The Loneliest Planet

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Im weitesten Sinne um die Rollen von Mann und Frau in der modernen, emanzipierten Welt dreht sich „The Loneliest Planet“, der zweite Film von Julia Loktev („Day Night Day Night“). Dabei gelingt es der Regisseurin nicht immer, ihre zwar spannende, aber oft auch sehr thesenhafte Geschichte, die zudem betont spröde und distanziert inszeniert ist, mit Leben zu füllen. Ein höchst sperriges Stück Arthouse-Kino.

Webseite: www.theloneliestplanet-derfilm.de

USA/ Deutschland 2011
Regie, Buch: Julia Loktev
Darsteller: Hani Furstenberg, Gael Garcia Bernal, Bidzina Gujabidze
Länge: 113 Minuten
Verleih: Camino Filmverleih
Kinostart: 3. Januar 2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Alex (Gael Garcia Bernal) und Nica (Hani Furstenberg) sind um die 30, Weltenbummler und schwer verliebt. Abseits ausgetretener Touristenpfade hat es sie in die ehemalige russische Teilrepublik Georgien geführt, wo sie den einheimischen Bergführer Dato (Bidzina Gujabidze) engagieren, der sie auf einer mehrtägigen Wanderung begleiten soll. Mit leichtem Gepäck macht man sich auf den Weg, die Stimmung ist ausgelassen, dass Paar albert herum, versucht mit Dato ins Gespräch zu kommen, genießt das Leben. Bis man auf eine Gruppe Einheimischer trifft und sich Alex in einem Moment der Schwäche alles andere als männlich verhält.

Zwar ist dieser Moment schnell vorbei, doch danach ist nichts mehr wie es war. Die Fröhlichkeit ist verschwunden, sprachlos wandert das Trio weiter, fern der Zivilisation, verloren in der Einsamkeit der Natur, der Einsamkeit der eigenen Gedanken und Wertvorstellungen. Raum für eine Aussprache gibt es unter diesen Bedingungen nicht, kleine Momente müssen reichen, um das zerstörte Vertrauen zwischen Alex und Nica wieder herzustellen. Und zunehmend wird auch Dato zu mehr als einem neutralen Begleiter.

Äußerlich passiert sehr wenig, in den gut 110 Minuten von Julia Loktevs zweitem Film. Schon in ihrem Debüt „Day Night Day Night“, der von einer Selbstmordattentäterin erzählte, hatte die aus Russland stammende Regisseurin auf eine ausgeprägte Handlung verzichtet und eine psychologische Studie inszeniert. Das gelingt ihr in „The Loneliest Planet“ nur bedingt. Die Diskrepanz zwischen spröder, distanzierter Inszenierung, die ganz betont ohne dramatische Höhepunkte erzählt, und den unter der Oberfläche angedeuteten Themen, bleibt in diesem Fall ein Hindernis, das nicht immer überbrückt wird.

Worum es Loktev geht, lässt sich manchmal nur erahnen, ist manchmal aber überdeutlich: Mit Nica steht eine selbstbewusste, emanzipierte Frau im Mittelpunkt, die Hilfe meist ablehnt, autark sein, aber dennoch als Frau wahrgenommen werden will. In diesem Rollenverhältnis sucht Alex seinen Platz und hat zunehmend Schwierigkeiten, ihn zu finden. Wenn das Paar anfangs in einer Bar sitzt und ein etwas zudringlicher, angetrunkener Einheimischer Nica zum Tanzen auffordert, lässt Alex dies zu, er will schließlich tolerant und weltoffen wirken. Doch später, wenn er in einem reflexhaften Moment Schwäche zeigt, wirkt er gerade angesichts der rohen, archaisch anmutenden Bergwelt wenig männlich. Was Loktev über diese Strukturen, das sich verändernde Geschlechterverhältnis erzählt ist absolut zeitgemäß und spannend. Doch tut sie es auf derart akademische Weise, dass ihr Film oft wie eine klinische Versuchsanordnung wirkt, in der ein Trio exemplarischer Wesen analysiert werden sollen.

Distanziert inszeniert, meist in langen, starren Einstellungen gefilmt, in denen Musik nur punktuell eingesetzt ist, auch Dialoge nur sparsam und oft enigmatisch stattfinden, gelingt es ihr kaum, ihre Figuren wie Menschen wirken zu lassen, deren verwirrende, verworrene Emotionen berühren. Während Gael Garcia Bernal dabei noch von seiner natürlichen Ausstrahlung profitiert, wirkt Hani Furstenberg zunehmend angestrengt, scheint ihre Darstellung mehr von der betonten Komplexität einer exemplarischen Frau bestimmt, als von nachvollziehbaren Emotionen. So interessant viele der angedeuteten Fragen und Probleme auch sind, bleibt „The Loneliest Planet“ am Ende doch ein etwas zu kaltes, zu akademisches Stück Arthouse-Kino, dass seine intellektuelle Substanz nicht immer in filmische Qualität umzusetzen vermag.

Michael Meyns

Alex und Nica sind verlobt. „Im November“ wollen sie heiraten. Mit Rucksack und Zelt sind sie schon viel in der Welt herumgereist. Jetzt gerade sind sie in Georgien. Den Kaukasus wollen sie erwandern. Der Bergführer ist bereits gefunden. Es kann losgehen.

Endlose, abgeschiedene, wilde, grüne Matten, Felsen, Tropfsteinhöhlen, reißende Bäche, lange Wege - und lange, sehr lange filmische Einstellungen. Immer zu dritt.

Aus einer ganzen Gruppe georgischer Männer haben Nica und Alex den Bergführer Dato ausgewählt. Der ist ein eher schweigsamer Mann. Erst nach sehr langer Zeit taut er ein wenig auf, erzählt einiges aus seinem Leben und die eine oder andere Anekdote.

Tagelang geht es bergauf und bergab. Die Landschaft könnte abgelegener nicht sein – aber auch nicht schöner (was auch für die Aufnahmen gilt). Das verliebte Paar scheint sich wohl zu fühlen. Das springt ins Auge.

Dann ein Vorfall. Alex benimmt sich nicht gentlemanlike. Jetzt kommt die Kühle nicht mehr nur von außen, sondern auch von innen. Die beiden trotten in einiger Entfernung nebeneinander her. Lange.

Wann kommt es wieder zur Verzeihung und Annäherung – oder ist etwas kaputt gegangen? Ist Nicas nächtliches Gespräch mit Dato, das mit einem Kuss endet, die unmittelbare Folge? Wäre es besser, wenn sie nun allein wären und nicht immer Dato um sich hätten?

„Ein langer Trip nirgendwohin“, so etwa heißt der Titel der Kurzgeschichte, die zugrunde liegt. Und tatsächlich spielen aufkommende Irritationen, eine gewisse Unwägbarkeit, ja Verlorenheit eine Rolle – gleich einem Weg, von dem man nicht weiß, wohin er genau führt.

Kein leicht zu verstehender Film, aber einer, der zu denken gibt; dessen Rhythmus zum Innehalten veranlasst; einer, hinter dem mehr steckt, als man bei oberflächlicher Betrachtung annehmen würde . . .

. . . einer, in dem die drei Darsteller, Gael Garcia Bernal (Alex), Hani Fürstenberg (Nica) und Bidzina Gujabidze (Dato) sehr präsent sind. (Gujabidze ist übrigens Georgiens bester Bergsteiger, der bereits mehrere Achttausender erklettert hat.)

Die Regisseurin: „Mir geht es nicht um Situationen, in denen guten Menschen Schlechtes widerfährt. Mir geht es um Situationen, in denen gute Menschen Schlechtes tun. Weder Alex noch Nica agieren so, wie sie es von sich selbst oder vom anderen erwarten würden.“

So etwas wie ein meditativer, weitgehend dokumentarischer Wander- und Liebesfilm. Eher etwas für Filmkunsttheater und Programmkinos und für Zuschauer, die sich einer delikaten emotionalen Aufgabe stellen wollen.

Thomas Engel