Baader Meinhof Komplex

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Es beginnt auf Sylt beim fröhlichen Badespass Ulrike Meinhofs und ihrer Kinder und endet in einem Wald in Belgien mit einem Blick auf den toten Hans-Martin Schleyer. Bernd Eichingers Versuch den deutschen Terrorismus in Bilder zu fassen, ist bildgewaltig, in Momenten wuchtig und bis in die Nebenrollen mit dem Who’s who des deutschen Schauspiels besetzt. Doch all dieser Aufwand verpufft, da es den Filmemachern nicht gelingt, eine Haltung zum Gezeigten zu entwickeln und sie sich statt dessen hinter einem zur Schau getragenen Authentizitätsanspruch verstecken, den sie selbst ständig unterlaufen.

Webseite: www.bmk.film.de

Deutschland 2008
Regie: Uli Edel
Buch: Bernd Eichinger, Uli Edel, nach dem Buch und mit Beratung von Stefan Aust
Kamera: Rainer Klausmann
Schnitt: Alexander Berner
Musik: Peter Hinderthür, Florian Tessloff
Darsteller: Martina Gedeck, Moritz Bleibtreu, Nadja Uhl, Bruno Ganz, Johanna Wokalek, Stipe Erceg, Alexandra Maria Lara, Tom Schilling, Sebastian Blomberg, Jan Josef Liefers, Heino Ferch, Hannah Herzsprung
150 Minuten, Format: 1:1,85
Verleih: Constantin
Kinostart: 25. September 2008

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Über den Inhalt des „Baader Meinhof Komplex“ muss man nicht viele Worte verlieren, die Fakten sind bekannt, der Film fügt ihnen nichts Neues hinzu. Von den Studentenunruhen 1967, den Protesten gegen den Schah von Persien und dem Tod Benno Ohnesorgs, über die Radikalisierung der späteren RAF-Mitglieder, bis zum so genannten Deutschen Herbst, der Entführung und Befreiung der Lufthansa-Maschine Landshut, dem Selbstmord der RAF-Gefangenen und der Ermordung Schleyers, hakt der Film nahezu jedes wichtige Ereignis ab. Wobei man gespannt sein darf, was in der längeren Fernsehfassung, die nächstes Jahr der ARD an zwei Abenden hohe Einschaltquoten bescheren wird, hinzugefügt wird. 

Überhaupt ist Fernsehen das richtige Stichwort, besonders das in den letzten Jahren so beliebte historisierende Geschichtsfernsehen. Zugegebenermaßen verzichtet „Der Baader Meinhof Komplex“ auf eine aufgeklatschte Liebesgeschichte, mit der vergleichbare Zweiteiler zu Themen wie Dresden, Gustloff oder Luftbrücke so gerne aufgehübscht werden. Pure Authentizität ist er allerdings nicht, auch wenn die Macher dies suggerieren. Schon bei Eichingers letztem Megaprojekt „Der Untergang“ wurde so getan, als würde man ein Dokudrama sehen, als wäre jeder Dialog tatsächlich so gesprochen worden, als wäre jede Begegnung, jede Unterhaltung als Fotographisches Zeugnis erhalten und von den Filmemachern nur nachgestellt worden. Aber selbst wenn dies so wäre, jeder Film ist per se subjektiv, jede Regieentscheidung, jeder Kamerawinkel, jeder Schnitt ist eine Wahl, die über das rein dokumentarische hinausgeht. „Der Baader Meinhof Komplex“ behauptet jedoch genau dies zu sein. Immer wieder wird der historische Kontext bemüht, werden tatsächliche Dokumentaraufnahmen, Fotos und Nachrichtensendungen zwischengeschnitten und suggeriert, dass die Spielszenen diese echten Dokumente nur ergänzen. 

Über weite Strecken haftet dem Film auch etwas Szenisches an, wird oft Zusammenhangloses gezeigt, dass dann ein großes Ganzes ergeben soll. Und doch gibt es ein klares Zentrum, müsste der Film zumindest zwei Stunden lang eigentlich „Der Ulrike Meinhof Komplex“ heißen. Martina Gedecks Figur wird deutlich mehr Zeit gewidmet, als dem Rest, was einerseits an den zahlreichen Texten liegt, die Ulrike Meinhof vor und nach ihrem Gang in den Untergrund verfasst hat und die der Film ausführlich zitiert. Andererseits wird anhand Ulrike Meinhof versucht, das Abdriften einer engagierten linken Journalistin in den menschenverachtenden Terrorismus nachzuempfinden. Immer wieder werden subjektive Kameraeinstellungen gewählt, die die psychische Entwicklung Meinhofs versinnbildlichen sollen, ihren Kampf mit eigenen Moralvorstellungen und Idealen, wodurch das Konzept der totalen Authentizität vollends untergraben wird.

Nicht zuletzt in dieser Diskrepanz wird die fehlende Haltung der Filmemacher überdeutlich. Sie zeigen bis ins kleinste Detail penibel ausgestattete Sets, zeigen die Eskalation der Gewalt auf beiden Seiten, vermeiden tunlichst jede Form von Sympathiebekundung, Verdammung und „Prada-Meinhof“-Ästhetisierung und verlieren sich letztlich zwischen den Stühlen. „Der Baader Meinhof Komplex“ ist politisch korrektes Kino, das niemandem zu Nahe treten will. Er ist ein Film, der glaubt, die pure Aneinanderreihung von Szenen mit fraglos faszinierenden Personen, Ereignissen und Überlegungen, würde automatisch großes Kino ergeben. 

Er ist so vorsichtig, dass er am Ende noch nicht einmal seiner eigenen zur Schau getragenen Neutralität vertraut. Da wird Nadja Uhl als Brigitte Mohnhaupt ein Satz in den Mund gelegt, dessen Authentizität mehr als fraglich erscheint. Sie richtet ihn nach dem Selbstmord der Gefangenen von Stammheim an ihre Mittäter, die an einen Mord durch den Staat glauben wollen, doch eigentlich ist der Satz die Botschaft der Filmemacher an ein vom wilden Rebellenleben eines Baaders leicht verführbares Publikum: „Ihr habt sie nicht gekannt. Hört auf sie zu sehen, wie sie nie waren.“ Mit dieser Absicherung endet ein Film, der zweieinhalb Stunden damit zubringt, von Außen zu zeigen, wie die Zeit des deutschen Terrorismus und die Beteiligten auf beiden Seiten aussahen. Den wesentlich interessanteren, aber auch riskanteren Versuch, einen Blick in diese sehr speziell deutsche Psyche zu werfen, findet in diesem Film nicht statt.

Michael Meyns

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