Die brillante Mademoiselle Neila

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Die Kunst, Recht zu behalten – man kann sie lernen. Im neuen Film von Yvan Attal nimmt Daniel Auteuil als zynischer Rhetorik-Professor eine junge Jurastudentin unter seine Fittiche, um ihr die Technik des Diskutierens beizubringen. Und um seinen Job zu retten. Zwei Dickköpfe prallen aufeinander, und wie sie langsam, mit intelligent geschriebenen Dialogen, am selben Strick ziehen, um einen Rhetorik-Wettbewerb zu gewinnen, ist die eigentliche Geschichte des Films. Schöne Erkenntnis: Mit den richtigen Worten kann man viel erreichen, vom Kuss bis zur Karriere.

Webseite: www.die-brillante-mademoiselle-neila.de

OT: Le Brio
Frankreich 2017
Regie: Yvan Attal
Darsteller: Carmélia Jordana, Daniel Auteuil, Yasin Houicha, Nozha Khouadra
Länge: 95 Min.
Verleih: Square One/Universum, Vertrieb: Fox
Kinostart: 14.6.2018
 

FILMKRITIK:

Neïla Salah (Camélia Jordana) hat es, trotz ihres nordafrikanischen Migrationshintergrunds, geschafft. Sie darf an der renommierten Pariser Assas Law School studieren. Doch gleich am ersten Tag des Semesters kommt sie zu spät. Der Hörsaal ist rappelvoll, und Professor Pierre Mazard (Daniel Auteuil), bekannt für seine spitze Zunge, ist nicht bereit, die Störung einfach so hinzunehmen: Wie sie heiße, ob Neïla der Vorname sei oder der Nachname, warum sie zu spät komme, warum sie sich nicht entschuldige. Mazard ist ein frauenfeindlicher und rassistischer Mistkerl, das merkt man sofort. Doch diesmal haben seine verbalen Ausfälle Folgen: Jemand hat den Zwischenfall aufgenommen und auf YouTube gestellt, der Dekan der Universität muss handeln: Entweder Mazard nähme seinen Hut. Oder er helfe Neïla, den alljährlichen Rhetorikwettbewerb zu gewinnen. Neïla ist zunächst gar nicht begeistert: Der zynische alte Mann hat sie zu sehr beschämt. Doch dann sieht sie die Chance, von dem versierten und eloquenten Rhetoriker all das zu lernen, was sie später einmal als Rechtsanwältin wissen muss.

Regisseur Yvan Attal macht es dem Zuschauer zunächst nicht leicht, seine Figuren zu mögen. Neïla geht einem in den ersten Szenen mit ihrer Unpünktlichkeit und ihrem aufbrausenden Temperament, ihrer Aggressivität und Zickigkeit gehörig auf die Nerven. So legt sich ein kleiner Schatten auf die Figur, die erst später Mut, Hartnäckigkeit, Freundlichkeit, Zielstrebigkeit und Dankbarkeit zeigen wird. Mazard hingegen ist zwar ein guter Lehrer, der mit ungewöhnlichen Methoden und immensem Wissen seine Schülerin fordert. Aber mit seinen Wutanfällen, Provokationen und Beleidigungen erscheint er als schwieriger Misanthrop, dem man nur ungern Sympathie entgegen bringt.

Im Folgenden geht es also darum, wie Lehrer und Schülerin aufeinander zu gehen und voneinander lernen. Das ist mitunter sogar komisch, etwa, wenn Mazard Neïla zwingt, in einer Metro die Aufmerksamkeit der Fahrgäste mit der Rede eines römischen Senators zu erringen, oder das Mädchen einen Freund seit Kindertagen mit geschickter, eigentlich das Gegenteil fordernder Rhetorik dazu verführt, sie endlich zu küssen. Zum Schluss gibt es, ausgelöst durch einen missgünstigen Kommilitonen, einen dramaturgischen Umweg, der das gute Ende aber nur kurz aufhalten kann.

Natürlich geht es hier auch um die Macht des Wortes und die richtige Argumentation. In fein ziselierten, intelligent geschrieben Dialogen berührt der Film zahlreiche Themen, vom Rassismus bis zur Frauenfeindlichkeit, von der Bigotterie bis zur Wahrheit, von der Bildung bis zur Redefreiheit. Nicht umsonst wird hier Arthur Schopenhauers Technik des Diskutierens, auch bekannt als „Eristische Dialektik“, angeführt. 38 Kunstgriffe gibt es, die einem helfen, Recht zu behalten, von der Ablenkung bis zur Verallgemeinerung, von falschen Annahmen bis zur irritierenden Zwischenfrage. Und wenn der Gegner zu gewinnen droht, darf man ihn auch persönlich beleidigen. Wer hätte gedacht, dass Schopenhauer auch heute noch so aktuell ist?

Michael Ranze