High Life

Zum Vergrößern klicken

Der Weltraum, unendliche Weiten. Und plötzlich schreit da ein Baby. Wenn Frankreichs eigenwillige Arthaus-Diva Claire Denis einen Ausflug ins Science-Fiction Genre unternimmt, fällt das Ergebnis erwartungsgemäß ungewöhnlich aus. Eine Gruppe Sträflinge begibt sich auf eine brenzlige Raumschiff-Mission. Die dubiose Bordärztin will mit Fortpflanzungsexperimenten die Herrin über neues Leben werden. All das wird als Kammerspiel im All mit reichlich Rückblenden samt verruchter Sex-Sequenzen inszeniert: Begierden-Odyssee im Weltraum! Ist das verquaste Kunst oder kann das weg? Mit Ex-Vampir-Hübschling Robert Pattinson sowie Oscar-Preisträgerin Juliette Binoche an Bord lässt sich für ein aufgeschlossenes Publikum allemal sagen: Beam me up, Claire.
Webseite: www.pandorafilm.de

Deutschland, Frankreich, UK, Polen, USA 2018
Regie: Claire Denis
Darsteller: Robert Pattinson, Juliette Binoche, Mia Goth, André Benjamin, Lars Eidinger
Filmlänge: 110 Minuten
Verleih: Pandora
Kinostart: 14.3.2019

FILMKRITIK:

„Wir waren Abschaum, Abfall, Müll, der nicht ins System gepasst hat. Bis jemand die tolle Idee hatte, uns zu recyceln.“ Der Ich-Erzähler Monte (Robert Pattinson) klärt auf. Sträflinge hatten die Wahl: Todesstrafe oder Himmelfahrtskommando im All. Der riskante Trip zu einem Schwarzen Loch soll Energiequellen für die darbende Erde fördern. Bord-Ärztin Dr. Dibs (Juliette Binoche) hat dabei ihre ganz eigene Mission. Mit lustigen Party-Drogen verlockt sie listig die Astronauten zu Sperma-Spenden, mit denen sie zur Herrin über neues Leben werden will. Allein Held Monte verweigert den Gang in die Masturbationskabine, setzt lieber auf absolute Enthaltsamkeit. Weshalb Baby Willow dennoch seine leibliche Tochter ist, hat er einem teuflischen Plan der Frau Doktor zu verdanken. Nicht nur wegen ihrer verzausten Rapunsel-Frisur gilt sie so manchem Crew-Mitglied als Hexe!    

Mit einer bequemen linearen Handlung lässt Claire Denis ihr Publikum bei ihrem ersten englischsprachigen Film nicht so leicht davonkommen. Wer das Story-Puzzle lösen will, muss sich auf reichlich Rückblenden und Zeitsprünge einlassen, gängige Sehgewohnheiten über Bord werfen. Aus dem Baby wird bald die erwachsene Tochter. Dann wieder Kleinkind. Schließlich wird man gar Zeuge von jenem Zeugungsakt wider Willen. Andere Vergewaltigungen fallen brutaler aus. Da prügelt der Täter brutal auf mehrere Frauen ein, die blutige Rache der Opfer lässt nicht lange auf sich warten - und die kann messerscharf schon einmal ins Auge gehen. Möchte man das in dieser exzessiven Form so sehen? Grenzen überschreiben? Schon klar! Aber diese Provokations-Tamtam kommt bisweilen etwas arg bemüht daher. Das gilt gleichfalls für die voyeuristische Inszenierung einer theatralischen Selbstbefriedigungssequenz der Binoche. Mehr und mehr mutiert dieser Sci-Fi der Denis zu einer unangepassten Kunstinstallation im All. Kann man mögen („The single greatest one-person sex scene in the history of cinema” schnalzt verzückt der Guardian). Oder kann es recht verquast finden. Immerhin wagt diese 72jährige Madame unbestritten mehr als so manche früh vergreiste Filmstudenten.

Körperwelten der erotischen Art gehören stets zum Objekt der Begierde der Regisseurin, so auch bei dieser philosophierenden Sex-Odyssee im Weltraum, ihrem mittlerweile dreizehnten Werk. Wer könnte dabei als bessere Projektionsfläche dienen als der einstige Kreischalarmauslöser Robert Pattinson. Der hübsche „Twilight“-Vampir hat sich, David Cronenberg sei Dank, längst erfolgreich von seinem Mädchenschwarm-Image freigespielt. Mit gelassener Coolness lässt er sich hier von der Kamera extrem nah auf die Pelle rücken. Souverän balanciert der Brite in der Vater-Rolle gefühlsecht zwischen Zärtlichkeit und Verzweiflung. Selbst in ferner Zukunft muss der Pattinson noch als Lustobjekt herhalten - möge das Schwarze Loch mit ihm sein.

Dieter Oßwald