Nicht ohne uns!

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Wie ein Schrei nach Aufmerksamkeit klingt der Titel von Sigrid Klausmanns Dokumentation und so darf man „Nicht Ohne Uns!“ durchaus auch verstehen. 16 Kinder aus aller Welt beobachtete die Regisseurin bei ihrem täglichen Leben, strukturiert durch den Weg zur Schule, deutet dabei subtil Ähnlichkeiten an, ohne jedoch die offensichtlichen Unterschiede zu negieren.

Webseite: www.farbfilm-verleih.de

Deutschland 2016
Regie, Buch: Sigrid Klausmann
Dokumentation
Länge: 87 Minuten
Verleih: farbfilm Verleih
Kinostart: 19. Januar 2017

FILMKRITIK:

Der Ansatz, den Sigrid Klausmann für ihre Dokumentation „Nicht Ohne Uns!“ gewählt hat, wirkt bekannt: 16 Kinder aus 14 Länder hat die Regisseurin beobachtet, zu Hause, in der Schule, hat sie über ihr Leben, ihre Wünsche und Träume befragt und die Ergebnisse zu einem erdumspannenden Film zusammen geschnitten. Ein ganz ähnliches Konzept hatte vor ein paar Jahren der französische Regisseur Pascal Plisson in seinen Film „Auf dem Weg zur Schule“ gewählt, doch die Unterschiede könnten nicht größer sein. Hatte Plisson vier Kinder in oft inszenierten Szenen gezeigt und suggeriert, dass das Leben überall auf der Welt im Kern identisch ist, geht Klausmann viel offener an ihr Thema heran, vor allem aber mit einem Blick, der nicht verklärt und auch nicht vor der harschen Realität zurückweicht. Dass Klausmann gleich 16 Kinder porträtiert, macht manche der Kinder zwar zu Randfiguren, die aber dennoch wichtig sind, um Kontraste und Ähnlichkeiten anzudeuten.
 
Die globale Reise beginnt im Herzen Europas, wo Vincent in Österreich mit seiner Familie auf einer Berghütte wohnt und täglich auf Skiern zur Schule fährt. In der benachbarten Schweiz lebt Rebekka, die sehbehindert ist und sich mit ihrem Blindenstock durch ihr Dorf tastet und wohl vergeblich davon träumt, Tierärztin zu werden. In New York lebt Sai, Tochter indischer Einwanderer und fährt täglich mit der U-Bahn zur Schule. In Indien selbst lebt Sanjana, die in einem Rotlichtviertel aufwächst und täglich mit Menschenhandel und Prostitution konfrontiert wird. Ein ähnlich hartes Schicksal hat das Waisenkind Alphosine, die in der Elfenbeinküste bei einer Tante aufwächst, die sie regelmäßig schlägt. In die Schule kann Alphosine nicht gehen, im Gegensatz zu Luniko, der in Südafrika im Township Khayelitsha aufwächst, einem der gefährlichsten Orte der Welt und ist zu allem Überfluss auch noch HIV-Positiv. Im Irak wächst Jafer auf, der in seinem kurzen Leben schon allzu viele Kriege erlebt hat. Ähnlich wie Ekhlas aus Jordanien, ein Beduinen-Mädchen, dass beobachtet wie die nutzbaren Wasserstellen immer weiter zurückgehen.
 
Herbe Themen schneidet Klausmann an, beschönigt nichts, zeichnet kein verklärtes Bild der Kindheit, driftet aber auch nicht in Miserabilismus ab. Die ganze Bandbreite menschlicher, kindlicher Erfahrungen deutet sie an, tut aber nicht so, als wären Kinder aus so unterschiedlichen Ländern und Kulturkreisen wie etwa Laos und Deutschland, wirklich vergleichbar. Gerade dieser undogmatische Blick, der die Kontraste nicht im Sinne eines: „Seht, wie viel besser es uns in Westeuropa geht“ gegeneinander schneidet, macht „Nicht Ohne Uns!“ so sehenswert. Weder die Unterschiede, noch die Ähnlichkeiten zwischen Kindern und ihren Lebenswelten, Wünschen und Ängsten werden überbetont, sondern gleichberechtigt nebeneinander gestellt. Das Leben in Österreich oder Deutschland ist nicht zwingend besser als das Aufwachsen in Peru oder Laos. Es mag einfacher und unkomplizierter sein, doch Hürden gibt es auf dem Lebensweg hier wie dort.
 
Michael Meyns