Asteroid City

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Typischer als „Asteroid City“ kann ein Wes Anderson-Film kaum sein: Vom bis ins kleinste Detail ausgestatteten Sets, über eine verspielte, verschachtelt erzählte Handlung, bis hin zu einer Besetzung, die auch in den kleinsten, kaum wahrnehmbaren Nebenrollen bekannte Schauspieler versammelt. Worum es geht: Um alles und nichts, das große Ganze, die menschliche Existenz, den Sinn des Leben.

USA 2023
Regie & Buch: Wes Anderson
Darsteller: Tom Hanks, Jason Schwartzman, Scarlett Johansson, Jeffrey Wright, Tilda Swinton, Bryan Cranston, Ed Norton, Adrien Brody, Liev Schreiber, Hope Davis, Rupert Friend, Maya Hawke, Steve Carell, Margot Robbie, Matt Dillon, Hong Chau, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Rita Wilson

Länge: 104 Minuten
Verleih: Universal
Kinostart: 15. Juni 2023

FILMKRITIK:

Irgendwo im Südwesten der Vereinigten Staaten versammelt sich im Jahre 1955 eine bunt gemischte Gruppe Menschen. Anlass ist ein Sternforscherkongress im lokalen Wissenschaftszentrum, denn im Hintergrund der kleinen Gemeinde mit genau 87 Einwohnern, ragt der Krater auf, in den einst der Asteroid einschlug, der Asteroid City seinen Namen gab.

Nachwuchs-Sterngucker sind vor Ort, um ins All zu Blicken, junge Forscher, die ihre Entwicklungen vorstellen und bald kommt auch noch ein Alien zu Besuch. Was dazu führt, dass der Ort unter Quarantäne gestellt wird und das lokale Motel zum Anlaufort für die Gestrandeten wird: Den Kriegsfotografen Augie (Jason Schwartzmann), der gerade seine Frau verloren hat und mit seinem grantigen Schwiegervater (Tom Hanks) streitet. Der Filmstar Midge Campbell (Scarlett Johansson), eine Diva irgendwo zwischen Elizabeth Taylor und Marilyn Monroe, dazu die Wissenschaftlerin Dr. Hickenlooper (Tilda Swinton), der General Grif Gribson (Jeffrey Wright) und viele Andere. Sie alle hadern auf die ein oder andere Weise mit dem Leben, trauern geliebten Menschen mach, fragen sich, was das denn alles soll, suchen nach Antworten auf die großen Fragen der Menschheit oder schlicht und ergreifend dem Sinn der Existenz.

Sinn mag auch der Zuschauer in diesem besonders enigmatischen Film eines Regisseurs suchen, der einmal mehr einen Film vorgelegt hat, wie ihn nur er drehen kann. Vom ersten Moment an lässt „Asteroid City“ keinen Zweifel daran, dass es sich um einen Wes Anderson-Film handelt: Frontale Kameraperspektiven, liebevoll bis ins kleinste Detail ausgestattete Sets, seltsame Charaktere und nicht zuletzt: Eine verschachtelte Narration.
Andersons voriger Film „The French Dispatch“ funktionierte in gewisser Weise wie die Bebilderung des Magazins The New Yorker, in „Grand Budapest Hotel“ zeigten wechselnde Bildformate die unterschiedlichen Zeitebenen an, ein Stilmittel, das sich auch in „Asteroid City“ wiederfindet. Ist der Hauptfilm in farbigem Scope inszeniert, so sind die Bilder der Rahmenhandlung in schwarz-weiß und dem altmodischen 4:3-Format gefilmt. Hier sieht man eine TV-Inszenierung des Films, den man gerade sieht, aber auch Szenen mit dem Autor des Stücks selbst (Edward Norton), der bisweilen Besuch von den Schauspielern bekommt, die nach der Bedeutung der Dialoge fragen, die sie in der Haupthandlung sprechen.

Hübsch selbstreferenziell ist das, auch die geradezu absurde Ansammlung bekannter Schauspieler, die teilweise in winzigen Rollen auftreten, deutet darauf hin, dass Anderson hier auch einen Film über sich, seine Arbeitsmethode, seinen Blick auf die Welt gedreht hat. Eine wachsende Filmfamilie hat Anderson im Lauf der Jahre um sich gescharrt, Schauspieler wie Jason Schwartzman oder Willem Dafoe sind zum x-ten Mal bei ihm dabei, andere, wie Tom Hanks oder Scarlett Johansson, sind Newcomer.

All diese Stars, die sonst meist Hauptrollen spielen, lassen sich mit augenscheinlicher Lust auf ihre oft winzig kleinen Rollen in einem Wes-Anderson-Film ein, fügen sich ein ins große Ganze. Man darf vermuten, dass die Arbeit an einem Anderson-Film ein großes Vergnügen ist, von einer Neugier geprägt, die sich auch auf der Leinwand zeigt. Von großen Fragen mag die Rede sein, von Verlust und Tod die Rede sein, doch Andersons Filme und seine Figuren sind stets von einem unerschütterlichen Optimismus geprägt, auch wenn es keine klaren Antworten gibt. Doch wenn das Leben schon rätselhaft bleibt, dann sollte es zumindest so verspielt und abwechslungsreich sein wie die Welt von „Asteroid City“, in der man gerne 100 Minuten verbringt.

Michael Meyns