit bewahrt.
 
Für Uschi wäre solch ein genügsames Leben zu wenig. Zugleich ist sie ein stolzes „Bauern-Dirndl“, das sich durch ihre Arbeit definiert. Nach langem Überlegen wird sie, drei Jahre später, den Hof schließlich übernehmen, wenngleich die finanziellen Aussichten für einen so kleinen Betrieb kaum rosig ausfallen und Umstrukturierungen unabdingbar sind. In dieser prekärer Lage wünscht sich Uschi bisweilen „mehr Lebensmittelskandale, damit die Menschen die Lebensmittel zu schätzen wissen“, aber vielleicht bringt sie den Laden fortan mit ihrem neuen Partner Tom, einem Piloten, wieder in Schwung. Die Leidenschaft für die Landwirtschaft hat letztlich nicht nur die junge Bäuerin vom Weitermachen überzeugt. Der mittlerweile sechsjährige Sohn scheint bereits ähnliche Absichten zu hegen. Als Berufswunsch gibt Jakob zu Protokoll: „Jäger. Angler. Golderforscher. Dinosaurierausgräber. Und Bauer. Damit ich den Betrieb weiter führen kann.“
 
Eine visuell virtuose Landpartie, ein warmherziges Porträt über spannende Figuren und ihre Lebensträume. Großes Doku-Kino im Kuhstall: „Bäuerin sucht Sinn“.

Dieter Oßwald