verlorene Zeit, Die

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Zwischen Polen am Ende des Zweiten Weltkriegs und dem New York der Siebziger Jahre inszeniert Anna Justice eine jüdisch-polnische Liebesgeschichte, die durch schicksalhafte Umstände zu Ende geht. Ein gediegen gefilmtes Drama mit überzeugenden Darstellern (bei dem aber die eigentlich interessante Geschichte erst mit Ende des Films beginnt).

Webseite: www.movienetfilm.de

Deutschland 2011
Regie: Anna Justice
Buch: Pamela Katz, Anna Justice
Darsteller: Alice Dwyer, Mateusz Damiecki, Dagmar Manzel, Shantel vanSanten, David Rasche, Susanne Lothar
Länge: 105 Minuten
Verleih: Movienet Film
Kinostart: 24. November 2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Auch dieses Drama über den Zweiten Weltkrieg, die Konzentrationslager, das schwierige deutsch-jüdisch-polnische Verhältnis basiert auf wahren Begebenheiten. Kein Wunder also, dass vieles an „Die verlorene Zeit“ bekannt wirkt. Erzählt wird in zwei Zeitebenen: Im New York des Jahres 1976 lebt Hannah Levine (Dagmar Menzel) zusammen mit Mann und Kind in geordneten Verhältnissen. Bis sie zufällig ein Fernsehinterview sieht, das die Erinnerung an ihre Vergangenheit heraufbeschwört. Sie glaubt den Mann wieder erkannt zu haben, der ihr einst das Leben rettete, der ihre große Liebe war, den sie aber in den Wirren des Krieges verloren hatte. Es ist Tomasz (Lech Mackiewicz), ein Pole, den sie 1944 in einem Konzentrationslager kennen lernte.

In diesen letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs spielt die zweite Ebene. Auch wenn das Ende des Krieges absehbar scheint, beschließt das Paar (nun gespielt von Alice Dwyer und Mateusz Damiecki) zu fliehen, was auch überraschend leicht gelingt. Doch die eigentlichen Probleme beginnen erst nach der Flucht. Tomasz Mutter Stefania (Susanne Lothar) entpuppt sich als Antisemitin, die die Verbindung ihres Sohns zu einer Jüdin nicht dulden will. Nur widerwillig unterstützt die Mutter ihren Sohn, der Hannah bald alleine lässt, um den polnischen Widerstandskämpfern Beweise für die Verbrechen der Nazis zu übergeben. Eine Trennung, die nur ein paar Tage dauern sollte, aber endgültig sein wird.

Zwischen diesen beiden Zeitebenen springt der Film alle paar Minuten hin und her, was dem Erzählfluss alles andere als gut bekommt. Zumal die 1944 spielende Ebene sich darauf beschränkt, die schon in unzähligen Filmen gezeigten Stereotypen zu variieren: Von sadistischen KZ-Aufsehern über tapfere polnische Widerstandskämpfer bis zur Willkür der russischen Armee wird kaum etwas ausgelassen. Wesentlich interessanter ist da die zeitgenössische Ebene.

Hier wäre der Stoff für einen wirklich interessanten Film gewesen. Eine Frau, die zwischen ihrem augenscheinlich glücklichen Leben und der zufällig aufgetauchten Hoffnung, ihre verloren geglaubte große Liebe wiederzufinden, hin und her gerissen ist. Ansatzweise thematisiert „Die verlorene Zeit“ die hierdurch entstehende Situation, zeigt Hannahs zunehmend erratisches Verhalten, die Bemühungen ihre Mannes, sie zu verstehen, und gleichzeitig in Polen die späte Erkenntnis Tomasz, von seiner Mutter belogen und um seine große Liebe gebracht worden zu sein. Die emotionalen Verwirrungen jedoch, die aus dieser vertrackten Situation entstehen, werden kaum mehr als angedeutet.

So bleibt man dann mit vielen Fragen zurück: Wie sich das Wiedersehen Hannas und Tomasz gestaltet, wie Tomasz mit dem Verrat seiner Mutter umgeht. Man hätte gern mehr darüber erfahren und dafür gern auf die zwar soliden, aber letztlich doch nicht mehr als generischen Szenen während des Zweiten Weltkriegs verzichtet. Am Ende zerfällt „Die verlorene Zeit“ in zwei Hälften unterschiedlicher Qualität, die zusammengenommen einen im Ansatz interessanten, aber nur bedingt gelungenen Film formen.

Michael Meyns

1944. Die deutsche Jüdin Hannah Silberstein und der ebenfalls junge Pole Thomasz Limanowski lernen sich im Konzentrationslager kennen und lieben. Durch geheime Schmugglerei und den Widerstand im Lager kann Tomasz eine SS-Uniform organisieren. Den beiden gelingt damit die Flucht aus dem KZ.

Nach beschwerlichen Tagen erreichen sie Tomasz’ Haus. Die Mutter ist eine strenggläubige, beinahe fanatische Katholikin und will keine Jüdin als Frau für ihren Sohn. Deshalb bringt Tomasz diese zu seinem Bruder Czeslaw und dessen Frau Magda. Tomasz selbst schließt sich in Warschau dem polnischen Widerstand gegen die Nazis und die Wehrmacht an.

Nach seiner Rückkehr lügt seine Mutter ihn an – angeblich um ihn nicht wieder zu verlieren: Hannah sei tot.

1976. In New York hört Hannah Levine, geborene Silberstein, per Zufall im Fernsehen einen Mann von der KZ-Zeit berichten. Sie glaubt, ihren Tomasz von damals wiederzuerkennen. Völlig verstört ringt sie tagelang mit sich, ihrem Mann Daniel und ihrer Tochter Rebecca alles verschweigend. Dann macht sie seine polnische Telefonnummer ausfindig und telefoniert mit diesem Mann. Er ist es. Hannah muss nach Polen reisen – um mit der Vergangenheit abzuschließen.

Eine politische Geschichte, ein Beitrag zur Aufarbeitung von Vergangenheit und eine anrührende Liebestragödie. Immer wieder fließen die beiden Zeitebenen ineinander, dramaturgisch hat das ziemlich gut geklappt. Erstaunlich wie mit verhältnismäßig geringen Finanzmitteln das Lagerleben sowie die Atmosphäre in New York glaubhaft geschildert werden konnten. Ein Lob den Ausstattern.

Die Handlung ist auf jeden Fall durchgehend bewegend – ein Bild in den unglücklichen Strudel jener Zeit gerissener menschlicher Schicksale. Für Hannah und Tomasz „die verlorene Zeit“.

Ein solcher Film steht und fällt natürlich auch mit den Fähigkeiten der eingesetzten Schauspieler. Hier ist eine künstlerisch interessante deutsch-polnische Truppe am Werk. Alice Dwyer spielt die völlig in ihrer Liebe zu Tomasz aufgehende junge Hannah, Dagmar Manzel die von Unwissenheit und Wehmut geplagte Hannah in späteren Jahren. Susanne Lothar hat die undankbare aber gut gespielte Rolle von Tomasz’ Mutter inne. Die Männerrollen werden von Mateusz Damiecki (Tomasz) und David Rasche (Ehemann von Hannah in den späteren Jahren) glaubwürdig dargestellt. Dazu kommen noch in kurzen aber überzeugenden Parts Joanna Kulig als Magda und Florian Lukas als SS-Offizier Hans von Eidem.

Thomas Engel