Whatever Works

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Nach seiner europäischen Phase mit Filmen vor den Kulissen von London und Barcelona beschert uns Woody Allen nun wieder eine romantische Komödie aus der von ihm so geliebten Stadt New York. Dort scheint sich nicht viel geändert zu haben, zu lamentieren gibt es für die Hauptfigur – ein chronisch pessimistischer Physik-Professor – jede Menge. Doch dann tritt eine junge Frau in sein Leben und nichts scheint mehr unmöglich. Auch Woody Allen scheint wohl etwas vom „wind of change“ abbekommen zu haben. Spaß macht sein neuer Film auf alle Fälle.

Webseite: www.senator.de

USA 2009
Regie: Woody Allen
Darsteller: Larry David, Evan Rachel Wood, Patricia Clarkson, Ed Begley Jr., Conleth Hill, Michael McKean, Henry Cavill, John Gallagher, Jessica Hecht, Carolyn McCormick, Christopher Evan Welch
92 Minuten
Verleih: Central Film
Start am 3.12.09
 

PRESSESTIMMEN:

Woody Allens heiterster, positivster Film seit Jahren.
Brigitte


FILMKRITIK:

Schon in den ersten Filmminuten geht das Schimpfen und Wettern gegen die Zustände im heutigen Amerika mit Vollgas auf die Strecke. Seinen Freunden im kleinen Straßencafé jedenfalls tischt der exzentrische Boris Yellnikoff – großartig gespielt von US-Komiker Larry David – seine bisweilen zynischen und bissigen Erklärungen zum Zustand der Nation in einer Weise auf, als stünde hier immer noch der Professor vor seinen Studenten. Aus Yellnikoff spricht das verkannte Genie, das immer noch daran knabbert, den Nobelpreis für Physik eben nicht erhalten zu haben. Einen Selbstmordversuch hat er deshalb schon hinter sich, auch wegen einer gescheiterten Ehe. Indem er seine mit amüsanten Macken ausgestattete Hauptfigur – wie einst schon in „Der Stadtneurotiker“ – direkt in die Kamera und damit mit Fingerzeig auf den Zuschauer zutreten lässt, holt sich Allen seine Verbündeten diesmal direkt im Publikum.

Der Schwung geht „Whatever works“ jedoch nach dieser großartigen Eröffnung nicht aus. Yellnikoff (lustiger Name, schließlich bedeutet ‚to yell’ ja ‚schreien’ - was den Nörgler bestens charakterisiert) findet eines Tages in der Nähe seines Stadtappartements die junge Ausreißerin Melody (Rachel Evan Woods als neue Muse Allens) auf der Straße vor. Frisch aus den Südstaaten ist die 19-jährige in den Big Apple gereist, ohne Geld in den Taschen, abgebrannt, hungrig und optimistisch auf die großen Versprechen der Stadt. Yellnikoff ist entsetzt über so viel naive Gutgläubigkeit und gewährt ihr erst mal Unterschlupf. Bald darauf heiratet das junge, leicht flippige Mädel den älteren Herrn.

Hier greift der Filmtitel „Whatever works“ bereits zum ersten Mal, zeigt sich, wie man sich mit Dingen, an die man vielleicht vorher nicht geglaubt hat, sie nun aber akzeptiert, anfreunden kann, ja sogar sehr gut damit fährt. Lass den Dingen ihren Lauf, lebe aus, was Dir geschieht, so scheint Woody Allen hier zu rufen. Auch wenn die Altherrenphantasien schon in vergangenen Filmen von ihm thematisiert wurden, dank seiner immer wieder erfrischenden Variationen des Stoffes bleibt Langeweile ein Fremdwort. Die Dialoge jedenfalls sind wieder einmal köstlich und pointiert, keinesfalls aufgesetzt, gehen Allen leicht von der Hand.

Man kann sich das Entsetzen sehr gut vorstellen, als der Reihe nach die besorgten und sittenstrengen, jedoch getrennt lebenden Eltern des Mädels (Patricia Clarkson/Ed Begley Jr.) unverhofft in New York aufkreuzen und von der Ehe des weit über 60-jährigen Mannes mit ihrer Tochter erfahren. Auch sie lässt Woody Allen die Welt jedoch bald schon mit neuen Augen sehen und sprichwörtlich zu neuen Ufern aufbrechen. Glück, so scheint Allen hier sagen zu wollen, ist, wenn man den Dingen seinen Lauf lässt und nicht allzu sehr herum lamentiert. Dass er manchmal arg heftig austeilt, der Künstlerszene und Intellektuellenkreisen eins auswischt, Yellnikoff seinen Schachschülern auch schon mal ein Spielbrett über den Kopf ziehen lässt und diese zu Erziehungszwecken in ein Konzentrationslager schicken mag, so möchte das manchmal etwas arg wüst erscheinen. Dass Woody Allen in einer bestechend guten Form ist, lässt sich nicht bestreiten.

Thomas Volkmann

Woody Allen ist Vielschreiber und Vielfilmer. Aber was er dieses Mal abliefert, alle Achtung! Der Stoff lag, wie er sagt, lange in seiner Schublade. Jetzt hat er ihn gottlob herausgebracht.

Boris Yellnikoff ist ein New Yorker Schwerenöter. Einst war er Professor und beschäftigte sich mit der Quantentheorie. Am Nobelpreis schrammte er knapp vorbei. Seine erste Frau hieß Jessica, doch die Scheidung war unvermeidlich. Ein Selbstmordversuch klappte nicht.

Jetzt lebt er allein. Manchmal gibt er Kindern, die er alle für blöd hält, Schachunterricht. Oft ist er mit seinen Freunden zusammen. Vor ihnen doziert er: über den Unsinn menschlichen Lebens und Strebens, über die in Tausenden von Formen auftretende Schlechtigkeit der Welt, über das, was die Menschen mit den an sich guten Religionen angestellt haben, über das, was angeblich Liebe sein soll, über die menschlichen Gebrechen, über den Sex, über kriminelle Wirtschaftler und über vieles andere mehr.

Eines Tages liest er auf der Straße die junge Melody auf. Sie ist von zuhause abgehauen, hat Hunger und sucht eine Bleibe. Boris lässt sich erweichen. Melody darf „ein paar Tage“ in seiner Wohnung bleiben.

Boris hält Melody für in jeder Beziehung unterentwickelt, wenn auch für schön. Er übergießt sie mit seinen philosophischen Tiraden, von denen sie ohnehin nur die Hälfte versteht.

So geht das eine Zeit. Boris’ Sprüche färben auf Melody ab. Langsam beginnt sie selbst wie er zu argumentieren. Die beiden freunden sich an. Melody bittet Boris, sie zu heiraten. So geschieht es.

Melodys Mutter Marietta taucht auf. Sie ist über den Ehemann ihrer Tochter entsetzt. Aber dann blüht die von ihrem Mann John wegen ihrer besten Freundin verlassene Südstaaten-Lady in New York auf, wandelt sich von der gottesfürchtigen Hausfrau zur Exzentrikerin, die Nackedei-Ausstellungen organisiert und mit zwei Männern eine „ménage à trois“ führt.

John spürt ebenfalls seine ausgerissene Tochter auf. Aber dann landet er ziemlich schnell da, wo er schon immer hingehörte – in den Armen eines Homosexuellen.

Marietta hat für Melody Dates mit einem Schauspieler eingefädelt, die zum Glück der jungen Frau führen.

Boris, von Melody verlassen, findet beim zweiten Selbstmordversuch seine große Liebe.

Woody Allen hat viel Gutes geschaffen. Aber selten lief er zu solcher Hochform auf: Intelligenz, Ironie, Sarkasmus, Philosophie und Weltschmerz, ein Dialoghöhepunkt nach dem andern. Das alles verkörpert durch die Figur des Boris.

Dann aber auch das Unschuldige, das Normale, das Abwartende, das Suchende, das Romantische, die Liebe – im Charakter der Melody vereint.

Das Außergewöhnliche, das Unerwartete, das Verrückte ist ebenfalls vertreten, und zwar durch Marietta.

Allen weiß, wo er seine Darsteller findet. Wie Larry David (Boris), Evan Rachel Wood (Melody) und Patricia Clarkson (Marietta) ihre Parts spielen, ist einfach Spitze.

Thomas Engel