Valley of Saints – Ein Tal in Kaschmir

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Indischen Produktionen dient der Dal-See im südasiatischen Kaschmir gerne als romantisch-idyllische Kulisse mit dem Himalaya im Hintergrund. Mit Soap-Opera à la Bollywood freilich hat Musa Syeeds Spielfilm nichts gemein: der Blick des in den USA aufgewachsenen Sohnes kaschmirischer Eltern gilt einer Geschichte, in der sich die gesellschaftliche, politische und ökologische Situation der von Indien, Pakistan und China beanspruchten Region spiegelt. Herausgekommen ist ein kleiner sehenswerter Film, der von kulturellen Besonderheiten geprägt ist und Kaschmir in seiner Vielschichtigkeit näher bringt.

Ausgezeichnet mit dem Publikumspreis Sundance Filmfestival 2012

Webseite: www.kairosfilm.de

USA/Indien 2012
Regie: Musa Syeed
Mit Gulzar Ahmad Bhat, Neelofar Hamid, Afzal Sofi, Haiji Salam Bhat
82 Minuten
Verleih: Kairos Filmverleih
Kinostart: 17.1.2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Als „das schönste Land der Welt“ haben die 1960 ins amerikanische Exil ausgewanderten Eltern des in New York geborenen Musa Syeed ihre Heimat Kaschmir immer genannt. Als der indischstämmige Filmemacher den für ihn mythisch-geheimnisvollen Sehnsuchtsort das erste Mal bereiste, sah er sich allerdings auch mit den Schattenseiten dieses Fleckchens Erde konfrontiert. Und er lernte Bootsmänner kennen, von denen einer nun der Protagonist von „Valley of Saints – Ein Tal in Kaschmir“ ist.

Dieser Bootsmann ist Gulzar. Mit seinem alten Onkelchen lebt er in einer bescheidenen Hütte am Dal-See und rudert Touristen zu den Sehenswürdigkeiten im „Tal der Heiligen“. Als Onkelchen für ein paar Tage wegen einer Hochzeitsfeier verreist, will Gulzar einen lange schon gehegten Plan um- und sich mit seinem Freund Afzal nach Delhi absetzen. Mit diesem Schritt wollen die beiden der Armut und ständigen Kriegsgefahr entfliehen und erhoffen sich bessere Lebens- und Verdienstmöglichkeiten. Doch daraus wird erst einmal nichts, denn just am Tag ihres Aufbruchs verhängt das Militär eine Ausgangssperre.

Durch sie lernt Gulzar allerdings auch die junge amerikanische Studentin Asifa kennen, die für ein Umweltforschungsprojekt Wasserproben des Sees analysiert und deren Ursachen dokumentiert. Sie öffnet dem Bootsmann nicht nur die Augen für das ökologische Dilemma seiner Heimat, er verliebt sich auch in die junge Frau. Und muss sich schließlich entscheiden, ob ihm ein fortschrittliches Leben in der anonymen Großstadt, der Kampf für den bedrohten Lebensraum seiner Kindheit und das traditionelle Leben an den Ufern des Sees oder gar eine fortdauernde Beziehung zu Asifa wichtiger ist.

Es tut gut zu sehen, dass Gulzar zu jener Sorte Mensch gehört, denen es offenbar gelingt, ihre „Alles geht einmal zu Ende“-Philosophie über Bord zu werfen und ein Problem bei der Wurzel zu packen – und wenn es nur die Installation einer kompostierbaren Toilette ist, um den See, der ja Grundlage für das Leben noch vieler künftiger Generationen ist, vor Verschmutzung zu bewahren. Dabei erweist sich Filmemacher Musa Syeed keinesfalls als Mahner mit gehobenem Zeigefinger, sondern baut seine Hinweise auf ökologischen Frevel mit Bildern von Müll und Abwasser ebenso beiläufig in die Handlung ein wie sich die entspinnende Romanze leise, fast schüchtern entwickelt.

Sehr gut dargestellt – für Europäer vielleicht etwas ungewohnt – ist auch das Verhalten zwischen den beiden Freunden. Vor allem, dass sie sich gerne in den Arm nehmen und wie Kinder herumalbern, mag befremdlich wirken und zu falschen Assoziationen führen. In Indien ist dies jedoch ein Zeichen von Freundschaft und Zuneigung bar jeder homosexuellen Konotation. Wie Gulzar verlegen wird, als sein Interesse an Asifa offensichtlich wird, wirkt dabei ebenso authentisch wie die Eifersucht und Wut, mit der Afzal darauf reagiert.

Bis auf Neelofar Hamid hat sich Musa Syeed ausschießlich Laiendarsteller vor die Kamera geholt. Gulzar Ahmed Bhat spielt dabei wie im richtigen Leben die Rolle eines Bootsmannes. Afzal Sofi war ursprünglich der Dolmetscher des Filmteams, ehe ihm die Nebenrolle des besten Freundes übertragen wurde. Vor der Kulisse von prasselndem Regen, über den See ziehender Nebelschwaden, sonnenbeschienener Bootsausflüge ebenso wie Straßenschlachten oder dem Blick auf die Umweltsünden rund um den See treten sie mit angenehmer Zurückhaltung und glaubwürdigem Spiel in Erscheinung und geben so eine Idee vom Alltag in einer von Konflikten in Atem gehaltenen, hierzulande wenig im Fokus stehenden Region. Beim Festival im amerikanischen Sundance erhielt „Valley of Saints“ 2012 den Publikumspreis.

Thomas Volkmann

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