Red Sparrow

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Von der Prima Ballerina zur Topspionin – Jennifer Lawrence vollzieht im Agententhriller „Red Sparrow“ eine ordentliche Wandlung. Es ist nach „mother!“ von Darren Aronofsky erneut eine Rolle, die ihr wieder einiges abverlangt – diesmal eher in körperlicher Hinsicht. In einer von Männern dominierten Welt steht sie ihre Frau, ungeachtet fieser Intrigen, sadistischer Gewalt und Machtmanipulationen. Gerade dieser letzte Aspekt ruft aber in Erinnerung: Spionagethriller sind sich eben doch immer irgendwie ähnlich, und versuchen sich deshalb durch nebensächliche Drastik voneinander abzuheben. Da macht auch der kühl inszenierte „Red Sparrow“ keine Ausnahme.

Webseite: www.redsparrow-derfilm.de

USA 2018
Regie: Francis Lawrence
Darsteller: Jennifer Lawrence, Joel Egerton, Mary-Louise Parker, Jeremy Irons, Matthias Schoenaerts, Charlotte Rampling
139 Minuten
Verleih: Twentieth Century Fox
Start am 1.3.2018

FILMKRITIK:

„Es gibt keine Unfälle. Wir erschaffen uns unser eigenes Schicksal.“ Die Deutungshoheit ob des karrierebeendenden Unfalls während eines Auftritts als Ballerina des Moskauer Bolschoi-Balletts hat ihr Onkel (Matthias Schoenaerts). Weil er um ihre Fähigkeiten wie Ausdauer, Disziplin und auch ihre verführerische Ausstrahlung weiß, legt er seiner Nichte nahe, sich als roter Spatz, einer Spezialeinheit des russischen Geheimdienstes, in dem Frauen darin geschult werden, sich als Sexgespielinnen an Zielpersonen heranzuschmeißen, anzudienen. Damit wäre sie dann auch die Sorge los, über die entsprechenden Mittel zu verfügen, ihrer kranken Mutter eine Stütze zu sein. Und so wird aus der „Red Sparrow“-Rekrutin nach einem harten, manchmal auch demütigenden Auswahlprozess ganz flugs eine Meisterin des verführerischen manipulativen Kampfes. Als gestrenge und verhärmte Ausbilderin im Einsatz ist übrigens Charlotte Rampling.
 
Der Mann (Joel Egerton), auf den Dominika Egorova (Jennifer Lawrence) angesetzt wird, ist Amerikaner und schnüffelt für den CIA. Wie die beiden von ihren Lagern jeweils in Stellung gebracht werden, das ist ganz konventionell inszeniert, vielleicht noch versehen mit dem Zusatz, dass am besten niemandem zu trauen ist. Wenn es einmal heißt, jedes menschliche Wesen sei wie ein Puzzle aus Bedürfnissen und Notwendigkeiten, dann gehe es immer nur darum, das fehlende Teil, sprich: die Schwachstelle des anderen zu finden. Sich nackig machen, so die unterschwellige These, erleichtert diesen Prozess dann wohl.
 
Als Vorlage für „Red Sparrow“ diente ein Roman von Jason Matthews, der selbst einige Jahre als Geheimdienstler arbeitete. Ein konkreter Fall, wer hier aus welchem Grund wem hinterherspioniert, liegt der Verfilmung durch Francis Lawrence („Tribute von Panem“) aber nicht wirklich zugrunde. Von Interesse ist eigentlich nur die harte Schule, die die Protagonistin durchlaufen muss, um die zu werden, die sie am Ende ist. Diesen Werdegang zu beobachten an sich ist von Kleinigkeiten abgesehen unaufgeregt. Umso drastischer deshalb zwischenrein immer wieder Momente, in denen explizite Gewalt mit der Wucht eines Hammers auf den Amboss knallt. Besonders delikat dabei eine Szene, in der ein elektrischer Hautschäler zum Einsatz kommt, der üblicherweise zur Entfernung von Haut nach Verbrennungen verwendet wird.
 
Es ist dann einerseits diese recht brutale Seite, mit der sich „Red Sparrow“ in die Erinnerung gräbt und weniger die Tatsache, dass Jennifer Lawrence einmal „à poil“, also textilfrei von oben bis unten, und mit gespreizten Beinen vor einem Lustmolch sitzt und ihn auffordert, doch endlich zur Sache zu kommen. Worin der dann aber versagt. Zum körperlichen Schmerz kommt hier also immer auch die Lust, sich an seelischem Schmerz zu weiden – oder anders gesagt: zu zeigen, wer am Ende am längeren Hebel sitzt. Dazwischen gibt’s dann immer wieder reichlich Dialog und neue Wendungen im Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Spionen. So spannt man auch den Zuschauer auf die Folter.
 
„Red Sparrow“ lässt sich nicht zuletzt aufgrund seiner exzellenten Besetzung als Edel-Thriller bezeichnen. Wobei insbesondere in der Originalversion eine kleine Irritation bleibt, wenn den russischen Figuren, die ja von englischsprechenden Darstellern wie Matthias Schoenaerts, Jeremy Irons und Ciarán Hinds gemimt werden, ein russischer Akzent über die Lippen kommt. Bei Jennifer Lawrence hört sich das rollende R immerhin richtig gut an.
 
Thomas Volkmann