Do not resist

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Keine Nation der Welt gibt so viel für sein Militär aus wie die USA. Dementsprechend einflussreich ist der so genannte militärisch-industrielle Komplex, vor dem schon 1960 der scheidende Präsident Dwight Eisenhower warnte. Seit dem elften September wurden amerikanische Städte und ihre Polizeieinheiten, vorgeblich zum Schutz vor Terrorismus, nun zunehmend militarisiert. Mit verehrenden Folgen, wie Caig Atkinosn in seiner starken Dokumentation „Do not resist“ zeigt.

Webseite: dcmworld.com

Dokumentation
USA 2016
Regie & Buch: Craig Atkinson
 Länge: 72 Minuten
Verleih: DCM
Kinostart: 23. Februar 2017

FILMKRITIK:

Am 9. August 2014 wurde der 18jährige Afroamerikaner Michael Brown in der Kleinstadt Ferguson, im Bundesstaat Missouri von einem Polizisten erschossen. Ob Brown den Polizisten bedrohte oder er sich ergeben wollte, ist nicht endgültig geklärt, doch der erneute Tod eines jungen, unbewaffneten Schwarzen löste in den folgenden Tagen wütende Proteste in Ferguson, aber auch vielen anderen amerikanischen Städten aus. Die Gefahr, dass die Wut gegen die Polizei in Gewalt ausarten würde, lag auf der Hand, Ausgangssperren wurden verhängt, die Nationalgarde einberufen.
 
In ihrer Montur, mit Schutzwesten, schwere Waffen, unterstützt durch gepanzerte Fahrzeuge, streiften Polizeieinheiten durch die Stadt und ließen dabei nicht zufällig an Bilder von militärischen Einheiten aus urbanen Kriegsgebieten denken. Denn die Bewaffnung von Militär und Polizei nähert sich immer mehr an: Die Ausrüstung, die das Militär in Kriegsgebieten wie Afghanistan oder Irak nutzt, um sich vor Terrorangriffen mit versteckten Bomben oder Panzerfäusten zu schützen, wird zunehmend auch in der Heimat eingesetzt, wo das Bedrohungsszenario ein völlig anderes ist. - Sollte man zumindest meinen.
 
Doch seit den Anschlägen des elften Septembers hat sich die Situation zunehmend geändert. Das neu formierte Ministerium für Heimatschutz wähnt vielfältige Bedrohungen und hat in den letzten 15 Jahren rund 34 Milliarden Dollar zur Bewaffnung der Polizei ausgegeben. Zusätzlich stellte das Verteidigungsministerium Ausrüstung im Wert von 5 Milliarden Dollar kostenlos zur Verfügung, darunter gepanzerte Fahrzeuge, die in ihrem klotzigen Bombast auf der typischen, von Bäumen gesäumten amerikanischen Mainstreet vollkommen fehl am Platz wirken.
 
Dass diese offensiv zur Schau gestellte Bewaffnung auch einen Einfluss auf das Verhältnis von Polizei und Bürgern hat, liegt auf der Hand. Gerade in Problemgebieten mögen zwar die Zeiten vorbei sein, in denen Polizisten nur mit einem Stock „bewaffnet“ in ihrem Revier Präsenz zeigen (so wie es die legendären englischen Bobbies meist immer noch tun), doch die Ordnung zu hüten und dabei wie beim Einsatz in feindlichem Gebiet auszusehen, scheint kontraproduktiv.
 
Auf einen Kommentar, der diesen Aspekt zusätzlich betont verzichtet Craig Atkinson in seiner Dokumentation „Do not resist“. Stattdessen brummt fast fortwährend die Tonspur bedrohlich und lässt keinen Zweifel an Atkinsons Haltung. Dieser mehr als unsubtile Einsatz des Tons wäre gar nicht nötig gewesen, die Bilder sprechen eine deutliche Sprache. Egal ob Sitzungen von Untersuchungsausschüssen gezeigt werden, bei denen Senatoren kaum fassen können, wie freigiebig schwerste Waffen über das Land verteilt werden, ob Polizeieinsätze gezeigt werden, bei denen selbst harmlose Marihuana Raucher von einem Dutzend schwer bewaffneter Polizisten gestellt werden, oder Bilder aus Ferguson zu sehen sind: Das hier etwas grundlegend schief läuft, ist unübersehbar. Am Ende von „Do not resist“ ist die einzige Frage, ob Amerika auf dem Weg zu einem Polizeistaat ist. - Oder es schon längst ist.
 
Michael Meyns