Architekt, Der

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In ihrem Spielfilmdebüt „Der Architekt“ beschreibt Ina Weisse den Zerfall einer Familie. Der Tod seiner Mutter führt den Architekten Georg Winter zusammen mit Frau und zwei Kindern zurück in sein Heimatdorf in den Bergen. In der symbolträchtigen Landschaft werden Ereignisse in Gang gesetzt, die die fragile Oberfläche der Familie für immer zerstören. Weisse konnte eine ganze Riege hervorragender Darsteller gewinnen, was angesichts des bisweilen überkonstruierten Drehbuchs etwas überrascht. Dennoch ein interessantes Debüt, mit viel Luft nach oben.

Webseite: www.reverse-angle.com

Deutschland 2008
Regie: Ina Weisse
Buch: Ina Weisse und Daphne Charizani
Darsteller: Josef Bierbichler, Hilde Van Mieghem, Matthias Schweighöfer, Sandra Hüller, Sophie Rois, Lucas Zolgar
Länge: 93 Minuten, Format: 1:1,85
Verleih: Reverse Angle Pictures
Kinostart: 5. Februar 2009

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Georg Winter (Josef Bierbichler) ist erfolgreicher Architekt in Hamburg. Ein Anruf aus der Heimat, irgendwo in den Bergen, reißt ihn aus dem Trott: Seine Mutter ist gestorben. Zusammen mit seiner Frau Eva (Hilde Van Miegham) und den beiden Kindern Jan (Matthias Schweighöfer) und Reh (Sandra Hüller) macht er sich auf den Weg in die Vergangenheit, in ein anderes Leben. Schon die Fahrt endet symbolhaft im Schnee, die letzten Meter zum Dorf müssen zu Fuß zurückgelegt werden. Dort wartet schon die Trauergemeinde, der Pfarrer findet letzte Worte, eine unbekannte Frau taucht auf. Es ist Hannah (Sophie Rois), mit der Georg – man ahnt es schnell und bekommt es bald bestätigt – einmal eine kurze Affäre hatte, aus der ein Sohn hervorgegangen ist. In dieses Konstrukt gerät die Hamburger Familie, für eine Nacht nur, im Haus der Mutter, dann soll es schnell wieder weg gehen, nach Hause, in die heile Welt.

Doch so leicht lässt Ina Weisse ihre Figuren nicht davonkommen. In der Schneebedeckten Landschaft beobachtet sie den Verfall der Familie, das langsame an die Oberfläche treten von Konflikten, unbestimmten Aversionen, lange gehegten Ressentiments. Man merkt, dass Weisse – die zusammen mit Daphne Charizani auch das Drehbuch schrieb – subtil sein will. Wenig soll gesagt werden, Andeutungen sollen reichen, Gesten, Ahnungen, nur nichts auf den Punkt bringen, scheint die Devise gewesen zu sein. Meistens funktioniert das recht gut, sprechen die Landschaft, die Kamera und natürlich besonders das Gesicht von Josef Bierbichler Bände, bisweilen verliert sich der Film aber im Ungefähren, der Grad zwischen subtil und willkürlich ist eben sehr schmal. Zumal nicht nur der Zustand des Vaters angedeutet werden will, sondern auch die fragilen Psychen seiner Kinder, die sich zwischen ehrgeiziger Mutter und unbestimmtem Vater zerrieben fühlen, aber eher zu erratischem Verhalten neigen, als zu nachvollziehbaren Handlungen.

So gut die Schauspieler auch sind, so sehr es der Kameraarbeit auch gelingt nicht der Verführung zu erliegen, sich an allzu prachtvollen Landschaftsaufnahmen zu laben, die auch so schon genug Symbolik in sich tragen, so überdeterminiert mutet das Drehbuch an. Ganz brav wird den Regeln des Drehbuchschreibens gefolgt, wie sie das amerikanische Kino predigt. Wenn sich da Georg Winter nach einer halben Stunde zum ersten Mal an den linken Arm fasst und vor Schmerz zusammenzuckt, weiß man schon, wie er enden wird. Es sind solche Schwächen, die „Der Architekt“ dann doch nicht so gut machen, wie er in manchen Phasen wirkt, in denen das Konstrukt an seine Grenzen stößt, die zeigen, dass es sich hier eben doch um ein Debüt handelt, mit vielen Schwächen eines solchen, aber auch mit viel Potential für kommende, rundere Filme.
 

Michael Meyns

Eine Familiengeschichte. Georg ist der „Architekt“. Er stammt aus einem Tiroler Bergdorf. Etwas geworden ist er vor allem durch den Einfluss seines Schwiegervaters, des Vaters von Eva, seiner Frau. Reh ist die Geige spielende Tochter, die vor einer Prüfung im Konservatorium steht, Jan der Sohn, der von der Schule geflogen ist und den seine Freundin soeben verlassen hat. Es ist tiefer Winter.

Georgs Mutter ist gestorben. Also auf zur Beerdigung. Bei dieser Fahrt und in den folgenden Tagen in Georgs Heimatort, wo die Familie länger bleiben muss, weil Lawinen die Zufahrtswege verschüttet haben, stellt sich heraus, in welchem Zustand die Familie als Ganzes und die einzelnen Mitglieder sich befinden.

Die Ehe ist kaputt. Dass die beiden Partner in 30 Jahren sich nie geliebt, aber ausgehalten haben, wird nun offenbar. Kommunikation zwischen dem Vater und dem Sohn gibt es nicht. Zur Tochter ist das Verhältnis besser. Georg ist ein schwer zugänglicher, eigenwilliger, meist grob-abweisender Kerl. Wie schwer krank er ist, weiß offenbar niemand.

Georg trifft auf Hanna. Deren Sohn Alexander ist Georgs Kind. Es stammt aus einer Affäre – aber während der Ehezeit. Hanna und Georg kannten sich von Kindheitstagen an. Für Eva bricht eine Welt zusammen. Reh rennt aus Verzweiflung fort – bis zur Erschöpfung. Gerade noch rechtzeitig findet Jan sie im Schnee. Georgs Krankheit meldet sich endgültig. 

Dramaturgisch wirkt der Film leicht zerfahren. Aber die winterliche Atmosphäre in diesem Bergdorf, die Schilderung der Gemütszustände der Protagonisten dieses Kammerspiels, die Spannungen untereinander, die sporadischen Verständigungsversuche, die Parallelität der äußeren und inneren Stimmungen, letztere geprägt durch Schuld und Verdrängung, all das ist ziemlich gut getroffen.

Dazu kommen beachtenswerte Schauspielerleistungen. Und einmal mehr tut sich dabei Josef Bierbichler als „Architekt“ hervor. Mit ihm im guten Team Matthias Schweighöfer als Jan, Sandra Hüller als Reh, Sophie Rois als Hanna und Hilde von Mieghem als Eva.

Eine unauffällige, aber präzise beobachtete Familiencharakterstudie.

Thomas Engel