Ein leichtes Mädchen

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Mit ihrem neuesten Werk legt die französische Filmemacherin Rebecca Zlotowski eine Coming-of-Age-Geschichte vor, die reichlich unaufgeregt daherkommt, vor allem aber von Mina Farids unbeschwert naivem und natürlichem Spiel lebt. Sie ist die jüngere Cousine von Sofia, die in den Sommerferien zu Besuch kommt, in einer Welt, in der Schein mehr als Sein ist, gedeiht und den Teenager in diese hineinzieht. Als laszive Schönheit brilliert Zahia Dehar, die am Drehbuch mitwirkte und vor zehn Jahren über Frankreichs Grenzen hinaus durch einen Sexskandal mit Franck Ribery bekannt wurde.

Webseite: www.alamodefilm.de

Une fille facile
Frankreich 2019
Regie: Rebecca Zlotowski
Buch: Rebecca Zlotowski, Zahia Dehar, Teddy Lussi-Modeste
Darsteller: Zahia Dehar, Benoit Magimel, Mina Farid.
Länge: 92 Minuten
Verleih: Alamode/Wild Bunch
Kinostart: 12. September 2019

FILMKRITIK:

Naïma (Mina Farid) ist 16 geworden und hat die Schule abgeschlossen. Bevor der Ernst des Lebens beginnt, will sie noch einmal Ferien machen, auch wenn sie keine Ahnung hat, was sie tun soll, da sie sich nichts leisten kann. Aber dann taucht unerwartet ihre ältere Cousine Sofia (Zahia Dehar) auf und nimmt Naïma unter ihre Fittiche. Sie lebt ihr ein Leben vor, das wirklich frei zu sein scheint, aber auch seine Schattenseiten hat. Sofia sonnt sich im Licht der Reichen und versteht es, mit ihren Reizen einen Yachtbesitzer zu betören – immer Naïma im Schlepptau, die wie ein scheues Kätzchen mitkommt, staunt und sich dabei verändert. Es ist der Sommer, in dem sie erwachsen wird.
 
Schön ist Rebecca Zlotowskis Film schon. Er setzt das Leben entlang der Côte d'Azur in prächtigen Bildern um und beschwört Urlaubsfeeling herauf, während er sich einer Geschichte hingibt, die klein und unscheinbar ist, aber dank der präzisen Darstellung der beiden Protagonistinnen durchaus zu interessieren vermag. Es ist eine ungewöhnliche Coming-of-Age-Geschichte, die Zlotowski hier erzählt. Eine, in der ein jüngeres Mädchen zu einer jungen Frau aufschaut, sie sogar kopiert und in einem Sturm der widerstrebenden Gefühle gefangen ist. Einerseits will Naïma wie Sofia sein, andererseits hat sie nicht den Mut, ihr Leben so zu leben. Als sie es dann versucht, geht es in die Hose. Sie wird von dem deutlich älteren Philippe (Benoit Magimel) abgewiesen, da diesem bewusst ist, dass sie noch ein Kind ist. Das ist eine starke Szene, weil man zuvor dank Magimels filigranem Spiel das Gefühl hat, Philippe wäre bereit, eine Grenze zu überschreiten, die ein Mann in den Mitt-Vierzigern einhalten sollte.
 
So entwickelt sich die Geschichte durchaus auch anders, als man erwartet. Während Sofia mit ihrem Eintauchen in einen Gemütszustand, der die absolute Freiheit propagiert, frei von Liebe, frei von Gefühlen, nur auf der Suche nach Aufregung und Abenteuer, so etwas wie ein verheißungsvoller Traum ist, ist Naïma das bodenständige Gegenstück. Damit spiegeln die beiden Frauen auch wider, wie es um die beiden Männer auf der Yacht bestellt ist. Der eine ergreift das Leben, der andere ist ruhig und besonnen – und scheint sich dafür zumindest so manches Mal zu verdammen.
 
„Ein leichtes Mädchen“ erscheint eher wie eine Fingerübung, leicht und luftig wie ein lauer Sommerabend, aber auch ein bisschen flüchtig. Rebecca Zlotowski ist ein kleiner, feiner Film gelungen, dessen größter Widersacher vielleicht seine eigene Unscheinbarkeit ist. Auch wenn es um ein leichtes Mädchen geht, ist es nicht dieses, das den Film am besten repräsentiert. Es ist die unschuldige, naive Naïma, die sich in jenem Zwischenreich zwischen Kind und Erwachsener befindet.
 
Peter Osteried