Ziemlich beste Freunde

Zum Vergrößern klicken

Hut ab – um nicht zu sagen: Chapeau! Vermutlich ist Frankreich Weltmeister darin, Komödien über gesellschaftliche Gegensätze zu erfinden, die ohne plumpe Klischees und bessserwisserisches Pathos auskommen. Diesmal geht es um einen Schlingel, frisch aus dem Gefängnis, der durch die Pflege eines querschnittsgelähmten Rollifahrers geläutert wird. Doch vielleicht ist es eher umgekehrt? Denn in der Gesellschaft des unbefangenen Driss findet der kranke, reiche Philippe zu neuem Lebensmut. Und das Publikum findet hier eine humorvolle Geschichte rund um zwei Männer, die sich erst zusammenraufen müssen, um voneinander zu lernen.

Webseite: wwww.ziemlichbestefreunde.senator.de

OT: Intouchables
Frankreich 2011
Regie und Drehbuch: Eric Toledano, Olivier Nakache
Darsteller: François Cluzet, Omar Sy, Anne Le Ny, Audrey Fleurot, Clotilde Mollet
110 Minuten
Verleih: Senator
Kinostart: 5. Januar 2012

PRESSESTIMMEN:

...

FILMKRITIK:

Zwei fantastische Schauspieler prägen und tragen diesen Film: François Cluzet und Omar Sy. Dank einer sensiblen und unauffälligen Regiearbeit bringen sie zwei hinreißend sympathische Figuren auf die Leinwand.

Da ist Driss (Omar Sy), ein junger, farbiger Ex-Knacki, der dringend einen Job und am besten auch gleich eine Wohnung braucht, weil er zu Hause rausgeflogen ist. Das wäre an sich kein großer Verlust, denn in einer winzigen Pariser Vorstadtwohnung mit zirka sieben bis zehn Kindern lebt es sich nicht gerade komfortabel. Seinen eher düsteren Zukunftsaussichten begegnet Driss mit träger Gleichgültigkeit und coolen Sprüchen. Sy spielt Driss als leidenschaftlichen Burschen mit losem Mundwerk. Er ist ein Mann wie ein Bär mit der Eleganz des Furchtlosen, immer wachsam und in Bewegung. Als Mann eine Naturgewalt: ein Macho, wie er im Buche steht, rotzig und cool, trotzdem sehr sympathisch, denn mit seinem entwaffnendem Lächeln und seiner erfrischenden Offenheit nimmt er alle für sich ein. Anfangs schockiert er Philippes zimperliche Angestellten, doch bald trägt er neuen Schwung und gute Laune in den noblen Haushalt. Driss ist in der Lage, problemlos für zwei zu lieben, zu tanzen und für gute Stimmung zu sorgen.

Und da ist Philippe (François Cluzet), der alles hat, wovon man nur träumen kann: jede Menge Geld, einen Stadtpalast mitten in Paris, Hauspersonal, einen Maserati. Aber leider ist Philippe seit einem Unfall querschnittsgelähmt und muss deshalb rund um die Uhr betreut werden. Auch wenn Philippe ständig auf Hilfe angewiesen ist, will er sich mit der Rolle des geduldigen Kranken nicht abfinden, er erwartet kein Mitleid und fordert Respekt. François Cluzet vollbringt eine meisterliche Leistung und zeigt einen hoch intelligenten, sensiblen Mann, der gelernt hat, seine Verzweiflung zu verstecken. Denn eigentlich leidet Philippe nicht so sehr unter seiner Krankheit, sondern vielmehr unter der Einsamkeit, seit er seine Frau verloren hat. Er ist ein Mensch, der sein Schicksal mit Ironie und Sarkasmus zu ertragen versucht und der sich doch nur danach sehnt, zu lieben und geliebt zu werden.

Schnell erkennt Philippe, dass der kesse Driss bei aller Wurschtigkeit genau die richtige Besetzung für den Pflegejob ist. Instinktiv erkennt er, wie er Driss für sich gewinnen kann. Der braucht eigentlich nur eine Unterschrift fürs Sozialamt, dass er sich um einen Job beworben hat. Philippe wettet mit Driss, dass er es keine zwei Wochen bei ihm aushalten wird. Doch Driss hat überhaupt keine Ahnung von Krankenpflege, allein die Vorstellung, einen Mann zu waschen, erfüllt ihn mit Widerwillen. Anfangs scheitert Driss schon daran, den bewegungsunfähigen Mann in den Rollstuhl zu setzen. Aber er lernt schnell, und das Luxusleben gefällt ihm sehr. Er hat nicht nur ein eigenes Zimmer, sondern sogar ein eigenes Bad mit einer prachtvollen Badewanne. Bald erwacht der Ehrgeiz in Driss, der es noch nie lange in einem Job ausgehalten hat. Philippe kommt gut zurecht mit Driss‘ respektloser Art, die beiden liefern sich bissige Rededuelle, in denen Philippe versucht mit Bildung und Niveau zu punkten, während Driss eher bodenständige Interessen vertritt. Aber schließlich raufen sie sich zusammen, die beiden Außenseiter – zwei Desperados, die niemals zugeben würden, wie einsam sie sind. Zwei typische Männer also, die lernen müssen, ehrlich miteinander zu sprechen.

Eines sei verraten: Gemeinsam werden die beiden ungleichen Freunde unheimlich viel Spaß haben. Sie werden sich im Maserati schöne Verfolgungsjagden mit der Polizei liefern und Driss wird Philippes Rollstuhl tunen, sie werden gemeinsam Orgien feiern, die dröge Pariser Schickimicki-Gesellschaft aufmischen, den internationalen Kunstmarkt beleben und am Ende wird Driss dem Freund dabei behilflich sein, sich den Traum von einer neuen Liebe zu erfüllen.

Und wer nun denkt, das wäre wieder einmal eines dieser Sozialmärchen, hübsch ausgedacht, aber letztlich doch unglaubwürdig, der muss sich eines Besseren belehren lassen, denn Philippe und Driss gibt es tatsächlich – und sie sind bis heute eng befreundet. Und das ist dann das i-Tüpfelchen auf einer sehr amüsanten und bewegenden Geschichte über Freundschaft und die Lust am Leben.

Gaby Sikorski

Paris. Philippe besitzt ein großes Haus, beschäftigt mehrere Angestellte, wohnt in einer klassisch-barocken Möblierung, hat viel Geld. Nur eines besitzt er nicht: Gesundheit. Er war Gleitflieger, ist abgestürzt und brach sich mehrere Rückenwirbel. Jetzt kann er gerade noch den Kopf bewegen, der Rest ist lahm. Der Rollstuhl ist sein ständiger Begleiter. Er braucht Pflege rund um die Uhr.

Der frühere Betreuer ist nicht mehr da, ein neuer wird gesucht. Driss taucht als Bewerber auf, ein stämmiger Farbiger. Es ist noch nicht lange her, da saß er noch im Gefängnis. Er stammt aus einem eher anrüchigen Milieu. Eigentlich will er den Job gar nicht. Er möchte sich nur vorstellen, damit er, wenn er abgelehnt wird, seine Sozialleistungen weiter beziehen kann.

Aber Philippe findet Gefallen an Driss’ schnoddriger und direkter Art und stellt ihn für eine Probezeit ein. Philippe ist ein gebildeter, feinfühliger, für Dichtung und Musik aufgeschlossener Mann, Driss ein grobschlächtiger Kerl, der mit Kunst nichts, aber auch gar nichts am Hut hat. Kann das gut gehen?

Es dauert lange und es passieren - nicht zuletzt auch mit den im Hause angestellten Frauen - eine ganze Menge Pannen, bis die beiden Männer sich näher kommen. Dann allerdings entsteht eine echte Freundschaft.

Philippe steht mit einer Dame in Nordfrankreich in regem Briefwechsel. Gescheit und sensibel geht es dabei zu. Philippe würde fürs Leben gern mit der Frau nicht nur korrespondieren. Ein erstes Rendez-vous scheitert. Aber Driss ist es, der dafür sorgt, dass so etwas nicht mehr vorkommt. Philippes Lächeln am Schluss spricht Bände.

Zwei Menschen, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten. Und doch gelingt die Annäherung, man muss es nur wollen - und genügend Geduld aufbringen. So etwa lautet die rührende Botschaft des Films, der sich übrigens auf eine wahre Begebenheit stützt.

Die Milieuzeichnung ist glänzend gelungen. Omar Sy, der den Driss spielt, hätte sich darstellerisch und verbal manchmal unbedingt mehr zurücknehmen müssen – dann wäre der Film noch glaubhafter geworden. Natürlich sind dafür auch die Dialoge im Drehbuch verantwortlich.

Eine perfekte Vorstellung gibt Francois Cluzet als Philippe in seinem hilfsbedürftigen aber charakterlich starken Zustand.

Thomas Engel