Every Thing Will Be Fine

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Wer, wenn nicht Wim Wenders wäre besser prädestiniert, das 3-D-Verfahren für ein intimes Drama zu nutzen? Auf einer winterlichen Landstraße kommt es zu einem tragischen Unfall mit einem Kind. Den Fahrer, einen Schriftsteller, trifft keine Schuld. Doch das Ereignis hat traumatisierende Folgen. Über einen Zeitraum von zehn Jahren wirft der Film fragmentarische Blicke darauf, wie Schuld und die Suche nach Vergebung das Leben und das Lieben des Künstlers verändern. Die 3-D-Bilder verleihen den Akteuren mit voller Wucht eine einzigartige, schier unheimliche Präsenz, wie sie im Kino so noch nicht zu erleben war.  Emotionale Begegnungen der dritten Art. Die Angst des Menschen vor dem Schuld-Elfmeter. Bravo Wim Wenders!

Webseite: www.warnerbros.de

Deutschland, Kanada, Frankreich, Schweden, Norwegen 2015
Regie: Wim Wenders
Darsteller: James Franco, Charlotte Gainsbourg, Rachel McAdams, Marie-Josée Croze
Filmlänge: 118 Minuten
Verleih: Warner Bros.
Kinostart: 2. April 2015
 

Pressestimmen:

"Ein feinfühliges Drama über Wendepunkte im Leben... Eine Charakterstudie, die visuelle Opulenz und Pathos ungewohnt ökonomisch und stimmig einzusetzen weiß.
Wenders (findet) in der 3D-Technik außerdem eine Darstellungsweise, die die Figurenzeichnung nicht wesentlich prägt, sie aber schön unterstreicht. Benoît Debies Kameraführung hebt die Distanz zwischen Mensch und Umgebung markant hervor; die Räume, die die Figuren durchschreiten müssen, um sich zu begegnen, werden unmittelbar spürbar."
SPIEGEL online

FILMKRITIK:

Die Idylle trügt, die bedrohlichen Klänge des symphonischen Scores lassen es fast erahnen. Der Schriftsteller Tomas (James Franco) hat sich zum Schreiben in eine kleine Hütte auf dem zugefrorenen See zurückgezogen. Wie in einer Schneekugel fallen die glitzernden Flocken in 3-D durch das Bild. Nach einem Anruf seiner Freundin fährt Tomas in die gemeinsame Wohnung zurück. Das Wetter ist trübe, die Scheibenwischer schmieren. Plötzlich rutscht ein Schlitten auf die Straße. Schockiert tritt der Fahrer auf die Bremse. Noch schockierter wird der Schriftsteller sein, wenn er die ganzen Folgen des vermeintlich glimpflichen Unfalls erkennt. 
 
Für die Polizei trifft den Fahrer keine Schuld. Doch das Geschehen wirft den Autor aus der Bahn. Die ohnehin krisengeschüttelte Beziehung bricht auseinander, Tomas sucht verzweifelt Trost im Alkohol. Zwei Jahre später, gerade ist sein neuer Roman erschienen, wagt sich der Held zurück an den Ort des damaligen Geschehens. Er trifft auf die Mutter (Charlotte Gainsbourg) und bittet um Vergebung. Sie und ihr Sohn Christopher würden auch ihn in ihre Gebete immer einschließen, bekommt er verblüfft zur Antwort. In der Nacht erhält er einen Anruf, er möge nochmals zurückkommen. Weitere vier Jahre später lebt Tomas mit einer neuen Freundin und deren Tochter, die sehr stolz ist auf den erfolgreichen Schriftsteller ist. Gemeinsam besucht das Trio den Rummelplatz. Auf einer fröhlichen Fahrt im Riesenrad, die in 3-D in grandioser Poesie erscheint, wirkt die Idylle perfekt – doch auch diese Idylle ist trügerisch und wird jäh unterbrochen. Abermals vier Jahre später, Tomas steht gerade vor der Vollendung eines neuen Romans, erreicht ihn der Brief von Christopher, der ein Treffen mit ihm wünscht. Der Schriftsteller fürchtet um sein Seelenheil und lehnt ab. Doch ein nächtlicher Anruf wird seine Meinung ändern...
 
Telefongespräche ziehen sich wie ein roter Faden durch dieses Drama. Nicht minder auffallend ist, wie häufig die Beteiligten hinter Fenstern agieren, durch die sie von der Kamera beobachtet werden. Wenn diese Distanz fällt, dann gleich radikal: In wechselseitigen Großaufnahmen erlebt man die redenden Akteure, fast als wären sie Interview-Partner. Für die Darsteller gerät die Sache zum unerbittlichen Seelenstrip in 3-D, zwei Kameras sehen schließlich mehr als eine. Das ausdrucksstarke Gesicht der Gainsbourg ist unter normalen Verhältnissen schon wirkungsvoll, in dreidimensionalen Verhältnissen potenziert sich der Effekt. Und für James Franco (der auf der Berlinale kurioserweise zugleich bei Werner Herzog auftrat) ist diese Rolle des coolen Künstlers mit Versagensängsten und sensiblem Herzen ohnehin eine gemähte Wiese.
 
Mit seiner Tanz-Doku „Pina“ hat Wenders virtuos unter Beweis gestellt, dass sich das 3-D-Format nicht nur für Action-Ware aus der Popcorn-Abteilung eignet. Mit diesem intimen Schuld- und Sühne-Drama betritt er abermals cineastisches Neuland und liefert einen Film, wie es ihn so noch nicht gegeben hat. "Ich bin mir sicher, dass sich hier eine ganz neue Tür für die 3-D-Technik öffnet, für das Schauspielen und für Stoffe, die dadurch tatsächlich eine andere Dimension bekommen und den Zuschauer anders berühren, ihm wahrsten Sinne des Wortes näherkommen", sagt Wenders. Wer's nicht glaubt – ab ins Kino!
 
Dieter Oßwald