
Anlässlich der 75. Berlinale veröffentlichte Christian Bräuer, Vorsitzender der AG Kino – Gilde, einen Gastbeitrag im Tagesspiegel. In seinem zur Festivaleröffnung erschienenen Artikel betont er nicht nur die bedeutende Rolle des Kinos in unserer Gesellschaft, sondern plädiert auch für dessen Zukunft und Relevanz in einer zunehmend fragmentierten Welt.
Die gestrige Eröffnung der Berlinale unterstrich diese Botschaft eindrucksvoll: Die neue Festivalleiterin Tricia Tuttle setzte mit ihrer Entscheidung, den Eröffnungsfilm DAS LICHT von Tom Tykwer zeitgleich in sieben weiteren deutschen Städten zu zeigen, ein wichtiges Zeichen. Die Premiere symbolisierte die enge Verbindung des Festivals mit dem Kino und seinem Publikum – weit über Berlin hinaus. Ob im Dorf, in der Kleinstadt oder im Kiez – Kinos bringen Menschen zusammen, die sich im Alltag sonst kaum begegnen würden. In Zeiten wachsender gesellschaftlicher Spaltung erfüllen sie damit eine unverzichtbare soziale Funktion.
Das Kino ist dabei weit mehr als ein Ort der Unterhaltung – es ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer kulturellen und sozialen Landschaft. In Zeiten zunehmender Vereinsamung bietet es einen Raum für Begegnung und Diskurs. Hier entstehen Gemeinschaftserlebnisse – ein wichtiger Gegenpol zum oft zitierten „antisozialen Jahrhundert“.
Einen Film im Kino zu sehen, ermöglicht es, die Komplexität unserer Zeit mit ungeteilter Aufmerksamkeit zu erfassen, ungestört von den Ablenkungen und unbeeinflusst von den intransparenten Algorithmen digitaler Plattformen. Die sorgfältig kuratierten Programme unabhängiger Kinos bieten Orientierung in der Fülle audiovisueller Inhalte und erfüllen damit eine zentrale Funktion als vertrauenswürdige Kulturorte – eine Rolle, die angesichts der fortschreitenden Entwicklung Künstlicher Intelligenz noch an Bedeutung gewinnt. Ein Punkt, den auch Pulitzer-Preisträger Walt Hickey in dieser Woche auf der Cinema Vision 2030 wissenschaftlich fundiert dargelegte.
Trotz positiver Entwicklungen – wie einem Besucherzuwachs von 3,1 Prozent in Arthousekinos im Jahr 2024 – bleibt die Situation für Kinos fragil. Wichtige Fördermaßnahmen wie das Zukunftsprogramm Kino und die anreizorientierte Programmkinoförderung sind aufgrund der politischen Unsicherheit ausgesetzt, obwohl Investitionen in neue Technologien und Programmarbeit dringend erforderlich sind. In seinem Gastbeitrag appelliert Christian Bräuer daher an die kommende Bundesregierung, die unvollendete Filmreform abzuschließen und die Kinos als gesellschaftlich wie wirtschaftlich bedeutsame Kulturorte zu stärken.