Begabt – Die Gleichung eines Lebens

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Wie soll man mit einem hochbegabten Kind umgehen, in welcher Umgebung soll es aufwachsen? Das sind die Fragen, die Mark Webb in „Begabt - Die Gleichung eines Lebens“ stellt, einem Film, der sich auf dem Papier wie ein konventionelles, sentimentales Drama liest, sich aber bald zu einem oft sensiblen Film über die schwierige Entscheidung entwickelt, was das Beste für ein Kind ist.

Webseite: www.begabt-derfilm.de

Gifted
USA 2017
Regie: Mark Webb
Buch: Tom Flynn
Darsteller: Chris Evans, Mckenna Grace, Lindsay Duncan, Jenny Slate, Octavia Spencer, John Finn
Länge: 101 Minuten
Verleih: FOX
Kinostart: 13. Juli 2017

FILMKRITIK:

Mary Adler (Mckenna Grace) ist begabt. Sie ist zwar erst sieben Jahre alt, kann jedoch mathematische Probleme lösen, die selbst die meisten Erwachsenen auch mit einem Taschenrechner nicht bewältigen könnten. Dieses Talent liegt in ihrer Familie, schon ihr Großvater war ein Mathe-Genie und auch seine Tochter, Marys Mutter, hatte das Talent zum Rechnen gelernt. Doch das Genie hatte seinen Preis, an dem Marys Mutter verzweifelte und sich das Leben nahm. Seitdem lebt Mary bei Frank, ihrem Onkel, der sich nach Florida zurückgezogen hat, fern der Heimat der Familie in Boston.
 
Franks Ziel ist es, Mary ein möglichst normales Leben zu bieten, in einem normalen Haus und vor allem einer normalen Schule. Doch schon an ihrem ersten Schultag beeindruckt Mary ihre Lehrerin Bonnie (Jenny Slate) mit ihrer Begabung und setzt damit eine Kette von Ereignissen in Gang. Die Rektorin sieht sich nicht in der Lage, Mary angemessen zu unterrichten und will sie an eine Schule für Hochbegabte schicken. Und zu allem Überfluss reist auch noch Franks Mutter Evelyn (Lindsay Duncan) aus Boston an, die ebenfalls nur das Beste für Mary will; zumindest das, was sie dafür hält. Ein Sorgerechtsstreit entbrennt, bei dem das Wohl des Kindes zunehmend aus den Augen zu geraten droht.
 
Ob mathematisches Genie tatsächlich vererbbar ist sei zwar dahingestellt, in Mark Webbs „Begabt“ ist es das jedenfalls. Ein wenig dick aufgetragen ist dieses Drehbuchkonstrukt zwar, doch was damit erzählt wird, ist deutlich sensibler und ambivalenter. So sympathisch der von Chris „Captain America“ Evans gespielte Zieh-Vater Frank auch ist, als perfekter Erziehungsberechtigter für das kleine Genie Mary wird er nicht hingestellt. Die quasi Schwiegermutter Evelyn erweist sich zwar ebenfalls als wenig ideale Wahl, doch wie es Mark Webb vermeidet, eine Seite allzu einfach gegen die andere auszuspielen, verleiht seinem Familien-Drama Tiefe, die angesichts der schematischen Konstruktion überrascht.
 
Zwar weicht er nicht jeder plakativer Situation aus, trägt immer wieder etwas zu dick auf, doch im Kern erzählt „Begabt“ auf sensible Weise von der Schwierigkeit zu entscheiden, was das Beste für ein ungewöhnliches Kind ist. Einerseits geht es Mary innerhalb des beschaulichen Leben, das Frank in Florida für sie aufgebaut hat, gut, doch mit zunehmendem Alter, vor allem dem Erwachen ihrer intellektuellen Fähigkeiten, die die ihrer Klassenkameraden (und auch die der meisten Erwachsenen) um Längen übertreffen, wird deutlich, dass sie etwas ganz Besonderes ist. Und zwar nicht nur das ganz Besondere für das fast alle Eltern ihren Nachwuchs halten, sondern wirklich ein außerordentliches Talent, das es zu fördern gilt. Dies jedoch in Einklang mit den andererseits immer noch vorhandenen kindlichen Bedürfnissen zu bringen, ist alles andere als einfach. Wie die Erwachsenen und Mary mit dieser Situation umgehen erzählt Mark Webb als anfangs etwas konstruierten Film, der sich jedoch bald zu einem sensiblen, gut beobachteten Familien-Drama entwickelt.
 
Michael Meyns