Die Berufung

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Diese Frau hat Geschichte geschrieben. Und sie tut es bis heute: die Supreme Court-Richterin Ruth Bader Ginsburg. Das spannende Biopic über die frühen Karrierejahre der inzwischen 85jährigen amerikanischen Gallionsfigur der Justiz und Amerikas Ikone der Gleichberechtigung kommt zum richtigen Zeitpunkt in die Kinos. Die Anhörung des neuernannten Supreme Court Richters Bret Kavanaugh hat gezeigt, wie frauenfeindlich das gesellschaftliche Klima in Zeiten von #MeToo noch ist. Und wie dringend das Gericht starke, unabhängige Richterinnen wie Ruth Bader Ginsburg braucht. Eindrucksvoll erinnert Regisseurin Mimi Leder mit ihrer hoffnungsvollen Hommage, die zu keiner Minute ein trockenes Gerichtsdrama ist, wie hart Rechte erkämpft wurden. Und dass dieser Kampf noch lange nicht zu Ende ist.

Webseite: www.dieberufung-derfilm.de

USA 2018
Regie: Mimi Leder
Darsteller: Felicity Jones, Armie Hammer, Katy Bates, Justin Theroux, Jack Reyno, Cailey Spaeny, Sam Waterston, Stephen Root, Francis X. Mccarthy
Länge: 120 Minuten
Verleih: Filmverleih Entertainment One Germany GmbH
Kinostart: 7. März 2019

FILMKRITIK:

Amerika in den 1950er Jahren. Frauen und Männer sind zwar angeblich gleichgestellt. Doch die Wirklichkeit sieht völlig anders aus. Viele Türen sind ihnen verschlossen. Elite-Unis wie Princeton lassen sie nicht einmal zum Studium zu. Aus dem Off ertönt ein sonorer Männerchor, der „Ten Thousand Men of Harvard“ singt, das legendäre, sexistisch anmutende Kampflied der Universität. Auf der Leinwand strömt ein Heer aus jungen Männern in dunklen Anzügen auf den als Harvard Law School bekannten Tempel zu.
 
In ihrer Mitte Ruth Bader Ginsburg (Felicity Jones), Die frischgebackene Jurastudentin ist eine von neun Frauen unter fast 500 Studenten. Was das bedeutet erlebt sie im Hörsaal. Der Dozent Professor Brown (Stephen Root) ignoriert sie geflissentlich. Als er sie doch endlich zu Wort kommen lässt, macht ihr Kommilitone sie mit einem sexistischen Witz lächerlich. Die männliche Meute wiehert. Ruth beherrscht sich.
 
Beim Dinner am Abend fragt der Dekan der Hochschule Erin Grisworld (Sam Waterston) unverblümt, was die Frauen am Tisch, denn berechtige einem Mann den Studienplatz wegzunehmen. „Mein Mann studiert ebenfalls Jura und ich möchte ihn besser verstehen“, erwidert Ruth scheinbar unterwürfig mit einem charmanten Lächeln, „damit ich ihm eine geduldigere Ehefrau sein kann“. Ihre Mitstudentinnen am Tisch verkneifen sich das Lachen.
 
Obwohl sie ihr Jura-Studium in Harvard als Jahrgangsbeste abschließt, will keine Kanzlei die junge Mutter anstellen. Anwältinnen sind einfach nicht vorgesehen. Und schon gar keine Richterinnen. Dieses Privileg ist einzig ihren männlichen Kollegen vorbehalten. „Ein Personalchef meinte, eine Frau sei zu emotional und eine mit Einser Examen muss Haare auf den Zähnen haben“, beschwert sich Ruth bei ihrem Ehemann Marty (Armie Hammer). Also bleibt ihr nur eine Stelle als Professorin an der Rutgers Universität. Dort unterrichtet sie junge Frauen.
 
Doch, Marty, ein versierter Steueranwalt, hat einen Tipp für sie: Der Fall Charles Moritz. Trotz der aufopfernden Pflege seiner kranken Mutter, wird dem Junggesellen aus Colorado der übliche Steuernachlass von 296 Dollar verweigert. Grund: Pflege sei Frauensache. Ruth wittert einen Präzedenzfall. Ein Bundesgericht soll entscheiden, dass dieses Gesetz verfassungsfeindlich ist. „Das ist kein Fall, sondern eine Kriegserklärung“, versucht selbst Mel Wulf (Justin Theroux) von der liberalen Bürgerrechtsunion ACLU sie zu stoppen. „Damit wirfst du die Frauenbewegung um zehn Jahre zurück“, unkt er.
 
Mit eisernem Willen und scharfem juristischen Verstand zieht sie, vorbehaltlos unterstützt von ihrem Mann, vor Gericht in einen leidenschaftlichen Kampf gegen die Geschlechterdiskriminierung. Smart, eloquent und mit sehr viel Biss liefert sie den verknöcherten Juristen einen temporeichen Schlagabtausch. Das spannende Biopic ist jedoch zugleich eine wunderbare Liebesgeschichte. Denn ihr Mann Marty, selbst ein Topjurist, unterstützt sie total. Selbstverständlich kümmert er sich um den Haushalt und die beiden Kinder.
 
Im wirklichen Leben gab der Topjurist damals seinen Job in New York auf, damit sie in Washington ans Berufungsgericht gehen konnte. Er tat, was sonst von Ehefrauen erfolgreicher Männer erwartet wird. Regisseurin Mimi Leder gelingt das Kunststück, das hellsichtige Justizdrama über die frühen Karrierejahre der inzwischen 85jährigen Supreme Court-Richterin und amerikanische Gallionsfigur der Gleichberechtigung mit gerade einmal einer Szene in einem Gerichtssaal zu inszenieren.
 
Doch die hat es in sich. Unerschrocken zeigt die junge britische Schauspielerin Felicity Jones in einer fast fünfminütigen Rede, dass sie ihrer anspruchsvollen Rolle voll und ganz gewachsen ist. Aber auch Armie Hammer („Call me by your name“) an ihrer Seite überrascht positiv. „Charaktere wie Martin sind in Hollywood stark unterrepräsentiert“, gibt der der charmante Kalifornier zu. „Tolle Ehemänner und Väter, die ihre Frauen so unglaublich unterstützen sind selten“, weiß der große gutaussehende Frauenschwarm, der auch die echte Ruth Bader Ginsberg beindrucken konnte.
 
Dass RBG, so ihr Spitzname, mit ihrer filmischen Hommage zufrieden war liegt wohl nicht allein daran, dass das Drehbuch aus der Feder ihres Neffen stammt. Last but not least gönnt sie sich am Schluss des Films einen kurzen Gast-Auftritt. In der letzten Einstellung geht die jungen Ruth Bader Ginsburg im blauen Kostüm die Treppe des Obersten Gerichtshofs hinauf. Dann schwenkt die Kamera und zeigt RBG im selben Outfit auf der Marmortreppe.
 
Luitgard Koch