Whores’ Glory

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Zum Abschluss seiner Trilogie über Arbeit in der globalisierten Welt beschäftigt sich der österreichische Regisseur Michael Glawogger mit der Prostitution. Segmente aus Thailand, Bangladesh und Mexiko bilden ein Triptychon des käuflichen Sex, aufgeladen durch religiöse Bezüge, erschreckend unmittelbar gefilmt und weitestgehend frei von Klischee beladener Verklärung oder Verdammung.

Webseite: www.whoresglory.de

Österreich 2011
Regie: Michael Glawogger
Dokumentation
Länge: 118 Minuten
Verleih: Delphi Filmverleih
Kinostart: 29. September 2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Bangkok, Thailand. In einem Fishtank genannten Glaskasten sitzen junge Frauen, auf der anderen Seite sitzen die Freier bei einem Drink. Namen haben die Mädchen in diesem Umfeld keins, per Nummer werden sie aufgerufen und verschwinden mit dem Freier im Fahrstuhl. Ein kaltes, fast steriles Umfeld, ganz auf den käuflichen Sex reduziert.

Faridpur, Bangladesh. Ein heruntergekommenes Prostituiertenviertel, enge Gassen, schmutzige Räume, kein fließend Wasser. Vom nahe gelegenen Bazar kommen die Angestellten in der Mittagspause zu den Huren, die von ihren „Müttern“, ihren Besitzerinnen zu mehr Leistung angetrieben werden. Immerhin Kondome werden verteilt.

Schließlich Mexiko, eine Art Straßenstrich, „Zone“ genannt, in dem Männer in schweren SUVs an kleinen Hütten vorbeifahren, vor denen sich Frauen anbieten. Manchmal reitet ein Esel vorbei, die Erde ist matschig, fast alle Frauen scheinen mehr oder weniger stark unter Drogen zu stehen.

In „Megacities“ beschäftigte sich Michal Glawogger mit den Schwierigkeiten der Existenz in kapitalistischen Metropolen, „Workingman’s Death“ thematisierte die harschen Arbeitsbedingungen abseits der Kapitalströme. Nun also Prostitution. Kaum ein Thema wäre vorstellbar, dass in aller Welt so präsent ist, das so mit Vorurteilen, aber auch Verklärungen belastet ist wie dieses. Allein der oft gebrauchte Begriff „käufliche Liebe“ deutet die Schwierigkeit an, differenziert über einen Bereich des Lebens zu berichten, in dem allzu oft der Sklaverei ähnliche Zustände herrschen, Gewalt, Missbrauch, Erpressung und Ausbeutung an der Tagesordnung sind und das doch immer wieder als lässliche Sünde verharmlost wird.

In drei streng getrennten, ungefähr gleich langen Teilen bemüht sich Glawogger um einen neutralen, ungeschminkten, ungeschönten Blick auf die Welt der Prostitution. Der Schwerpunkt liegt stets beim Beobachten, nur hin und wieder kommen die Frauen zu Wort, die in der Gruppe über ihre Arbeit reden, über ihre Hoffnungen, manchmal über Probleme. Und auch Männer kommen zu Wort, in oft erschreckend banalen Kommentaren, die den Konsumcharakter ihrer Besuche bei Prostituierten noch betonen. Aber auch ein erschreckendes Maß an Aggression gegenüber den Frauen, die schon mit Worten zum reinen Sexualobjekt degradiert werden, womöglich auch, um den moralisch verpönten Gang zu einer Prostituierten weniger problematisch erscheinen zu lassen.

Moral und Gott mögen nicht die ersten Begriffe sein, die angesichts des Themas in den Sinn kommen, doch in Glawoggers Blick auf diese Welt sind sie stets präsent. In Thailand verbeugen sich die Frauen vor einem kleinen Tempel, bevor sie das Bordell betreten, in Bangladesh wird der Koran, genauer gesagt das sprechen der Suren mit dem Mund, als willkommene Erklärung für die Verweigerung von Oralsex benutzt, in Mexiko sind religiöse Symbole in Form von Statuen und Tätowierungen stets präsent. Ganz beiläufig wird dieses Missverhältnis zwischen Religion und der oft unmenschlich wirkenden Welt der Prostitution angedeutet, sieht man nebeneinander betende Frauen und Kunden, die in Pakistan darum feilschen 100 Taka oder doch nur 50 zahlen zu müssen, umgerechnet 0.90 bzw. 0.45 Cent! Es sind bisweilen schwer zu ertragend Szenen, die Glawogger zeigt, Touristen die in Bangkok Frauen kaufen, Mütter, die in Bangladesh ihre Töchter für kaum 50 Euro in die Prostitution verkaufen, eine allgemein verrohte Welt. Die der Film in manchen Szenen auch etwas zu stilisiert darstellt, in der die prinzipiell exzellenten Bilder die Frauen etwas zu sehr wie verlorene Madonnen-Figuren erscheinen lassen, in denen die schwermütige Musik, die harsche Realität etwas zu sehr abmildert. Dass sind die kaum zu vermeidenden Fallstricke des Themas, denen auch Glawogger nicht immer entgehen kann, die die Qualität von „Whores’ Glory“ allerdings nur geringfügig schwächen. Über weite Strecken ist dies ein ergreifendes, erschütterndes Bild der Prostitution, das zwar fern von Europa gedreht wurde, aber so oder so ähnlich auch in Wien, Berlin, London oder jeder anderen europäischen Stadt zu finden wäre.

Michael Meyns

Michael Glawogger gibt sich nie mit 0815-Themen ab. Auch dieses Mal nicht.

Es geht darum zu zeigen, wie Prostituierte mancherorts leben müssen. Nicht die Luxusdirnen, die im Mercedes herumfahren, sondern diejenigen in den Ländern der „dritten Welt“, die zum Teil verhungern müssten, wenn sie keine Huren wären.

Ein Triptychon, also drei unterschiedliche Filmteile.

Zuerst Bangkok. In einem Riesenschaufenster, dem sogenannten „Fishtank“, sind die Mädchen ausgestellt. Auch angestellt übrigens, denn sie haben Stechkarten, mit denen Anwesenheit und Schichtlänge gemessen werden. Vor Dienstantritt werden sie an Ort und Stelle geschminkt, die Haare werden gerichtet.

Dann kommen die Männer, die „Kunden“. Nur der schnelle Sex zählt. Moralische Einschränkungen wie Religion, Ehe oder Gewissen spielen keine Rolle. Ohnehin haben manche der Mädchen vor Dienstantritt darum gebetet, dass sie viele Freier bekommen. Alles ziemlich geschäftlich, routiniert und gar luxuriös das Ganze.

Der Gegensatz dazu in Bangladesh. In einem besonderen Viertel in engen, düsteren, schmutzigen Gassen, nicht in Zimmern, sondern in billigen Verschlägen ein Mädchen neben dem andern. Ältere Frauen kaufen und verkaufen sie. Oft sind sie erst 14, 15 Jahre alt. Sie müssen Geld verdienen, um zu überleben, um ihre Familien zu unterstützen. Alles andere ist für sie vollkommen aussichtslos. Auf jeden Fall gehen so, vom Krankheitsrisiko einmal abgesehen, die besten Jahre dieser Mädchen drauf.

Mexiko. Wieder eine besondere Ecke einer Stadt. Die Huren sind da besonders anbieterisch oder auch aggressiv. Keine denkbare Praktik, die sie nicht anpreisen und anwenden würden. Freimütig sprechen sie darüber – in einer Sprache, dass der Sau graust. Drogen inklusive. Jede zusätzliche „Stellung“ kostet 50 Pesos extra.

Wer diesen Film gesehen hat, hat vom Sex fürs erste die Nase voll.

Glawogger wollte, was da Tag und Nacht vor sich geht, wertfrei schildern. Wer meint, es gäbe eine Lösung oder alles würde besser in der Welt, der lügt, sagt er.

Es wird mit Sicherheit Vorbehalte gegen diesen Film geben. Aber er ist auch gerechtfertigt, weil er nichts anderes zeigt als eine gewisse – allerdings vom Filmemacher bis zu einem gewissen Grad arrangierte – Realität, auch wenn es die Realität einer Minderheit ist.
Dass Glawogger, rein menschlich und rein organisatorisch, diesen Zugang zu den Beteiligten, diese Vertrautheit, diese dokumentarischen Möglichkeiten zustande brachte, ist eine praktische und logistische Leistung.

Übrigens handelt es sich ausdrücklich nicht um einen pornographischen Film. Gemessen an dem Thema ist das Bildmaterial relativ dezent. Nur die Dialoge sind teilweise extrem ordinär.

Aufschlussreiche Dokumentation über Formen und Elend der Prostitution in Teilen der dritten Welt.

Thomas Engel