Zwei Mädchen aus Istanbul (Iki genc kiz)

Zum Vergrößern klicken

In seinem dritten Spielfilm beschreibt Kutlug Ataman die schwierigen Versuche der beiden Mädchen Behiye und Handan in der modernen Türkei ihren Platz im Leben zu finden. Eindringlich gespielt und exzellent geschnitten gelang Ataman ein intensiver Film über das Erwachsenwerden.

Webseite: www.zwei-maedchen-aus-istanbul.de

Regie: Kutlug Ataman
Buch: Kutlug Ataman
Kamera: Emre Erkmen
Schnitt: Zeynep Zilelioglu, Aziz Günhan Imamoglu, Lew Q
Darsteller: Feride Cetin, Vildan Atasever, Hülya Avsar, Tugce Tamer, Sezgi Mengi
Türkei 2005, 107 Minuten, Format 1:1,85
Verleih: mitosfilm
Kinostart: 28. September

PRESSESTIMMEN:

Die Geschichte einer obsessiven Freundschaft zwischen einem Mädchen aus einer konservativen Istanbuler Stadtrandsiedlung und einer verwöhnten Tochter aus dem modernen Stadtteil Etiler beschreibt temporeich und mit großer schauspielerischer Hingabe die Orientierungslosigkeit heutiger Jugendlicher. Eine ungewöhnliche Coming-of-Age-Geschichte aus dem gegenwärtigen Alltag der türkischen Metropole.
film-dienst


FILMKRITIK:

Behiye (Feride Cetin) hat rote Haare, zieht meist eine Schnute und gefällt sich in der Rolle der widerborstigen Rebellin. Sie kommt aus konservativem Haus, lebt mit Eltern und Bruder auf engstem Raum und versucht sich gegen deren reglementierendes Diktat zur Wehr zu setzen.
Handan (Vildan Atasever) wirkt wie das genaue Gegenteil. Sie ist hübsch, etwas laut und weiß nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Sie lebt mit ihrer Mutter zusammen, die sich für sexuelle Gefälligkeiten von verheirateten Männern aushalten lässt.

Über eine gemeinsame Freundin finden die beiden Mädchen zusammen und bilden fortan ein ungewöhnliches Team. Wie junge Mädchen auf der ganzen Welt ziehen sie durch die Stadt, verbringen ihre Zeit in Einkaufszentren und Boutiquen und machen sich über spießige Angestellte lustig. Sie leben für den Moment, aller wahren Probleme befreit, an ihre Zukunft verschwenden sie kaum einen Gedanken. Schnell zieht Behiye bei Handan ein, sieht in ihr die Komplizin, um vor den konservativen Eltern zu entkommen, vor allem den missbilligenden Blicken ihres Bruders, der seine Schwester als Schande betrachtet. Dass Handans Vater nach Australien ausgewandert ist, weckt in den Mädchen den Traum es ihm gleich zu tun, ihre Heimat zu verlassen und irgendwo, wo sie niemand kennt, ein neues, besseres Leben zu beginnen.

Was oft wie ein ganz normales Teenager-Drama wirkt, ist unter der Oberfläche viel mehr. Kutlug Ataman, der mit seinem vor acht Jahren entstandenen Film „Lola und Bilidikid“ auch in Deutschland bekannt wurde, gelingt auf subtile Weise ein vielschichtiges Bild der modernen Türkei. Die gesellschaftlichen Umstände, die verschiedenen familiären Konstellationen in denen die Protagonisten leben, stehen nicht im Vordergrund. Ihr Einfluss auf die Entwicklung der beiden Mädchen, ist jedoch immer spürbar. Während von Behiye erwartet wird, dass sie den Haushalt führt, putzt und kocht, lebt Handan das genaue Gegenteil. Glücklich ist aber weder die eine noch die andere. Die innere Unruhe, die die Mädchen antreibt, das Wissen, die Hoffnung, dass es irgendwo da draußen ein Leben gibt, in dem sie ihre Träume verwirklichen können, durchzieht den Film. Von Anfang an herrscht eine enorme Unruhe in den Bildern, greift Ataman auf sprunghafte Schnitte zurück, die keinen Wert auf Kontinuität legen. Nur selten kommt die Kamera und mit ihr der Film zur Ruhe, erlaubt er seinen Figuren Momente der Kontemplation, die zwischen Hoffnung und Melancholie schwanken. Zur Authentizität des Films tragen neben dem Stil vor allem die beiden jungen Hauptdarstellerinnen bei, die zwar bisweilen etwas ungebremst hysterisch agieren, meist jedoch die Verlorenheit ihrer Figuren überzeugend verkörpern.

Michael Meyns