Womb

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In der unwirtlichen-grauen Dünenlandschaft einer Nordseeinsel siedelt Avantgarde-Filmer Benedek Fliegauf („Dealer“, „Milky Way“) eine bizarre Story an: Rebecca (Eva Green) verliert in einem tragischen Unfall ihren Geliebten seit Kindertagen, Thomas. Von seinen Eltern erhält sie widerstrebend Erlaubnis, Thomas' Klon auszutragen. Während der Junge Tag für Tag dem erwachsenen, schmerzlich vermissten Thomas ähnlicher wird, zieht sie sich immer stärker mit ihm in die Einsamkeit zurück...

Webseite: www.womb-film.de

Deutschland / Ungarn / Frankreich 2010
Regie+ Buch: Benedek Fliegauf
Szenenbild: Erwin Prib
Musik: Max Richter
Kamera: Péter Szatmári
Darsteller: Eva Green, Matt smith, Lesley Manville, Peter Wight
Länge: 107 Minuten
Verleih: Camino Filmverleih
Filmstart: 7.4.2011
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

„Womb“ erzählt seine mehr märchenhafte als futuristische Geschichte über Liebe, Gentechnik, Ethik und Tod mit sparsamsten Mitteln. Da ist die Frau Rebecca, der Mann Thomas, der zugleich ihr Sohn und ihr ehemaliger Geliebter ist und als dritte Protagonistin die ungenannte Insel in der Nordsee auf der sie wohnen - keine Sommerferien-Insel mit weißen Sandstränden und Windschatten in den Dünen, sondern eine rohe Endzeitinsel in monochromem Grau auf der es fast immer regnet.

Bereits als Kinder lernen sich Rebecca und Thomas kennen, als Rebecca bei ihrem Großvater auf der Insel zu Besuch ist. Als sie sich nach Jahren wiedersehen werden die schweigsame in-sich-ruhende Frau und der hibbelige junge Mann, der sich in der „Blütenstaubguerilla“ politisch engagiert, ein Paar. Eine kurze Zeit lang sind sie zusammen – bis Thomas in einem Autounfall stirbt. Nur kurz zuvor hatte Rebecca gesagt: „Wo du hingehst, gehe ich auch hin.“
Nach seinem Tod überredet Rebecca Thomas' Eltern, die zu den wenigen Personen gehören, die am Rande der Zweierbeziehung von Rebecca und Thomas eine kleine Rolle spielen, eine DNA-Probe des Verstorbenen frei zu geben. Sie gebiert ihren eigenen Geliebten, zieht ihn wie einen Sohn groß und verschweigt ihm seine Herkunft. Als die Nachbarn Fragen stellen, zieht sie sich mit dem Kind in einen einsamen Stelzenbau am Rande des Meeres zurück, wo es kein Außen mehr gibt, nur noch dieses seltsame Ding zwischen Mutter-Sohn- und Liebesbeziehung.

Die Welt von „Womb“ ist eine entrückte Welt mit eigenen Gesetzen, die zum Beispiel an den eigenwilligen Kosmos von „Home“ von Ursula Meier erinnert oder an eine extrem verlangsamte Terry-Gilliam-Fantasie, aber anders als bei Meier oder Gilliam von bitterem, endzeitlichen Ernst ist. In der Welt von „Womb“ hat Klonen einen etwas schlechteren Stellenwert als In-Vitro-Fertilisation heute. Man macht es, aber spricht nicht so gerne darüber und es ist akzeptabler, wenn z.B. eine Mutter ihr verstorbenes Kind noch einmal bekommt, als wenn, wie in Rebeccas Fall, eine Frau ihren Geliebten neu erschafft.

Aber die gesellschaftlichen Implikationen von Gentechnologie interessieren Fliegauf weniger. Weder Alttag noch Umwelt spielen wirklich eine Rolle. Nur ganz gelegentlich blitzen Versatzstücke der Welt um Rebecca und Thomas herum auf, wie etwa andere Kinder, die ein Klonkind „Repli“ nennen, oder wie die Krankenschwester, die in der Klonklinik arbeitet. Jenseits psychologischer Erzählkonventionen geht es in „Womb“ darum, das Bild einer Liebe zu entwerfen, die weder mit Eltern-Kind-Liebe noch mit leidenschaftlicher Liebe beschrieben werden kann. Rebecca will Thomas das Leben schenken, und es scheint ihr egal zu sein, welches Alter Thomas hat oder welche Form er annimmt, solange sie nur mit ihm zusammen sein kann. Im Presseheft sagt Regisseur Fliegauf dazu: „Immer wenn ich total verliebt war, habe ich davon geträumt, die Frau auch als Baby schon gekannt zu haben. Ich wollte ihr als 2-Jährige ein Gutenachtlied singen. Ich wollte dabei sein, wenn sie ihre ersten Schritte macht... (…) Dieser traumhafte und verzweifelte Wunsch von mir, war der ausschlaggebende Punkt, „Womb“ zu machen.“

Hendrike Bake

Es geht in diesem Film um das Klonen – aber nicht um das Klonen von Tieren, was schon gang und gäbe ist, sondern von Menschen.

Ort: eine wunderschöne Standgegend (Ostsee). Rebecca (9 Jahre), die bei ihrem Großvater wohnt, spielt mit Tommy (10 Jahre), einem Nachbarsjungen. Die Eltern des Jungen sind Judith und Ralph.

Die Ferienspiele gehen zu Ende, denn Rebecca muss die nächsten Jahre in Tokio verbringen.

Nach ungefähr zehn Jahren kehrt sie zurück. Der Großvater lebt nicht mehr, sie wohnt in dessen Haus. Nie hat sie Tommy vergessen. Deshalb sucht sie ihn jetzt. Bei seinen Eltern wohnt er nicht mehr aber in der Nähe. Gerade hat er einen One-Night-Stand mit Rose hinter sich, doch die haut schnell ab, als sie merkt, dass es zwischen Rebecca und Tommy wieder funkt.

Bei einem Autounfall kommt Tommy ums Leben. Rebecca erhält von Judith und Ralph, die lange zögerten, schließlich eine DNA-Probe von Tommy und lässt sich damit künstlich befruchten. Sie gebiert praktisch einen zweiten Tommy.

Jahre später. In der Schule des Buben wird getuschelt, dass es geklonte Kinder geben soll – von denen man sich fernhalten müsste.

Tommy ist erwachsen, seine Freundin heißt Monica. Doch sie zieht sich bald zurück, als sie merkt, dass es Rebecca ist, die zu Tommy ein ganz besonderes Verhältnis hat.

Judith, die Mutter des durch einen Unfall Getöteten, taucht auf. Der junge Tommy will wissen, wer diese Frau ist. Rebeccas Geheimnis ist jetzt nicht mehr zu halten. Auf einem alten Labtop verraten Bilder alles.

Das folgende Gerangel zwischen Tommy und Rebecca endet intim. Ersterer geht für immer. Wird sie jetzt einen neuen Klon gebären?

Ein sehr spezielles, Interesse und Geduld erforderndes, etwas abseitiges, aber vielleicht zukünftiges Thema, angesiedelt zwischen Science Fiction und Märchen. Stilistisch und dramaturgisch ist das Drama gut angelegt, die ästhetischen Aufnahmen rahmen es schön ein.

Die Kernfrage: Werden wir moralisch und emotional fertig mit dem, was wir eines Tages technisch vollbringen können? Noch ist dies alles Zukunftsmusik, doch wer weiß, welche Fort- oder Rückschritte die Gentechnik bringt. Derzeit scheiden sich die Geister: die Mediziner, die Psychologen, der Klerus, die Philosophen, die Wissenschaftler, die Traditionalisten und religiös Konservativen, die Avantgardisten.

Ein Stoff, über den sich am besten jeder seine eigenen Gedanken macht. Auffällig: das ruhige Gesicht und Spiel von Eva Green als Rebecca.

Thomas Engel