Tuer, Die

Zum Vergrößern klicken

Seit fünf Jahren gibt sich David die Schuld am Tod seiner Tochter. Doch nun bekommt er ganz unverhofft eine zweite Chance. Durch eine mysteriöse Tür gelangt er zurück in die Vergangenheit. Tatsächlich rettet er seinem Sprössling diesmal das Leben. Wirklich glücklich wird er dadurch allerdings nicht. In der Verfilmung von Akif Pirinçcis Roman „Die Damalstür“ erzählt Regisseur Anno Saul eine düstere Mischung aus Familientragödie und Fantasythriller. Mit Mads Mikkelsen und Jessica Schwarz in den Hauptrollen.

Webseite: www.senator.de

Deutschland 2009
Regie: Anno Saul
Drehbuch: Jan Berger
nach dem Roman „Die Damalstür“ von Akif Pirinçci
Darsteller: Mads Mikkelsen, Jessica Schwarz, Thomas Thieme, Heike Makatsch, Valeria Eisenbart
Verleih: Senator/Central
103 Minuten
Kinostart: 12.11.2009

PRESSESTIMMEN:

...

FILMKRITIK:

Vermutlich haben wir uns alle schon einmal gewünscht, einen Fehltritt oder wenigstens eine dumme Unachtsamkeit aus unserer persönlichen Vergangenheit rückgängig machen zu können. Die Verfilmung von Akif Pirinçcis Roman „Die Damalstür“ lässt genau diese Wunschvorstellung für einen verzweifelten Familienvater Wirklichkeit werden. Doch glücklich wird er durch die unverhoffte Wiedergutmachung nicht.

Nur einen Moment hat David Andernach (Mads Mikkelsen) nicht aufgepasst. Statt sich um seine Tochter zu kümmern, hat sich der Kunstmaler lieber mit einer Nachbarin vergnügt. Währenddessen ist die kleine Leonie (Valeria Eisenbart) in den Pool gefallen und ertrunken. Fünf Jahre ist das inzwischen her. Bis heute plagen David schwere Selbstvorwürfe. Seine Ehe mit Maja (Jessica Schwarz) ist durch das Unglück ebenfalls zerbrochen. Doch David erhält eine zweite Chance. Durch eine mysteriöse Tür gelangt er fünf Jahre in die Vergangenheit zurück. Tatsächlich schafft er es diesmal, seine Tochter rechtzeitig aus dem Becken zu fischen. David ist überglücklich. Sein neu gewonnenes Familienglück ist allerdings nur von kurzer Dauer.

Nach den leichten Komödien „Wo ist Fred?“ und „Kebab Connection“ wendet sich Regisseur Anno Saul diesmal dem Fantasygenre zu. In der Romanverfilmung „Die Tür“ verbindet der gebürtige Bonner eine schwermütige Familientragödie mit mystischem Gänsehautkino.

Aus der inhaltlichen Ausgangslage hätte dabei durchaus ein philosophischer Thriller über die Zusammenhänge von Zufall und Schicksal entwickelt werden können. Doch auf derart fatalistische Ansätze kommt es Saul offensichtlich nicht an. Vor allem im letzten Filmdrittel setzt er vielmehr auf die Stilmittel eines klassischen Gruselfilms. Chaos, Blut und panische Menschen inbegriffen.

Allerdings kommt bereits die Rückkehr des Kunstmalers nicht ohne Gewalt aus. Kurz nachdem er seine Tochter aus dem Pool ziehen kann, steht er plötzlich seinem Ich aus der Vergangenheit gegenüber, das er in einem wüsten Handgemenge versehentlich tötet und anschließend im Vorgarten vergräbt.

Die meiste Zeit ist der dänische Hauptdarsteller Mads Mikkelsen („Nach der Hochzeit“) daraufhin damit beschäftigt, den ungewöhnlichen Selbstmord vor seiner Familie und den Nachbarn zu vertuschen. Bei seiner Ehefrau, gespielt von Jessica Schwarz („Kammerflimmern“), hat er hierbei durchaus Erfolg. Sie hegt zunächst keinen Verdacht gegen ihren inzwischen sichtbar ergrauten Gatten. Nur seine Tochter erkennt ihn nicht wieder. Sie verleugnet ihn sogar. Das hatte sich der verzweifelte Mann alles ganz anders vorgestellt.

„Die Tür“ gefällt durch seine schwermütige Grundstimmung und die ansehnliche Besetzung, die in den Nebenrollen von Heike Makatsch („Hilde“) und Thomas Thieme („Effi Briest“) ergänzt wird. Der Film bietet über weite Strecken solides Gruselkino mit einem gewissen Anspruch. Ganz am Ende verliert er jedoch ein wenig seine nachdenkliche Linie. Stattdessen gewinnen tumultartige Szenen und allzu bizarre Zufälle die Oberhand, die in dieser ausgeprägten Form nicht nötig gewesen wären.

Oliver Zimmermann

Der Grundgedanke der Geschichte ist so einfach wie verführerisch: Was wäre, wenn man Geschehenes ungeschehen machen könnte, wenn man zurück in die Vergangenheit reisen könnte, um ein verhängnisvolles Ereignis zu verhindern. Diese Gelegenheit bekommt der Maler David (Mads Mikkelsen). Durch einen Tunnel geht er fünf Jahre in die Vergangenheit, kurz bevor sein Leben aus der Bahn geriet. Damals, zu Beginn des Films, lebte er mit seiner Frau Maja (Jessica Schwarz) in einem feudalen Haus im Grünen. Doch um die Ehe stand es nicht gut. Statt auf die Tochter Leonie (Valeria Eisenbart) aufzupassen, ging David ins Haus der Nachbarin Gia (Heike Makatsch), mit der er seit längerem eine Affäre hatte. Und wie das im Genrekino nun mal so ist, wird außerehelicher Sex gerne bestraft, Leonie ertrinkt im Pool, die Ehe zerbricht.

Doch der Weg in die Vergangenheit scheint David die Gelegenheit zu geben, seine Fehler wieder gut zu machen. Er rettet Leonie, doch dann nehmen die Ereignisse einen überraschenden Weg. Der alte David kommt von seinem Stelldichein zurück und begegnet seinem aus der Zukunft gekommenem selbst. Eine Rangelei beginnt, die dramatisch endet: Der David aus der Zukunft tötet sein altes ich. Kurzentschlossen begräbt er die Leiche, färbt sich die inzwischen leicht ergrauten Haare und nimmt sein altes Leben wieder auf. Zunächst scheint alles gut zu gehen, nur Leonie spürt, dass der Mann, der ihr Vater sein soll, auf einmal ganz anders ist. Schmerzhaft muss David erfahren, dass die Möglichkeit, Teile seines Lebens noch einmal zu leben, Fehler wieder gut zu machen, einen hohen Preis fordert.

Mehr kann man nicht über die Handlung sagen, ohne zuviel über die Geschichte zu verraten, die noch einige große Überraschungen parat hält. Und die doch oberflächlich bleibt. Die moralischen Fragen, die in der Ausgangssituation angelegt sind, werden zugunsten der Spannungsebene hintenangestellt. Allein Mads Mikkelsens Präsenz ist es zu verdanken, dass seine Figur mehr Substanz erhält, als Drehbuch und Regie vorsehen.

Deren größtes Problem scheint eine gewisse Unentschlossenheit zu sein, ob „Die Tür“ nun eher ein psychologisch komplexer Film sein soll oder nicht doch ein schnörkelloser Thriller. Das Ergebnis ist weder Fisch noch Fleisch. Fragen nach der Moral von Davids Handeln, den Folgen für sich, seine Familie, seine Freunde, vor allem aber die Implikationen für die ganze Gesellschaft, die mit den finalen Plotentwicklungen verbunden sind, werden kaum mehr als angerissen, man darf sie sich als Zuschauer dazu denken.

Dieser Verzicht auf psychologische Tiefe wäre noch nicht einmal problematisch, wenn „Die Tür“ als Spannungsfilm funktionieren würde. Doch bei der Inszenierung der nicht wenigen Schockmomente schießt die Regie ein ums andere Mal über das Ziel hinaus. Wenn David etwa sich selbst tötet, passiert das nicht etwa einfach durch einen Schlag oder einen Hieb, nein, David tötet sein anderes Ich, indem er ihm mit einem Bleistift durch die Kehle sticht. Dass ist ein ähnlich grotesk überzeichneter Moment wie ein kurz vorher stattfindender Unfall, bei dem David von einem Laster angefahren und durch die Gegend geschleudert wird und anschließend aufsteht, als wäre nichts passiert. Ein ums andere Mal wähnt man sich in der Welt der B-Pictures, in der Gewalt wenig Erschreckendes hat, sondern absurder Camp ist. Auch das ist nicht prinzipiell verkehrt, nur ist es wenig hilfreich, wenn man einen ernst zu nehmenden Film drehen will. Immer wieder fehlt hier jedoch das richtige Maß, so dass trotz Mikkelsens redlichem Bemühen – das besonders von Heike Makkatschs und Jessica Schwarz latent hysterischen Darstellungen untergraben wird – wenig mehr bleibt, als interessante Ansätze, die einen souveräneren Genrefilm verdient gehabt hätten.

Michael Meyns

David ist Maler. Wenn seine Ehefrau Maja nicht zuhause ist, muss er die kleine Leonie hüten, die gerade Schmetterlinge fängt. Das Kind stürzt ins Schwimmbecken, und da es die Schnürsenkel nicht gebunden hatte, verfangen die sich in einem Eisengitter. Das Kind ertrinkt, ist nicht mehr zu retten.

Davids bisheriges Leben ist sinnlos geworden. Er tötet gewissermaßen sein alter ego – natürlich nur in einer Wunschwelt, in einem völlig irrationalen Bereich -, begräbt es, dringt durch einen Tunnel in eine neue Welt, in die Zeit, die er zurückholen will und in der Leonie noch lebt.

Natürlich kommt Maja mit Davids Verhalten nicht zurecht. Daraus ergibt sich die ganze Situations-, Ehe- und Lebensdramatik, die jetzt folgt. Nicht nur zwischen David und Maja, sondern auch mit Freunden und Fremden, insbesondere mit einem grobschlächtigen „Verwalter“ von Davids neuer Welt.

Schließlich will auch Maja in diese Welt eindringen. Denn der Verlust ihres einzigen Kindes hat ihr Leben gebrochen. Sie will beides zurückholen, ihr Kind und ihr Leben.

Ein trauriges, dramatisches, nur von Wunschträumen lebendes Gedanken- und Realspiel, das hier abläuft. Als Genre etwas durchaus Besonderes. Auflehnung, neuer Lebensversuch, Tragödie, Schreckensszenario, Vergangenheitsbewältigung, Hysterie, Schizophrenie, begleitet von zum Teil Aufmerksamkeit erregenden Dialogen – alles ist da.

Jessica Schwarz, Mads Mikkelsen, Thomas Thieme oder Heike Makatsch spielen das grausame Stück gut durch. Regisseur Anno Saul hat sich nach einer Romanvorlage an etwas Ausgefallenes herangetraut, für das es jedoch besonders interessierter Zuschauer bedarf.

Thomas Engel