Waffenstillstand

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Als erster deutscher Regisseur leistet Lancelot von Naso einen Kino-Beitrag zum Thema Irakkrieg. Dabei erzählt er nicht aus der Perspektive der Streitmächte, sondern folgt dem Schicksal zweier Reporter und Ärzte, die sich während eines Waffenstillstands ins Kampfgebiet nach Falludscha aufmachen. Was atmosphärisch und spannend beginnt, wird durch eine Reihe dramaturgischer Schwächen und allenfalls durchschnittlicher Schauspieler zum durchwachsenen Kriegsfilm.

Webseite: www.waffenstillstand.net

Deutschland/Schweiz 2009
Regie: Lancelot von Naso
Buch: Lancelot von Naso, Kai Uwe Hasenheit, Collin McMahon
D: Matthias Habich, Thekla Reuten, Hannes Jaennicke, Max von Pufendorf, Husam Chadat, Peter Gantzler, David Michael Williamson, Harvey Friedman, Larbi Sassy, Meriam Raoui, Calvin E. Burke
Länge: 95 Minuten
Verleih: 3L Film
Kinostart: 18.3.2010

PRESSESTIMMEN:

...eine dichte, authentische Odyssee von der Schusslinie des Irak-Kriegs, spannend erzählt, angesiedelt zwischen Actionfilm und Doku-Drama … ein meisterhaft gemachter Film … nuanciert zwischen mutigem Vor-Ort-Realismus und Charakterdarstellung balancierend.
Variety

Der unter die Haut gehende Mix aus Drama, Politthriller und Roadmovie überzeugt durch intensive Bildsprache und Gefühl.
Abendzeitung

...besticht mit eindringlichen Bildern und immer wieder irritierenden Momenten. Ein spannender Einblick in moderne Kriege, fast ohne Betroffenheitskitsch.
Frankfurter Allgemeine Zeitung

FILMKRITIK:

Irak im April 2004: Der deutsche Kriegsreporter Oliver (Max von Pufendorf) und sein Kameramann Ralf (Hannes Jaennicke) berichten aus Bagdad für das deutsche Fernsehen. Immer wieder schikaniert vom wortkargen Pressesprecher der amerikanischen Besatzungsmacht und desillusioniert von den eingeschränkten Möglichkeiten exklusives Bildmaterial zu ergattern, sehnen sich die beiden nach Abwechslung. Aus geheimer Quelle erfährt Oliver von einem 24-stündigen Waffenstillstand zwischen irakischen Aufständigen und den amerikanischen Truppen. In der Hoffnung als Erste und Einzige aus Falludscha berichten zu können, schließen sich die beiden Reporter den Ärzten Kim (Thekla Reuten) und Alain (Matthias Habich) an, die allerhand Hilfsgüter und Medizin per ungepanzertem Jeep ins entfernte Krankenhaus bringen wollen.

An den Drehorten in Marokko inszeniert Regisseur Lancelot von Naso seine Bilder von erstaunlicher Authentizität, wenn er die Darsteller durch zerbombte und verlassene Städte fahren lässt. Sei es die Begegnung mit amerikanischen Offizieren, Einheimischen in Falludscha oder dem Hilfspersonal im Krankenhaus, nahezu jede Einstellung zeugt von starkem Realismus, der geprägt und beeinflusst ist von den TV-Bildern vertrauter Kriegsberichterstattung. Dennoch – und daran fehlt es seiner kurzweiligen Abenteuergeschichte – lässt seine Erzählung über weite Strecken künstlerische Haltung und einen Raum von emotionaler Tiefe vermissen, der die Handlung moralisch einordnen würde. Nur ansatzweise lässt sich eine leise Kritik an der US-amerikanischen Besatzungsmacht ausmachen, die aber schnell wieder einer passiven Neutralität weicht. Der Film nimmt somit lediglich die Rolle seiner beiden Protagonisten ein, die lediglich objektiv versuchen den Krieg mitsamt seinen Konflikten einordnen.

„Waffenstillstand“ möchte ambitionierter Politthriller und Kriegsdrama zugleich sein, scheitert aber an dramaturgischen Schwächen und Schauspielern, die mit besorgter Miene eher an nüchterne Zweiteiler im Vorabendfernsehen erinnern, statt an feinfühliges und emotional mitreißendes Kino. Lancelot von Naso dekonstruiert dabei die These, dass Kriegsreporter und Ärzte ihr Geld mit dem Leid anderer Leute verdienen, während die vermeintlichen Idealisten von Bagdad ins Fadenkreuz nach Falludscha rumpeln. Die Reporter wollen ihre Story, die Ärzte wichtige Medikamente überliefern. Dabei werden die Figuren zu Helden verklärt, die sie nicht sein können. Wenn der Fernsehreporter statt eines Interviews lieber edelmütig verletzte Irakis versorgt, dann beweihräuchert sich das ZDF (einer der Produzenten) ein bisschen zu sehr selbst.

David Siems

2004. Der Irak-Krieg ist nur scheinbar vorbei. Der sunnitische Widerstand gegen die Amerikaner ist noch groß. Die Stadt Falludscha ist ein Schwerpunkt.

Nach der Tötung von vier amerikanischen Soldaten durch die Widerständler startet die US-Armee einen Großangriff auf die Stadt. Sie wird weitgehend zerstört. Die Menschen fliehen. Auch die Krankenhäuser sind ausgebombt. Ein einziges besteht noch. Doch es fehlt an Medikamenten, Verbandsmaterial, Geräten, Hygiene – an allem.

Kim, die Mitarbeiterin einer Hilfsorganisation, und der Arzt Alain Laroche, ein Elsässer, machen sich aus purem Idealismus auf, Nötiges in das betreffende Krankenhaus zu bringen. Sie wollen unter allen Umständen der geschundenen Zivilbevölkerung helfen, wissen aber, dass sie dabei ihr Leben riskieren. Denn die Stadt ist hermetisch abgeriegelt. Nur ein Waffenstillstand von ein paar Stunden lässt den Transport von Bagdad nach Falludscha überhaupt zu.

Die Kriegsberichterstatter Oliver und Ralf machen die Fahrt mit, ersterer um eine gute Story zu erhaschen, letzterer nur widerwillig.

Ein abenteuerlicher, ebenso spannender wie lebensgefährlicher, ebenso mit Hindernissen wie mit Unvorhergesehenem gepflasterter Trip beginnt. Erschwerend kommt hinzu, dass Kim vorgab, eine Genehmigung für die Fahrt zu besitzen, was aber nicht stimmte.

Die vier mit ihrem irakischen Fahrer Husam erreichen ihr Ziel, aber unter welchen Bedingungen! Und an Ort und Stelle könnten die Verhältnisse trostloser nicht sein: Frauen, Kinder, Verwundete, Verzweifelte, Hungernde, Dürstende, Tote.

Auf dem Rückweg dürfen ein paar dieser Armen mitfahren. Wieder erfolgt die Reise unter Lebensgefahr – die sich dann auch auf traurige Weise bewahrheitet.

Der Film ist fiktiv geschrieben und inszeniert, aber die Realität scheint nicht allzu fern zu sein. An einigen Stellen wirkt das kammerspielartige dramatische Road Movie ein wenig konstruiert, doch insgesamt ist das eine menschlich wie politisch eindrucksvolle Sache geworden. Menschlich, weil Idealisten wie Kim und Alain Laroche angesichts großer Not nicht passiv bleiben, sondern sich unter Einsatz ihres Lebens zur Verfügung stellen – auch wenn Kim, um für ihre Arbeit Spendengelder zu sichern, Publicity braucht -, politisch, weil hier nicht offizielle Verlautbarungen oder Nachrichtenschnipsel über die Lage im Irak, vor allem die der Zivilbevölkerung, verkündet werden, sondern gezeigt wird, was hinter den Kulissen geschieht.

(Indirekt sind damit die Fragen angeschnitten, um die es seit Jahren geht: War der Irak-Krieg sinnvoll? Wie steht es um das Volk? Sind die Beziehungen zwischen den verschiedenen islamischen Glaubensgemeinschaften unter Kontrolle? Ist es eine Illusion, dieser östlichen arabischen Welt westliche und demokratische Lebensformen aufzwingen zu wollen?)

Matthias Habich (Laroche), Thekla Renten (Kim), Hannes Jaenicke (Ralf), Max von Pufendorf (Oliver) und Husam Chadat (Chauffeur) spielen gut. Einige leicht artifizielle Passagen im Buch und seitens der Regie verblassen angesichts des berührenden humanistischen Themas und seiner filmischen Schilderung.

Diverse Preise wurden dem „Waffenstillstand“ bereits zugesprochen.

Thomas Engel