Stoker

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Darauf haben viele Filmfans lange gewartet: Park Chan-wook, der koreanische Meisterregisseur moderner Klassiker wie „Oldboy“ und „Durst“, gibt sein Hollywood-Debüt. In der Familiengeschichte der etwas anderen Art spielen Nicole Kidman und Nachwuchs-Star Mia Wasikowska („Jane Eyre“) die Hauprollen. Das Drehbuch stammt aus der Feder eines unerwarteten Neu-Autors: Schauspieler Wentworth Miller („Prison Break“) feilte acht Jahre lang an der Geschichte.

Webseite: www.fox.de

USA/GB 2013
Regie: Park Chan-wook
Buch: Wentworth Miller
Darsteller: Mia Wasikowska, Nicole Kidman, Matthew Goode, Dermot Mulroney, Alden Ehrenreich
Verleih: Fox
Kinostart: 9. Mai 2013

PRESSESTIMMEN:

"Selten wurden psychische Abgründe betörender bebildert..."
STERN

FILMKRITIK:

An ihrem 18. Geburtstag stirbt der geliebte Vater von India Stoker (Mia Wasikowska) bei einem mysteriösen Autounfall. Sie bleibt allein mit ihrer verhassten Mutter Evie (Nicole Kidman) in der riesigen Familien-Villa zurück. Beim Begräbnis des Vaters aber taucht dessen Bruder Charlie (Matthew Goode) auf, der die letzten Jahre angeblich in Europa verbrachte. Nicht nur, dass Charlie künftig bei den Stokers wohnen wird – zwischen ihm und der depressiven Evie scheint sich auch eine Beziehung zu entwickeln, die über verwandtschaftliche Bande hinausgeht. India, die sich ungern berühren lässt, in der Schule eine Außenseiterin ist und sich in Tagträumen verliert, steht dem Gast misstrauisch gegenüber. Bald entdecken die beiden aber eine ungeahnte Seelenverwandtschaft, die eng mit Charlies wahrer Vergangenheit zusammenhängt. Als India von einem Klassenkameraden sexuell bedrängt wird, greift Charlie ein – und bringt damit eine India zur Entfaltung, für die Gewalt die wahre Poesie im Leben ist.

Regisseure aus dem asiatischen Raum haben es in Hollywood zunächst oft schwer. Man denke an John Woo, der einen langen Anlauf brauchte, um schließlich mit „Im Körper des Feindes“ (1997) das lang ersehnte Meisterwerk abzuliefern. Ähnlich könnte es Park ergehen, so er denn einen längeren Aufenthalt plant. Mit „Stoker“ präsentiert er einen Film, der sich mit seiner visuellen Intensität und Expressivität hinter keinem anderen seines großartigen Werkes verstecken muss, der aber mit einer überraschungsarmen und gewollt wirkenden Geschichte durchaus enttäuscht. Erstmals überwuchert hier die Lust am visuellen Experiment das inhaltliche Fundament.

Das mag durchaus damit zu tun haben, dass sich Park in den USA kulturell fremd fühlt. So verschanzt sich „Stoker“ dann auch gleichsam hinter seinem Setting, einer viktorianischen Villa, und hat nur wenig Berührungspunkte mit gesellschaftlich relevanten Themen. Die aber machen – wenn auch meist nur unterschwellig – einen wichtigen Teil von Parks Werk aus, der selbst in Südkorea politisch sehr aktiv ist. „Stoker“ hingegen wirkt wie eine Übung, ein Sich-Hineinarbeiten in westliche Erzähltraditionen und Befindlichkeiten. Eine Mischung aus Kammerspiel, Psycho-Thriller, Familien-Drama und schwarzer Romantik, bietet der Film sehr wenige Überraschungen. Am besten ist er dann, wenn er die Dinge in der Schwebe hält und mittels der für Park typischen Bilder und Montagen verfremdet – eine Spinne, die an Indias Bein hochläuft, die rätselhaften Steine im Garten, die Schuhe. Das aber gelingt „Stoker“ nur selten.

Millers Drehbuch neigt dazu, alles auszubuchstabieren und den Geschehinissen so ihren doppelten Boden, ihr Geheimnis zu nehmen. Sehr schnell wird klar, dass Charlie nicht der ist, für den er sich ausgibt, und das mit ihm Mord und Totschlag die Familie heimsuchen. Überraschend ist dann aber doch, wie India darauf reagiert. Wieder bringt Mia Wasikowska hier eine Figur zum Oszilieren – allein sie ist einen Kinobesuch allemal wert. Und es ist auch interessant, einem großen Regisseur dabei zuzusehen, wie er sich in eine für ihn fremde Kultur vorwagt. Dem Vernehmen nach soll sein neues Projekt eine US-Version von Costa-Gavras‘ Sozial-Thriller „Die Axt“ sein. Damit wird er sicher überzeugender den Rissen der dortigen Gesellschaft nachspüren.

Oliver Kaever

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