Cobain

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In ihrem sechsten Film „Cobain“ verfilmt die niederländische Regisseurin Nanouk Leopold zum ersten Mal ein fremdes Drehbuch, was ein Grund dafür sein mag, dass die Geschichte vom 15jährigen Cobain, der versucht, seine kaum mehr als doppelt so alte Mutter aus ihrem Leben aus Sucht und Geldnot zu befreien, nicht ganz aus einem Guss wirkt. Vor allem der junge Hauptdarsteller Bas Keizer vermag jedoch über manche Probleme hinwegzuspielen.

Webseite: www.wfilm.de/cobain

Niederlande 2017
Regie: Nanouk Leopold
Buch: Stienette Bosklopper
Darsteller: Bas Keizer, Naomi Velissariou, Wim Opbrouck, Dana Marineci, Cosmina Stratan, Maria Kraakman
Länge: 97 Minuten
Verleih: wFilm
Kinostart: 13. September 2018
 

FILMKRITIK:

Cobain, so wie der amerikanische Rockmusiker, der sich mit einem Gewehr selbst tötete. Schon sein Name deutet an, dass sich seine Mutter nicht allzu viele Gedanken gemacht hat und dies immer noch nicht tut. Cobain (Bas Keizer) ist inzwischen 15 und hat sein Leben in sozialen Einrichtungen verbracht. Vergessen hat er seine Mutter Mia (Naomi Velissariou) dennoch nie, auch wenn sie nie eine wirkliche Mutter für ihn war. Nun ist Mia erneut schwanger, taucht immer mal wieder in Cobains Leben auf, bittet ihn um Geld, vor allem aber darum, dass er sie in Ruhe lässt: Ich mache mir keine Gedanken über dich, mach du dir keine über mich, sagt sie ihm, was für die meisten Menschen ein endgültiger Abschied wäre.

Nicht so für Cobain, der sich bei Mias Ex Wickmayer (Wim Opbrouck) verdingt, einem Zuhälter, der ausländische Frauen auf den Strich schickt. Kaum älter als Cobain sind die Frauen, doch er wird so etwas wie ihr kleiner Bruder, der sich um sie kümmert, aber auch mit ihnen flirtet, denn langsam wird Cobain erwachsen. Doch erst als er wirklich die Verantwortung für seine Mutter und ihr ungeborenes Kind übernimmt – seinen kleinen Bruder – kann Cobain wirklich damit beginnen, ein eigenes Leben zu leben.

Ihre langjährige Produzentin Stienette Bosklopper hatte das Drehbuch geschrieben, dass Nanouk Leopold kurzerhand zu ihrem sechsten Langfilm verarbeitete. Denn „Cobain“ erzählt im Ansatz eine typische Leopold-Geschichte, beschäftigt sich mit gesellschaftlichen Außenseitern, mit Menschen, die von der Norm abweichen, die anders und oft auch schwierig sind. Von solchen Menschen hat Leopold immer erzählt, sei es in „The Brownian Movement“ oder zuletzt in „Oben ist es still.“ Oft blickt Leopold mit kühlem, distanzierten Blick auf diese Menschen, in „Cobain“ dagegen sind die Bilder von weichem Licht geprägt, bleibt die Kamera ganz nah bei der jugendlichen Hauptfigur und ihrem Blick auf die Welt. Mal in typischem Dardenne-Stil von hinten, Cobain unerbittlich verfolgend, während er durch die Stadt geht, von einer Besorgung zur nächsten, sich Ziele suchend wo er eigentlich keine hat. Klassisch sozialrealistisch wirkt Leopolds Film hier, beschreibt Situationen aus gebrochenen Familien, gespannten Verhältnissen, sozialen Abgründen.

Doch dann wieder werden Leopolds Blick und ihre Kamera impressionistisch, beobachtet sie ausführlich, wie Cobain mit seiner Mutter oder den Prostituierten agiert, wie sich auf dem unverbrauchten Gesicht des Nachwuchsschauspielers Bas Keizer der Zwiespalt seines Wesens zeigt: Gleichzeitig noch ein Kind, manchmal unbedarft und ungestüm, doch auch schon ein Erwachsener, im Umgang mit den Prostituierten, vor allem aber im Verhältnis zu seiner Mutter.

Bald ist er der reifere in dieser Beziehung, bemüht sich um seine Mutter und seinen ungeborenen Bruder, wodurch der Film eine letzte Wendung nimmt, die nicht ganz zum Rest des Films passen mag. Durch das stückhafte des Drehbuchs holpert „Cobain“ immer wieder ein wenig dahin, wirkt nie ganz aus einem Guss. Und doch ist in vielen Sequenzen Leopold großes Gespür für Zwischenmenschliches zu spüren, für oft unterdrückte Emotionen, vor allem aber für Schauspieler. In Bas Keize hat sie einmal mehr ein Gesicht entdeckt, für das allein sich der Besuch lohnt, ein (noch) unbeschriebenes Blatt von dem man in den nächsten Jahren sicher noch einiges hören und sehen wird.

Michael Meyns