Zwischen Himmel und Erde

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Anthroposophie heute nennt sich Christian Labharts Film im Untertitel, womit schon beschrieben ist, was diese Dokumentation versucht, aber nur bedingt erfüllt: Einen Blick auf Befürworter und Gegner anthroposophischer Lehren im 21. Jahrhundert werfen. Angesichts der zahlreichen Protagonisten die Labhart in seinem kurzen Film vorstellt ist „Zwischen Himmel und Erde“ am Ende allerdings kaum erhellender als ein Blick auf die wikipedia-Seite zum Thema.

Webseite: www.mindjazz-pictures.de

Schweiz 2009 - Dokumentation
Regie, Buch: Christian Labhart
Kamera: Otmar Schmid
Schnitt: Caterina Mona
Musik: Mich Gerber
Dokumentation
Länge: 82 Min.
Verleih: mindjazz pictures
Kinostart: 4. März 2010

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Verbunden ist der Begriff Anthroposophie (eine Kombination der griechischen Begriffe für Mensch und Weisheit) immer noch mit der Person Rudolf Steiner. Der 1925 gestorbene Philosoph entwickelte um 1900 seine Weltanschauung, die auch heute noch in vor allem drei Bereichen präsent ist, die auch den Film bestimmen: Die Waldorfschulen, die Eurythmie und die biologisch-dynamische Landwirtschaft. Kritik an den Lehren Steiners wurde schon immer geführt, ihr Dogmatismus kritisiert, ihre esoterischen Aspekte verlacht, zudem steht Steiner wegen rassistischer Äußerungen in der Kritik.

All dies (und viel mehr) deutet Christian Labhart in seiner Dokumentation an, doch kein Einzelaspekt wird wirklich hinterfragt oder gar klar beschrieben. In einem offensichtlichen, letztlich aber vorgeschoben wirkendem Bemühen um Objektivität hat Labhart gleich sieben Protagonisten gefunden, die unterschiedliche Aspekte der Anthroposophie in ihren jeweiligen Berufen einsetzen. Da findet sich eine Lehrerin an einer Waldorfschule, der Leiter der Akademie für eurythmische Kunst in Ägypten, sowie ein Landwirt, der nach biologisch-dynamischen Prinzipien arbeitet und glaubt, mit seinem Gehöft den Gesang der Vögel beeinflussen zu können. Dazu tritt ein Vorstandsmitglied der Anthroposophischen Gesellschaft auf und, quasi als Quoten-Gegner, ein ehemaliger Waldorfschüler, der deutliche, aber letztlich oberflächliche Kritik an den Methoden der Anthroposophie vorbringt.

Diese Überfülle an Protagonisten, die die zahlreichen Aspekte der Anthroposophie beleuchten, positive wie fragwürdige Aspekte aufzeigen sollen, führt zum genauen Gegenteil. Statt komplex zu sein, verliert sich „Zwischen Himmel und Erde“ in Oberflächlichkeit. Ein der Anthroposophie positiv gegenüberstehender Journalist darf in sekundenkurzen Interviewschnippseln von der fragwürdigen Einstellung der Anthroposophen gegenüber der Sexualität reden, sich dann positiv über Swingerclubs äußern und schließlich einen Ausschnitt aus dem Film „Matrix“ zeigen, der anthroposophische Konzepte aufzeigt. Alles interessante Aspekte, über die man gerne mehr gehört hätte. Doch diese Zeit gibt der Film weder diesem noch einem anderen Protagonisten. Allein das System der Waldorfschulen hätte wohl genug Stoff für einen Film geboten, von den komplexen philosophischen Fragen der Anthroposophie oder der Person Rudolf Steiners ganz zu schweigen. Wer sich auch nur ansatzweise mit Fragen und Problemen der Anthroposophie beschäftigt hat, wird in Christian Labharts Film kaum neues finden. Allein als sehr grobe Einführung in ein komplexes Thema lässt sich „Zwischen Himmel und Erde“ empfehlen.

Michael Meyns

Anthroposophie ist die etwa vor 100 Jahren von Rudolf Steiner ins Leben gerufene „Geisteswissenschaft“, die der Erfahrung des „Urgöttlichen im Menschen“ dient. Das soll sinnlich unbeeinflussbar durch rein geistiges Schauen geschehen. Zusammengesetzt ist die Anthroposophie aus Lehre und Schulung.

Die Methoden reichen von der Inspiration bis zur Erleuchtung und „Einweihung“. Steiner errichtete ein großes Gedanken- und Zeremoniengebäude, in dem beschrieben wird, wie Urgeistiges durch die Ursünde ins Stoffliche geriet und wie dieses mit Hilfe der Sonne und der Planeten, also dem Makrokosmos, zurückentwickelt werden kann in den Mikrokosmos des Geistesmenschen, in die Vergeistigung der Menschheit überhaupt.

Der Anthroposophismus (beispielsweise Waldorf-Schulen) besteht immer noch weltweit, ist aber – nicht zuletzt durch frühere rassistische und antisemitische Komponenten – starker Kritik ausgesetzt.

In diesem Dokumentarfilm kommen sechs Menschen zu Wort, die ihr Leben anthroposophisch ausrichten, und einer der sich distanziert: ein Eurhythmiker aus Ägypten, eine Kämpferin für Volksentscheide, ein Vorstandsmitglied der Anthroposophischen Gesellschaft, eine Waldorf-Lehrerin, ein mit Anthroposophie befasster Redakteur, ein schweizerischer Landwirt – und ein Sänger; er ist der Abtrünnige.

Subjektiv und bruchstückhaft berichten sie, was die Anthroposophie ihnen gibt, wie sie leben, wie sie die „Lehre“ verstehen und befolgen, was sie bewirken wollen – für sich und andere. Am überzeugendsten handelt der Landwirt. Er folgt nicht nur der Lehre, sondern auch den Ritualen.

Ein vollständiges Bild entsteht auf keinen Fall. Zu sporadisch sind Auswahl und Zusammenstellung.

Trotzdem ist es höchst interessant, diesen Dokumentarfilm anzuschauen. Er gibt die Vielfalt der Menschheit wieder, er versucht ansatzweise, Ursprung und Sinn der Existenz zu ergründen, er zeigt Ernsthaftes und Sektiererisches.

Thomas Engel