Toedliche Entscheidung

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Er was u.a. fünfmal für den Oscar nominiert, erhielt diesen aber erst im Alter von 80 Jahren für sein Lebenswerk. Sidney Lumet ist zweifellos einer der ganz Großen seines Fachs. Das untermauert er auch mit seiner jüngsten Arbeit Tödliche Entscheidung – Before the Devil knows You’re Dead, in der er eine erschütternde Familientragödie vor dem Hintergrund eines klassischen Heist-Plots ablaufen lässt. Das Drehbuch von Kelly Masterson blickt mit beängstigender Klarheit tief in menschliche Abgründe. In der Hauptrolle brilliert einmal mehr Philip Seymour Hoffman.

Webseite: www.neuevisionen.de

OT: Before the Devil knows You’re Dead
USA 2007
Regie: Sidney Lumet
Drehbuch: Kelly Masterson
Produktion: Michael Cerenzie, William S. Gilmore
Musik: Carter Burwell
Mit Philip Seymour Hoffman, Ethan Hawke, Albert Finney, Marisa Tomei, Rosemary Harris, Brian F. O'Byrne
Laufzeit 117 Minuten
Verleih: Koch Media (Neue Visionen)
Kinostart: 10.4.2008

PRESSESTIMMEN:

Mit fabelhaften Hauptdarstellern aufwartender Thriller um den Versuch zweier Brüder, sich durch einen Überfall auf den elterlichen Juwelierladen aus der finanziellen Misere zu retten. Der Genrefilm entwickelt sich zur klassischen Tragödie, in der sich alle Entscheidungen letztlich fatal auswirken. Ein meisterliches Alterswerk, das an die Blütezeit des New Hollywood anknüpft. - Sehenswert.
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FILMKRITIK:

Es ist ein geradezu teuflischer Plan, den sich Andy (Philip Seymour Hoffman) da ausgedacht hat. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Hank (Ethan Hawke) will er ausgerechnet das Juweliergeschäft seiner Eltern ausrauben. Das – so sein Argument – kennen sie wie ihre Westentasche. Warum sollten sie daher das unnötige Risiko eingehen, ein Ihnen unbekanntes Objekt auszukundschaften? Außerdem sei der gesamte Schmuck versichert. Der finanzielle Schaden hätte somit allein die Assekuranz zu tragen. Weil sich Hanks Komplize Bobby (Brian F. O'Byrne) jedoch nicht an die Spielregeln hält und eine echte Waffe während des Überfalls bei sich trägt, endet das in der Theorie scheinbar perfekte Verbrechen in einem blutigen Fiasko. Statt mit der wertvollen Diebesbeute stehen Andy und Hank letztlich mit leeren Händen da, an denen das Blut ihrer eigenen Mutter (Rosemary Harris) klebt. 

Im fortgeschrittenen Alter von 83 Jahren drehte Regie-Veteran Sidney Lumet einen unglaublich bitteren, ausweglosen Film, der von seiner Prämisse an ein Heist-Movie erinnert, letztlich aber vor allem eine Geschichte über persönliche Schuld und familiäre Zerwürfnisse erzählt. Mit jeder Szene eröffnen sich einem neue Fragen. Fragen, auf die der Film nicht zwangsläufig auch eine klare Antwort bereithält. Was treibt Andy zu dieser Tat? Benötigt er das Geld, um mit seiner Frau Gina (Marisa Tomei) in Brasilien noch einmal von vorne anzufangen oder dient es zur Finanzierung seiner Drogensucht? Indem Lumet die Ereignisse um den tragischen Überfall aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet und dabei in der Zeit vor- und zurückspringt, verweigert sich Before the Devil knows you’re dead geschickt der Dramaturgie eines gewöhnlichen Crime-Dramas. Der Wechsel der Perspektive schafft Distanz zum Geschehen, aber nicht zu den Charakteren, auf die Lumet und das Drehbuch von Kelly Masterson erkennbar das Hauptaugenmerk legt.

Oscar-Preisträger Philip Seymour Hoffman liefert in de Rolle des gerissenen Andy eine erneute Kostprobe seiner schauspielerischen Extraklasse ab. Egal ob er Truman Capote, den Widersacher von Tom Cruise in Mission: Impossible 3 oder einen skrupellosen, drogenabhängigen Möchtegern-Yuppie mimt, Hoffman scheint jedes Mal hinter den Vorgaben seiner Rolle förmlich zu verschwinden. Als Andy gelingt ihm ein nicht gerade leichter Spagat. Einerseits zeichnet Hoffman seinen Filmcharakter als Getriebenen, andererseits ist er selber die treibende Kraft hinter dem Überfall auf den Juwelierladen seiner Eltern. Man wird nie ganz schlau aus dem, was er sagt und wie er sich verhält. Ethan Hawke zieht gegen Hoffmans Leinwandpräsenz den Kürzeren, was nicht bedeutet, er würde seinen Part nicht überzeugend ausfüllen. Neben Hawke und Hoffman verkörpert der Brite Albert Finney als Andys und Hanks Vater den dritten zentralen Charakter der Geschichte. Seinem von Trauer und Hass gekennzeichneten Familienoberhaupt schenkt der Film ein kompromissloses Finale, das ihm eine letzte, irreversible Entscheidung abverlangt.

Wie in einem Uhrwerk greift hier ein Rad in das nächste. Das mitanzusehen, fällt nicht immer leicht. Zuweilen schleicht sich das Gefühl ein, Augenzeuge eines gewaltigen Autocrashs zu werden, bei dem alle Beteiligten sehenden Auges auf ihr Verderben zusteuern und dabei statt der Bremse das Gaspedal betätigen. Sidney Lumet schuf mit Before the Devil knows you’re dead ein beklemmendes und zutiefst pessimistisches Alterswerk. Ein Film, der mehr Melodram als Krimi ist, und dessen schmerzhaftes Ende noch lange in Erinnerung bleiben dürfte.

Marcus Wessel

 
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Andy ist mit der schönen Gina verheiratet, aber die Ehe steht vor dem Scheitern. Auch spricht er den Drogen zu, und das kostet Geld. Deshalb unterschlägt er ab und zu Finanzmittel in seiner Firma. Da aber jetzt eine Steuerprüfung bevorsteht, muss er den Schaden schnell beheben.

Seinen jüngeren Bruder Hank stiftet er daher dazu an, ein Juweliergeschäft zu überfallen. Praktischerweise soll es das Geschäft der eigenen Eltern Charles und Nanette sein, denn da wissen die Söhne die Codes, da kennen sie sich aus, können alles schnell über die Bühne bringen, im Nu reich werden – den Verlust zahlt ohnehin die Versicherung.

Hank heuert ohne Andys Wissen den Kleinkriminellen Bobby an, der den Einbruch durchführen soll, während er im Auto wartet. Doch dann kommt alles anders, als die beiden Brüder es sich vorgestellt hatten. Im Laden arbeitet nicht wie angenommen eine Aushilfe, sondern die resolute Nanette, die auf Bobby schießt. Der fällt tot um. Nanette ist lebensgefährlich verletzt. Sie wird es ebenfalls nicht schaffen.

Hank und Andy sind wegen des Todes der Mutter verzweifelt und gleichzeitig in höchster Gefahr. Denn da braut sich etwas zusammen. Bobbys Leiche gibt der Polizei Anhaltspunkte, ein Hehler wird ausfindig gemacht, und der Bruder von Bobbys Witwe erpresst die beiden Brüder. 

Außerdem macht sich Charles, der wegen des Todes seiner Frau sein Leben als nutzlos und zerstört ansieht, mit Rachegefühlen auf die Suche nach den Einbrechern. Dass es sich um die eigenen Söhne handelt, kann er zunächst natürlich nicht ahnen. Doch dann bleibt die Rache nicht aus.

Ein überaus gelungener Familien-, Spannungs- und Rachekrimi. Der nun über 80jährige Hollywood-Altmeister Sidney Lumet hat nach langer Zeit wieder einen Volltreffer gelandet. Verschachtelt, aber stichhaltig und fesselnd bietet sich die Vorlage. Und was der Regisseur daraus gemacht hat, ist künstlerisch gewichtig. Man sitzt ziemlich gebannt vor der Leinwand. Es dürfte sich um einen der besten Filme handeln, die Lumet gedreht hat.

Es hat auch mit dem Cast zu tun, der sich wie ein exquisites Menu liest. Albert Finney spielt abgeklärt den Vater Charles, Philip Seymour Hoffman ist der Verlierer Andy, Ethan Hawke der unschlüssige, versagende Hank und Marisa Tomei die schöne unglückliche Gina. Sie bilden die Familie, die aus Sucht, Gier und Schuld auseinander bricht.

Thomas Engel